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Für ein solidarisches UND loyales Europa der Menschen

Ist es nicht erbärmlich, wie wenig Leute den Aufruf  kommentiert bzw. geteilt haben? (Die Erstunterzeichner sind: Hans Eichel, Jürgen Habermas, Roland Koch, Friedrich Merz, Bert Rürup, Brigitte Zypries)

Jeder einzelne, miesepetrige und von Zynismus triefende Beitrag eines Henryk M. Broder und anderer EU-Feinde erhält mehr Unterstützung und Beifall als dieser parteiübergreifende Aufruf. Der stammt schon vom 21. Oktober 2018 und hat bisher nur magere Resonanz gefunden (s. Zahl der Kommentare und Sharings).

Ich kenne einige Leute, die das Projekt Europa schlankweg zum Teufel wünschen. Ob sie es so ernst meinen, kann ich nicht sagen. Aber sie reden so. Ihnen sind die im Aufruf erwähnten europäischen Errungenschaften nicht wichtig.

Die lange Periode des Friedens führen sie zurück auf die Abschreckung durch die Atomarsenale der Großmächte während des Kalten Krieges. Wie soll man dagegen ankommen, zumal auch dies in den vergangenen Jahrzehnten seit Ende des zweiten Weltkrieges natürlich eine Rolle für den Friedenserhalt gespielt haben wird?

Andererseits ist es mir zu billig zu unterstellen, dass die Erstunterzeichner des Aufrufes im Wesentlichen die wirtschaftlichen Vorteile oder gar nur die einer gewissen Klientel im Auge gehabt hätten. Ich kann mir vorstellen, dass es Menschen gibt, die das jedoch so sehen werden. Linke wie Rechte übrigens.

Nein zu Macron – oder doch nicht?

Es ist bedrückend, wie die Deutsche Regierung mit Macrons Vorschlägen umgegangen ist. Tricksen, ausweichen, täuschen, verschieben wären Attribute, die mir zum Verhalten der Deutschen einfallen. Die Verwalter des deutschen Geldes innerhalb der Regierung haben so große Angst, dass die Projekte Macrons nur zu Lasten des deutschen Steuerzahlers gehen werden. Ach ja!?

Wenn Friedrich Merz, übrigens einer der Mitunterzeichner, den Plänen von Bundesfinanzminister Scholz folgt und einer EU-Arbeitslosenversicherung etwas abgewinnen konnte, gibt mir dies etwas Hoffnung. Obwohl das positive Votum vor der Bekanntgabe seiner Kandidatur um den CDU-Vorsitz erfolgte. Wer weiß schon, wie Merz als Bundeskanzler denken und handeln würde?

Was im Aufruf gefordert wird, lehnt der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber, jedenfalls prompt ab. Ein seltsamer Standpunkt für einen, der sich anschickt, EU-Kommissionspräsident zu werden.

Haben Politiker und Wirtschaftswissenschaftler sich wirklich je einmal die Mühe gemacht, uns BürgerInnen die Vorteile, übrigens auch die finanziellen, genauer zu erklären. Hin und wieder wird zwar gesagt, dass insbesondere wir Deutschen von der EU und den bestehenden Regeln besonders profitiert hätten. Aber war das nicht eher die Wirtschaft und nicht in viel kleinem Umfang der Otto Normalverbraucher?  Daten, die über den Vorteil für die gesamte Volkswirtschaft hinausgehen, kenne ich nicht. Kann man den finanziellen Nutzen für den einzelnen Menschen, der durch die EU entstanden ist, nicht einmal genau benennen? Am besten gleich nach Ländern, um einen Vergleichsmaßstab zu haben.

Nach dem Brexit

Vielleicht müssen wir warten, bis die Folgen des Brexit, die Großbritannien nach Meinung vieler in der EU dramatisch treffen werden, Realität geworden sind. Sofern sie sich überhaupt so krass zeigen, wie manche EU-Europäer es gern beschrieben haben.

