Wohin mit den Toten? Friedhöfe ver­än­dern sich.

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von Horst Schulte

Lesezeit: 3 Min.

Mein Schwiegervater moch­te Friedhöfe nicht. Falls ein Spaziergang die­se Richtung zu neh­men droh­te, sag­te er: «Da lie­ge ich noch lan­ge genug». 1985 ist er gestor­ben und das Grab gibt es schon ein paar Jahre nicht mehr. 

Dabei gibt es so wun­der­ba­re Friedhöfe und man braucht für die Verwendung eines sol­chen Attributes kein beson­de­res Faible für Morbides. Friedhöfe sind ruhi­ge Orte, die, je nach Lage und Größe, wah­re Kleinode sein kön­nen, die einem nicht nur eine Gelegenheit bie­ten, sich an lie­be Verstorbene zu erinnern.

Als ich klein war, hat­ten Gräber für mich etwas end­gül­ti­ges. Hier ruh­ten unse­re Vorfahren. Ich hat­te kei­ne Zweifel, dass sie dort ewig besucht wer­den könn­ten. Meine Großeltern und mei­ne Urgroßeltern waren schon ver­stor­ben als ich gebo­ren wur­de. Sie waren in Gräbern beer­digt, die Jahrzehnte nach ihrem Tod noch exis­tier­ten. Heute wer­den Gräber nach weni­ger als 25 Jahren auf­ge­ge­ben. Ich den­ke, es sind meis­tens Kostengründe, die die Menschen dazu ver­an­las­sen. Auch die Preise für Gräber sind in den letz­ten Jahrzehnten exor­bi­tant gestiegen.

Längst hat sich die Art und Weise, in der Menschen ihre Postexistenz ent­schei­den, ver­än­dert. Wahrscheinlich liegt das an den hor­ren­den Preisen. Mit einem Ex-Bürgermeister hat­te ich dazu mal eine kur­ze Diskussion. Er bat mich, die Kosten ein­mal auf klei­ne­re Zeiteinheiten her­un­ter­zu­rech­nen und danach erneut zu beur­tei­len, ob die heu­te übli­chen Preise wirk­lich zu hoch seien. 

Die Preisentwicklung und die unter­schied­li­chen Möglichkeiten, sich bestat­ten zu las­sen, füh­ren jeden­falls dazu, dass die Leerstände auf unse­ren Friedhöfen ech­te Ausmaße ange­nom­men haben. In die­sen Dürresommern wirkt es beson­ders schlimm, wenn auf klei­ne­ren Friedhöfen wie­der zahl­rei­che Gräber «abge­lau­fen» sind. Die Flächen wir­ken im Sommer noch trost­lo­ser als sonst.

Inzwischen gibt es auf vie­len Friedhöfen Urnenstelen, die eben­falls gern genutzt wer­den und die auf­grund des gerin­gen Platzbedarfs sicher preis­wer­ter sind, als nor­ma­le Einzel‑, Doppel- oder gar Familiengräber. 

Ich fin­de per­sön­lich die Möglichkeit gut, sich anonym beer­di­gen zu las­sen oder in einem so genann­ten Friedwald.

Unabhängig davon, dass durch die zahl­rei­chen Alternativen ver­mut­lich eini­ges an Geld ein­zu­spa­ren ist, wird auf die­se Weise der in man­chen Gegenden gras­sie­ren­de Grabkult unter­bun­den wird. Es gab Zeiten, da war das Setzen eines pom­pö­sen Grabsteins gleich­ran­gig mit der feu­da­len, teu­er aus­se­hen­den Haustüre in Neubaugebieten vergleichbar. 

Vielleicht ist die neue Entwicklung auch Ausdruck der um sich grei­fen­den Individualisierung inner­halb rei­cher Gesellschaften. Aber wahr­schein­lich dürf­te das finan­zi­el­le Einsparungspotenzial durch neue Bestattungsformen doch ein Hauptgrund für die Veränderung sein. Nicht zuletzt spielt viel­leicht auch die Abwendung gro­ßer Teile der Bevölkerung von den tra­di­tio­nel­len Religionsgemeinschaften eine Rolle. 


Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe auf dem Land.

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Artikelinformationen

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6 Gedanken zu „Wohin mit den Toten? Friedhöfe ver­än­dern sich.“

  1. Horrende Preise! Hier in Otzberg kos­tet das nur die Hälfte. Die Preise sind das eine. Der Wunsch des Verstorbenen und auch der Hinterbliebenen das ande­re. Meine Erfahrung sagt mir dass es lei­der nicht immer so ein­fach ist.

  2. Sehr selt­sam in der Preisliste:

    Sargwahlgrab 2.625,00 €
    pfle­ge­frei­es Sargwahlgrab 4.150,00 €

    so auch bei etli­chen ande­ren Bestattungsformen. «Pflegefrei» ist dras­tisch teu­rer! Die spinnen… 

    Ich fin­de, auch bei uns soll­te es erlaubt sein, die Urne mit nach­hau­se zu neh­men, um die Asche irgend­wo zu verstreuen.

  3. Das deckt sich mit mei­nen Beobachtungen, ich mag näm­lich Friedhöfe sehr.
    Da steckt so viel geleb­tes Leben drin, nun gut, viel­leicht komisch ausgedrückt.
    Wenn das dann unge­pflegt und ver­wil­dert aus­sieht und die Gräber wie ver­spreng­te Satelliten ver­teilt sind, fin­de ich das sehr trau­rig. Wobei ich gegen «grü­ne Wiese» und gene­rell anony­me Begräbnisse nichts habe, aber der Gesamteindruck muss auch irgend­wie wür­de­voll sein. Finde ich.

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