Gesellschaft

Biedenkopf, Geißler vs. Ziemiak, Glotz und Bahr vs. Klingbeil

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Die CDU hat es echt schwer. Ich will mich gerade nicht mit all den Problemen beschäftigen, die diese Partei in der nächsten Zukunft lösen muss, um nicht mit dem gleichen Schicksal geschlagen zu werden wie die SPD. Allerdings hat mir ein Gedanke gefallen, von dem ich euch, auch wenn er ziemlich boshaft daherkommt, kurz erzählen möchte.

Der gebürtige Passauer Werner Patzelt lehrt Politik an der TU in Dresden. Er philosophierte in einer „Phoenix Runde“ über das öffentlich sichtbare intellektuelle Niveau der CDU. Allzu viel ist davon nicht zu sehen, wenn ich Patzelt denn richtig verstanden habe. Er sparte nicht mit Erinnerungen an die Vergangenheit und zog einen Vergleich, der mehr nach typischen „Boomer-Argumenten“ gegen „die Jungen“ klingt als nach einer fairen Bewertung der momentanen Lage. Mir hat diese Zuspitzung nichtsdestoweniger gut gefallen.

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Er erinnerte an Generalsekretäre der früheren Glanzzeiten der CDU, also an Kurt Biedenkopf (73-77) und Heiner Geißler (77-89). Heute, so Patzelt, hätte die CDU einen Paul Ziemiak, der dafür gelobt werde, einen digitalen Parteitag organisiert zu haben.

Starker Tobak und möglicherweise ungerecht. Allerdings, wenn ich so recht darüber nachdenke… Peter Glotz (SPD) war intellektuell schon ein ganz anderes Kaliber als der designierte neue SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil. Aber die SPD hat ja erst seit 1999 überhaupt einen Generalsekretär. Peter Glotz (81-87) führte den Titel eines SPD-Bundesgeschäftsführers. Diese Position war vergleichbar mit der eines Generalsekretärs. Egon Bahr war ebenfalls SPD-Bundesgeschäftsführer (76-81).

Ohne der aktuellen politischen Elite in Deutschland etwas Schlechtes nachsagen zu wollen, das waren ganz andere Kaliber. Sie haben ihre Parteien strategisch belebt, ausgerichtet und geführt. Nachhaltig! Diese Menschen spielten aus meiner Sicht intellektuell in einer ganz anderen Liga als es heutige Parteifunktionäre tun. So wie es Patzelt in der „Phoenix Runde“ auf den Punkt gebracht hat, muss man einfach verzweifeln an einer Parteienlandschaft, der ich jedenfalls kaum noch etwas zutrauen würde.

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6 Gedanken zu „Biedenkopf, Geißler vs. Ziemiak, Glotz und Bahr vs. Klingbeil“

  1. Sehr interessant, wie immer. Aber so richtig fehlt mir der Zusammenhang. Das richtige Personal kann ich bei der Linken nun auch nicht finden. Obwohl es Sympathien gibt.

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  2. Nun. Es kommen hier mehrere Faktoren zusammen.

    1. Die Volksparteien sind schon lange nicht mehr volksnah.

    Ich weiß natürlich nicht, wie Du aufgewachsen bist, aber eine meiner frühesten Erinnerungen ist, dass man mit dem SPD-Ortsverein zu Himmelfahrt und anderen Tagen gewandert ist. Da waren offenbar nicht nur „Gläubige“ dabei, wie man anhand der Streitgespräche eruieren konnte. Essen & Trinken waren für uns Kids übrigens frei, mal abgesehen von Burger & Cola, was damals aber auch keiner vermisst hatte.
    Eintritt wurde auch nicht verlangt. Es wurden keine großartigen Reden geschwungen, dafür gab es mit etwas Glück eine Art Hannes Wader am Abend zum Abgesang. Dazwischen hat sich das halbe Dorf über Gott & die Welt unterhalten, aber auch darüber, was passieren muss, damit das Klärwerk auch etwas klärt. Nur wenige davon waren BWLer oder Juristen.