Mein Eindruck ist, dass keiner die tatsächlichen Konsequenzen wirklich vorhersagen kann. Stattdessen traktiert man uns mit positiven und negativen Szenarien, die allesamt politische Motive nahelegen. Am Ende wird irgendwann die wahre Erkenntnis stehen, ob es ohne EU besser oder doch schlechter um die Mitgliedsländer bestellt ist. 

Als ob die Nationalstaaten Europas ökonomisch allein – jeder für sich –  in der globalisierten Welt auch nur den Hauch einer Chance hätten.

Bis dahin machen wir uns allesamt Sorgen um die unsere Zukunft und – natürlich – um UNSER GELD. Ökonomen erklären uns schon seit der Brexitentscheidung, wie furchtbar alles wird, wenn die Briten erst einmal aus der EU raus sind. Der Ex-Chef des Ifo-Instituts, Prof. Sinn zum Beispiel: Die bisherige Sperrminorität werde durch das Ausscheiden Großbritanniens verloren gehen. Im EU-Ministerrat verfügen die „Nord-Länder“ der EU, so Sinn, nur noch über 30%, die „Südländer“ hingegen über 43%. Damit entfalle, wie gesagt, die bisherige Sperrminorität und – so Sinn weiter – „der Süden kann machen, was er will“.

Und was das wieder für ein Geld kosten wird…!

Ich wünschte, die Europäer würden sich nicht nur um Solidarität bemühen, was ihnen leider ja schon schwer genug fällt.

Es geht um Loyalität gegenüber dem Gemeinschaftsprojekt Europa.

Das sollten sich auch die Mitglieder des Europa- und Ministerrates endlich hinter die Ohren schreiben.

Die EU-Europäer haben längst begriffen, dass die fehlende Loyalität vieler führender Politiker auf diesen verschiedenen Ebenen eines der größten Probleme der EU darstellt. Sie machen sich zu oft einen schlanken Fuß, in dem sie der EU eigenen Unzulänglichkeiten/Schwierigkeiten anlasten. Bisher hat das leider gut funktioniert und wuchs sich zum Imageschaden für die ganze EU aus. Das muss ein Ende haben!

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4 Gedanken zu „Für ein solidarisches UND loyales Europa der Menschen“

  1. Es fällt schwer die Erklärung mit den früheren Handlungen der als Autoren genannten Personen zu verknüpfen (ausgenommen Habermas) ohne sich ungläubig die Augenzu reiben und sich zu fragen „Warum so und ausgerechnet jetzt?“

    Nur ein paar Gedanken dazu, dass es irgendwie ‚unpassend‘ erscheint wenn früher in Machtpositionen gewesene Politiker jetzt – aus dem ‚off‘ – ihre Stimmen erheben:
    Es reicht nicht das EU Parlament zu stärken, es kommt vielmehr darauf an die (nicht gewählten, sondern von den Teilnehmerstaaten entsandten) Gremien wie z.B. den Ministerrat zu entmachten oder durch eine von den Bevölkerungen gewählte Institution zu ersetzen. Außerdem müßte verhindert werden, dass bereits national erfolglose Versuche einer Gesetzgebung nicht durch Vorlage auf EU Ebene doch noch durchgesetzt werden.

    Ganz knapp, ohne Feinheiten zu berücksichtigen:
    – Eichel steht für eine Finanzpolitik die Unternehmen besser gestellt hat, die Arbeiter belastete;
    – Koch steht für eine stark rechtslastige Wirtschaftssicht und -förderung;
    – Merz steht für eine Unterwerfung unter / Übernahme von US-Weltpolitikvorgaben;
    – Rürup steht für eine völlig verkorkste Rentenpolitik die bestimmte Finanzdienstleister und Versicherer reich und die Versicherten ärmer macht;
    – Zypries steht für eine zukunftsfeindliche Beharrungspolitik als sie im Amt war – und ausgerechnet sie, die nicht wußte was ein ‚browser‘ ist und wie man ins Internet geht wollte ein ’start-up‘ gründen? Da paßt doch nichts zusammen.

