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Es klingelt und keiner steht vor der Tür

Klingelmännchen mit unerfreulichem Ende für alle Beteiligten

Ich bilde mir ein, ein braves Kind gewesen zu sein, schüchtern und gut erzogen. Wahrscheinlich sagen die meisten das oder etwas ähnliches von sich. Besonders dann vermutlich, wenn die Jugend schon etwas länger zurückliegt. Bekanntlich bleiben mit zunehmendem zeitlichen Abstand die positiven Dinge besser in unserer Erinnerung haften als die schlechten.

Einerseits war es eine herrliche, behütete und unbeschwerte Kindheit, die meiner Schwester und mir auf dem „Sonnenhof“ vergönnt war, andererseits war es manchmal doch etwas einsam, weil die meisten unserer Freunde in der Stadt lebten. Die lag leider einige Kilometer von uns entfernt. Erst als wir etwas älter waren und unsere Eltern es uns erlaubten, uns mit unseren Fahrrädern zu bewegen, waren wir nicht mehr so stark auf unser häusliches Umfeld festgelegt. Ich schätze, wir waren 9 oder 10 Jahre alt.


Wenn ich mit meinen Freunden unterwegs war, gehört es zu unseren größten Freuden, „Klingelmännchen“ zu spielen. Kein Tag, der nicht seinen Ausklang nahm, ohne irgendwelche „fremden“ Menschen an die Tür zu locken. Ich glaube, jeder wird wissen, was das Wort „Klingelmännchen“ bedeutet. Unter dem Eintrag bei Wikipedia finden sich dazu noch viele weitere Begriffe. Das zeigt, wie populär dieser „Zeitvertreib“ war und offenbar auch noch heute ist.

Schaut man sich aber die Ergebnisse einer Google-Suche an, so stellt man fest, dass viele Menschen diese Freizeitbetätigung aber nicht so sehr mögen. Im Mai dieses Jahres wurde sogar auf „die Täter“ geschossen. Ein 6jähriger Junge wurde von einer Luftgewehrkugel leicht verletzt.


Wir haben diese Schelmstücke (das Wort ist so alt, dass es nicht mal einen Wikipedia – Eintrag gibt) auch gemacht und hatten massig Spaß dabei. Natürlich sind wir nicht einfach weggelaufen und haben uns in unserer Fantasie die Reaktionen unserer „Oper“ vorgestellt. Wir gingen planvoll vor und haben uns auf die Lauer gelegt, um die Bewohner des Hauses bei ihrem Verärgertsein beobachten zu können. Der Reiz lag also auch ein bisschen darin, vielleicht ja doch erwischt zu werden…

Einen unserer Lehrer hatten wir dabei besonders auf dem Kieker. Mit anderen Worten, er wurde regelmäßig von uns heimgesucht. Sein Haus hatte eine vorteilhafte Lage, weil auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine ziemlich hohe dichte Hecke den Straßenrand säumte. Dahinter konnten wir uns prima verstecken und waren in der Lage, die Wirkung unserer Untat genauestens zu verfolgen.

Bedburg ist nur ein kleines Städtchen. Als Ureinwohner kennt man natürlich besonders geeignete Ziele für solche Aktionen. Das ist heute nicht anders als früher ™.


Trotzdem war ich überrascht, als ich heute davon las, dass ein paar Kids auf genau dieser Straße, auf der wir vor über 50 Jahren „aktiv waren“, Klingelmännchen gespielt hatten und dabei – im Gegensatz zu uns – böse aufgefallen sind.

Ein alter (66jähriger) weißer Mann ??‍?(also exakt so alt wie ich) fand dieses Spiel doof und wollte drei Kindern im Alter von 11 bis 13 Jahren eine Quittung für diese unerhörte Störung präsentieren. Grundsätzlich gehört eine Reaktion Beklingelten unbedingt dazu, also zu den Spiegelregeln von Klingelmännchen. Nichts ist doch langweiliger, als wenn die Bewohner nicht zu Hause sind oder den Braten gerochen haben und sich eben gar nicht erst zeigen.

