Ratlos…

Werter Herr Schulte,

sonst bin ich nicht so schwer von Begriff, aber Ihr Vergleich zwischen Zivil- sowie Sozialsachen vor deutschen Gerichten und den Beschwerden von Zuschauern oder Institutionen über Werbekampagnen hat sich mir nicht erschlossen… Was wollen Sie damit mir sagen? Daß sich so wenige über Reklame beschweren? Die Fallzahlen wachsen doch?!

Nach meiner Ansicht könnte man sich praktisch über jede Werbekampagne – zumindest die im Fernseh betriebenen – beschweren.

In aller Regel werden die angesprochenen Klienten dort als Deppen hingestellt, die jeweils mit glücklich-debilem Blick ein Automodell fahren, in ein Würstchen oder ein Stück Schokolade beißen, einem angeblichen Chocolatier mit Goldrandbrille beim Gießen von goldenen Osterhasen zuschauen, begeistert auf dem Tisch in eine Masse aus einer Tütensuppe glotzen, ein Pärchen, das sich mit dem offensichtlich stark wirkenden Aphrodisiakum „Pizza“ füttert – and so on and on and on…

Überall heißen die Reklameschlüsselwörter: Neu!, verbessert (warum habt ihr es nicht gleich richtig gemacht?), nur für kurze Zeit (haha, wie weiland in der DDR), ausgewählte Zutaten (ja, sonst wären diese ja kaum drin), hochwertig, bei allen teilnehmenden Soundso-Partnern (wer nicht teilnimmt, kann wohl kaum teilnehmen) usw. usf. Dieser beschränkte Blödsprech scheint für alle Unternehmen in einer einzigen Quelle produziert zu werden.

Und dann weiter: Die beworbenen Sujets bestehen zu einem großen Teil im weiteren Sinne aus –Verzeihung: Menstruationsblut, Kacke, Pisse, Nagelpilz sowie Bronchialschleim.

Da Sie in Ihrem folgenden Beitrag die zwangsfinanzierten Sender anscheinend ein bißchen schonen: Sehen Sie sich doch einmal ein Abendprogramm an. Mine Fru (Märchen Fischer & Fru) und ich leben im Ausland, und wenn ich das deutsche Fernsehen so im Sekundentakt durchzappe, dann muß es sich in Tschland mittlerweile um einen totalen Justiz- und Polizeistaat handeln, gefühlt nur noch Tatorte, Hubert und Staller, Toto und Harry, Gerichtsvollzieher, Staatsanwalt, Zoll-, Ladungs-, Hygiene-, Verkehrs- und Schwarzarbeitkontrolle, Gerichtsmedizin, Aktenzeichen XY, Polizeibericht, und kein Ende in Sicht. Sehr schön auch der private Waffenlobbysender N24. Ertragbar sind bisweilen nur die Dritten Programme.

Überall die gleichen Mimengesichter, die sich immer selbstreferentiell zu dieser Show und zu jenem Quiz im Kreis herum einladen: Der Kuckuck lobt den Hahn, weil der Hahn den Kuckuck lobt.

Die Tagesschau gucken wir hier, wenn überhaupt, grundsätzlich ohne Ton und ergötzen uns nur an den Gesichtern der Akteure und raten lustig, was die Darsteller da gerade wohl wieder ablassen mögen.