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  2. Die Namen des Appells haben mich auch irritiert. Immerhin gibt es aber ein Statement, das mir deutlicher klarer herüberkommt als die Ausweichmanöver der aktuellen Bundesregierung. Heute wird ja über jeden Politiker überwiegend schlecht geredet. Wir haben halt nur die. 🙂 Daran beteilige ich mich vorzugsweise nur, wenn diese Politiker demokratiefeindliche Tendenzen zeigen. Das ist bei diesen Namen, trotz deiner berechtigen Kritik, aus meiner Sicht nicht der Fall.

    Die EU-Strukturen sind nicht demokratisch genug. Das sehe ich auch so. Die Fortschritte (EU-Parlament z.B.) sind zu klein. Daran, dass wir die Probleme der EU mit der „Entmachtung“ des Ministerrates lösen könnten bzw. ob damit überhaupt eine realistische Option angesprochen ist, kann ich nicht glauben. Er stellt aber, ebenso wie der europäische Rat eine Instanz dar, in der der nationale (nationalistische) Einfluss der Länder wohl zu groß ist. Ich hatte das ja im Artikel erwähnt. Wenn etwas nicht passt, gehen die Regierungschefs oder Minister „nach Hause“ und maulen über die EU. An ihr liegt es aber oftmals nicht, sondern viel mehr an den Einzelinteressen der Nationalstaaten. Aber das wird sich sobald nicht ändern lassen, zumal die Tendenzen in Richtung Nationalismus leider kaum zu übersehen sind. Es hätten viel früher weitreichendere Reformen angefasst und umgesetzt werden müssen. So können wir nur hoffen, dass es noch nicht zu spät ist. Die Europa-Wahlen im nächsten Jahr werden uns darüber vielleicht etwas verraten.

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  3. Die EU Kommission ist nicht demokratisch legitimiert.
    EU bedeutet für viele Massen-Jugendarbeitslisgkeit, Finanzdiktatur und Verlust souveräner Rechte eines Staates usw.Warum soll ich noch national wählen, wenn die EU Gesetzgebung über dem nationalen vom Volk gewählten Gesetzgeber steht ? Weniger EU ist das Gebot der Stunde.

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  4. Darüber, ob die EU-Kommission demokratisch legitimiert ist, kann man unterschiedlicher Meinung sein. Immerhin wird sie von den Regierungen der Mitgliedsstaaten und ihr Chef vom europäischen Parlament gewählt. Aber sicher ist es richtig, dass an diesem Verfahren Verbesserungsbedarf besteht.

    Das Gebot der Stunde ist, da muss ich Ihnen bei aller verständlichen Kritik widersprechen, ist mehr und nicht weniger Europa. Wir haben gegen die großen Player (USA, Asien) in ökonomischer Hinsicht keine Überlebenschance. Und politisch wird das sich auch nicht anders darstellen. Wir brauchen unbedingt eine engere Zusammenarbeit und sollten nicht dem nationalistischen Wahn bestimmter Kräfte innerhalb der EU und ihren Mitgliedsländern folgen.

    Die negativen Aspekte, die Sie aufgeworfen haben, sind allerdings nicht von der Hand zu weisen. Hinsichtlich der Schuld für manche Entwicklungen allerdings wirklich bei der EU-Kommission oder ihren Institutionen liegt, würde ich kein so klares Urteil fällen. Schließlich sind es die Mitgliedsstaaten selbst, die so manche Krise durch ihr stures und egoistisches, manchmal auch politisch opportunistisches Verhalten verursacht haben. Deutschland gehört leider dazu. Griechenland und der Euro sind dafür leider schlechte Beispiele.

    Trotzdem allem plädiere ich für eine Verstärkung der Integration. Allerdings zu anderen Bedingungen als heute. Die Einstimmigkeit sollte aus pragmatischen Gründen abgeschafft werden. Außerdem sollten Mitgliedsstaaten aus der EU und dem Euro austreten oder ausgeschlossen werden können. Das ist aber nur ein Diskussionsbeitrag, denn natürlich weiß ich nicht, was geschehen würde, wenn solche Entscheidungen „ohne weiteres“ getroffen werden könnten.

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