Der 66jährige Beklingelte nahm mit einem Fahrrad die Verfolgung der flüchtigen Jugendlichen auf und die Sache nahm einen von beiden Seiten eher ungeplanten Verlauf, der dem Opfer dieser jugendlichen Ungezogenheit schlussendlich ein Strafverfahren einbringen könnte. Einer der Jungen und der Mann wurden leicht verletzt. ??‍♂️

Die drei Kinder liefen verfolgt vom Radfahrer von der Goethestraße in eine Stichstraße und von dort auf die Lessingstraße. Dort setzte der 66-Jährige zum Überholen an, um die weitere Flucht eines Zwölfjährigen zu unterbinden. Dabei fuhr er das Kind an, welches sich leicht verletzte. Der Radfahrer selbst stürzte in einen Vorgarten und verletzte sich ebenfalls leicht.

▷ POL-REK: 191122-3: Kinderstreich endete im Wartezimmer eines Arztes – Bedburg | Presseportal

Ich möchte mir lieber nicht ausmalen, welches Damokles – Schwert damals über meinen Freunden und mir schwebte. Was alles hätte passieren können?! Ein alter Mann auf’m Fahrrad, wutschnaubend, mit mangelnder körperlicher Fitness und noch geringerer Körperbeherrschung holt zum Gegenschlag gegen nervtötende Klingelmännchen*fräuchen aus.

Ob es heute eigentlich tatsächlich mehr Leute als früher ™ gibt, die es nervt, wenn es gelegentlich mal bei ihnen klingelt und doch mal wieder keiner vor der Tür steht…? Einsamkeit macht aggressiv – oder so.

Vielleicht hat das alles auch ganz andere Ursachen und es ist, wie ein befreundeter Blogger vermutet. Ja, das Grundwasser enthält tatsächlich gefährliche Substanzen, die uns alle nach und nach zu Spiel- und Spaßverderbern oder noch viel Schlimmerem machen. Ich persönlich tippe natürlich aufs Internet als Wurzel allen Übels.

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2 Gedanken zu „Es klingelt und keiner steht vor der Tür“

  1. Schellenkloppen hieß das bei uns. Haben wir, jaaa so war’s, schon recht oft gemacht. 🙂
    Erwischt hat uns aber nie jemand. Oder besser: gesehen beim Wegrennen haben uns manche Bewohner schon, aber zu verfolgen waren wir nie wirklich. Da gab es dann ein paar Beschimpfungen vom Fenster aus.

    Das Highlight war eines Abends, ziemlich spät an einem Sommerabend, es war schon dunkel, wir waren um die Häuser gezogen und haben geschwätzt und gelacht und hatten auch schon die eine oder andere Klingel gedrückt. Wir waren zu dritt oder viert, 14 oder 15 Jahre jung. Es gab dort in der Siedlung, wo wir wohnten, ein ziemlich neues 18-stöckiges Hochhaus, ich glaube, mit 4 Wohnungen pro Etage. Wir waren eigentlich schon am Nach-Hause-Gehen, da sah einer von uns am Rand eines Mülltonnenplatzes ein ziemlich großes Sperrholzbrett stehen — wir wussten sofort, was damit zu tun war.
    Zurück zum Hochhaus, es deckte fast das ganze große Klingelbrett ab, wir hielten das Brett davor und drückten mal eben kurz zwei- oder dreimal gleichmäßig zu.
    Dann, Brett fallen gelassen, und wir rannten, so schnell wir konnten. Ein paar Rufende haben wir gehört, aber wir waren schnell außer Reichweite und verfolgt hat uns niemand. Aber wir sind fast den gesamten Weg zu unseren Häusern zurück gerannt und haben uns dabei fast kaputt gelacht.

    Das war eins meiner Jugend-Highlights, was Streiche angeht, ich werd’s nie vergessen… 🙂

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  2. Schellenklopfen ist schön. Den Namen hatte ich noch nicht gehört 🙂 Das mit dem Brett ist in dieser Konstellation eine tolle Idee gewesen. Ein Höchstmaß an Effizienz. Sowas wäre hier an manchen Stellen auch möglich gewesen. Wir haben wir aber eher auf Einfamilienhäuser festgelegt. Da war die Zahl der möglichen Verfolger überschaubarer. ??‍♀️

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