    Gibt`s das heute noch? Ich vermute mal, dass das nicht der Fall ist.

    2. Degeneration. Meine Eltern wussten offenbar von dem Prozess.
    Neben der üblichen Verteufelung der Jungen ging es einher, dass viele gesellschaftliche Stellschrauben verdreht wurden. Zensuren und Bildungsempfehlungen wurden einklagbar. Das bedeutet, das im Akademischen sich das Recht des Reicheren durchsetzte und die andern Bildungswege dem folgten. Für NRW bedeutete das damals, dass das Leistungsniveau pro Jahr um 10 % abgesenkt werden musste (meine Ma war Lehrerin). Die Frage ist halt, wenn man das in Prozent misst, wo man heute steht, wenn es mal 100 % waren. Los damit ging es zu Wendezeiten.
    Das betrifft aber nur die schulische Bildung.
    Betriebliche Bildung gab es früher auch. Sogar kostenlos.
    Heutzutage ist nicht mehr wichtig, ob man was weiß, sondern nur, ob man weiß, wo es steht.
    Ich bin der erste der Generation Degeneration. Nicht nach, sondern mit mir die Sintflut.

    3. Die Überhöhung des Ökonomischen.

    Früher stellte sich die Frage nicht, ob ein Krankenhaus wirtschaftlich Sinn machte.

    Du hast Dir als Kind den Arm beim Bolzen gebrochen? Na und? Dann bist Du dahin und Dein Arm wurde eingegipst und ein paar Wochen später kam der Gips ab und es wurde geschaut, ob der Arm richtig verheilt ist. Heute wird das operiert (machen die da 2-Komponentenkleber dran?). Du bekommst einen Leichtgips, der nach ein paar Tagen abkommt. Wie das verheilt ist, schaut sich keiner mehr an (es sei denn, Du bist Leistungssportler). Du musstest damals keine Legitimation inne haben. Du hast gesagt: „Mein Arm tut weh!“ und es wurde Dir geholfen. Heute? Ohne Eltern, Karte & Zusatzversicherung? Undenkbar.

    Das war nur als plakatives Beispiel gedacht. Ich kann Hunderte davon aufzählen.

    Rasenmähen. Früher hast Du Dir den Mäher geschnappt und gemäht. Heute ist es wichtig, dass das in bestimmter Form passiert. Vorne mähen die Bots, hinten kommt der Aufsatzmäher zur Vollendung. Weil es so effizient ist.

    Wo kommt das her? Nun. Der Deutsche besitzt keine eigene Genialität mehr. Er schaut, wo am meisten mit Geld um sich geworfen wird (USA) und kopiert es. Verhaltensweisen, Geschäftsmodelle, Unterhaltung und Kultur der Deutschen sind ein verzerrtes Abziehbild des Amerikas der 70er Jahre.

    Allein, dass eine Firma eine juristische Person darstellen darf, ist ein Verbrechen gegen die Menschheit!

    Dazu kommt ein System, aus angeblich unabhängigen Schiedsgerichten, wo Firmen mit Firmen aushandeln, welcher Staat der Erde gerade abgezogen werden muss, weil der Firma Umsätze entgangen sind.
    Stell Dir mal vor, Du könntest Deinen Arbeitgeber und den Staat verklagen, weil Dein Job Soundsoviel bringt und 70 h inkludiert.
    Unfassbar!

    4. Feudalistische Standesdüünkel ersetzen die Führungskultur.

    Große Firmen werden genauso vererbt, wie politische Ämter. Ganz so, als hätte es Wilhelm den Bekloppten nie gegeben.
    Das ist Monarchie, nicht Demokratie.

    Passend dazu gibt es die Hofberichterstattung der Medien, die nicht nur tolles von jedem Königshaus der Erde, sondern auch vom Adel zu jeder Sekunde bereithalten und ggf. noch mit den „Großtaten“ bekannter Milliardäre aufwarten.

    5. Narzissmus statt Führung

    Hie empfiehlt sich das Buch von Maaz. „Die narzisstische Gesellschaft.“ Das Meiste, was dort geschrieben steht, war damals so nicht denkbar. Ist aber heute Realität.

    Wenn Du die Narzissten therapieren würdest, wären 2/3 Der Firmen, 1/3 der Belegschaft und 40 % der Politiker krank und somit nicht mit Arbeit beschäftigt.

    Die klassischen 7 Fragen an einen Narzissten kann man in jedem Supermarkt und in jedem Parteibüro stellen.

    Was kann man da machen? Nix. Den Karren verdient vor die Wand fahren lassen.

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  3. Vielleicht sollten wir, auch trotz deiner Bedenken und zutreffenden Argumente, doch auf die junge Generation bauen? In dieser Woche habe ich eine gute, interessante Diskussion bei „Markus Lanz“ verfolgt. Dort waren „nur“ unter 30-Jährige anwesend, jedenfalls wenn man Lanz nicht mitzählt. Er hat sie reden lassen, was schon auch eine Leistung gewesen ist. Denn normalerweise quatscht er ja ständig dazwischen. Hier mal der Link, falls du es dir „antun“ möchtest. Ich denke, du wirst nicht allzu viel Nektar aus diesen Diskussionsbeiträgen ziehen können. Aber vlt. irre ich mich auch.

    Meine Frau und ich stammen beide aus klassischen Arbeiterfamilien. Bei uns wurde traditionell immer SPD gewählt. Nichts anderes kam infrage. Der Gegner war schwarz. Über Nazis habe ich mir während meiner Jugend keine Gedanken gemacht. Es gab sie nicht, dachte ich. Dabei sagt die Empirie etwas ganz anderes, natürlich auch damals. Mein Vater war jahrzehntelang Mitglied der SPD – bis zu seinem Tod. Erst im höheren Alter hat er sich distanziert – von der Politik allgemein, nicht von der SPD im Speziellen.

    An solchen Veranstaltungen, von denen du erzählt hast, haben wir uns nicht beteiligt. Wir wohnten ziemlich abseits, keiner in unserer Familie hatte einen Führerschein. Alles wurde mit dem Rad abgefahren. Aber es gab schon ein ganz anderes Gefühl der Zusammengehörigkeit. Ob nun innerhalb unserer großen Familie oder im Freundeskreis meiner Eltern. Die Geschwister meiner Mutter kamen mit ihren Familien fast jedes Wochenende zu uns. Die Kinder spielten zusammen. Es war, aus der heutigen Sicht heraus, sehr idyllisch. Politische Auseinandersetzungen gab es meiner Erinnerung nach nie. Aber vielleicht hat man die uns Kindern gegenüber tunlichst unterlassen?

    Ich (geb. 1953) habe vom Niveauabfall des Schulwesens nichts mitbekommen. Das ging später los. Ich habe die Hauptschule 1968 bereits verlassen. Ich kenne natürlich die Diskussionen über diesen Verfall unseres Bildungssystems. Ich denke, dass eine Rolle spielt, dass wir unsere finanziellen Mittel in einem Maße in die sozialen Systeme gepumpt haben, dass uns jetzt zu wenig zur Verfügung steht. So kommt die Vernachlässigung der Infrastruktur, wozu auch Schulen und Unis zählen, zustande. Darüber wird nur kaum gesprochen. Wir glauben, dass die nötigen Finanzmittel für die Pflege dieser Infrastruktur in diesem Land unendlich sind. Gerade diejenigen, die sich am lautesten über die Fehlentwicklungen beklagen, sehen nicht, welche Auswirkungen diese Allokationen dringend für andere Projekte benötigte eigentlich hat. So gesehen ist es nicht nur die Politik, die hier ihrer Verantwortung nicht nachkommt. Was wohl passieren wird, wenn dieser Sozialstaat irgendwann scheitert?

    Ich weiß nicht, ob wir keine „eigene Genialität“ mehr haben. In Anspruchshaltung gibt es sie zweifellos. Dass es immer noch mal einen Nobelpreisträger aus D gibt, ist mir tröstlich.

    Wir sehen die Qualität unserer Politiker in dieser Pandemie. Es gibt sie nicht. Den Verantwortlichen ist gemein, dass sie aus Angst vor den Wählern nicht die nötigen Maßnahmen treffen. Die Individualisierung unserer Gesellschaft hat einen Egoismus und eine Unduldsamkeit hervorgebracht, die mir Angst macht und von der ich ausgehe, dass die genannten Folgen das Potenzial haben, unsere Gesellschaft endgültig zu ruinieren.

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  4. Den letzten Punkt teile ich, auch wenn ich ihn anders beschreiben würde.

    Nobelpreisträger machen mir eher Angst. Einen Preis, der auf Sprengstoff zurückgeht, zu vergeben wirkt auf mich eher desaströs. Andererseits kommen die bedeutendsten Entwicklungen grundsätzlich vom Töten her. Auch das Internet ist da keine Ausnahme.

    „Über Nazis habe ich mir während meiner Jugend keine Gedanken gemacht.“

    Respekt! Für mich gab es die schon zu Kindertagen. In der Jugend wurde es dann kompliziert. In den 80ern gab es eine erkleckliche Anzahl an Jugendgruppen, die sich bis aufs Blut bekämpften. Psycho Billies,
    Teds, Skins, Sharp Skins, Gothics (u. a. Neon Mönche), Punks, Rockabillies, Hools, um nur einige zu nennen. Alle mit eigener Musik, Wertekanon und Haltung gestrickt.
    Gar nicht selten waren dabei auch Massenschlägereien üblich.

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  5. Die Nobelpreise sind unter Beschuss geraten. Die Friedensnobelpreisträger der letzten Jahre waren nicht immer glücklich, gelinde ausgedrückt. Aber einen Zusammenhang mit Dynamit habe ich bei all den Disziplinen nun eher nicht angestellt. Ich fand es lange hervorragend, dass es diese Preise gibt. Nun sind sie – vorwiegend durch die öffentlichen Diskussionen – ins Gerede gekommen. Mir tut das eher leid, weil es nichts Vergleichbares gibt.

    Ich habe die Lieder von Hannes Wader, Konstantin Wecker später die Ärzte mit ihrem „Schrei nach Liebe“ gehört und mitgesungen. Aber sie haben bei uns zu Hause, also hier auf dem Land, keine realen Anlässe gespiegelt. Es ist schon was anderes, ob man selbst mit Rassismus und Nazis konfrontiert wird oder ob man „nur“ darüber liest oder erzählt bekommt. Ich war in linken Jugendgruppen engagiert. Da gings aber nicht um politische Gegnerschaften, sondern um konkrete Projekte, die wir realisiert sehen wollten. Manchmal erfolgreich, manchmal nicht. Mich haben die Mordbuben und -mädels der RAF abgestoßen. Nicht wegen ihrer politischen Gesinnung, wohl aber wegen ihrer maßlosen Gewalt und ihrer menschenverachtenden Anschläge gegen Einzelne.

    Als in den 1980er-Jahren (erste Hooligan-Welle) Massenschlägereien zwischen angeblichen Fußballfans aufkamen, war ich schon längst so weit, dass ich ein klares Bekenntnis gegen Gewalt entwickelt hatte. Ich war links, bequem und zu oft uninteressiert. Andere Dinge waren wichtiger. Freunde, Karriere und Vergnügen. Mensch, wir waren frei und ungebunden. Es gab diesen ganzen Druck, diesen Kladderadatsch, mit dem die heute Jungen konfrontiert sind, überhaupt nicht. Jedenfalls erinnere ich mich nicht.

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