Demokratie ohne Plebiszit, dafür nach Umfragen?

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Sind Umfragen so aussagefähig, dass sie als Entscheidungsgrundlage taugen? Spiegeln sie nicht hauptsächlich kurzfristige Stimmungen wider?

Ist es fair, einem Fußballclub den Gewinn einer Meisterschaft zu neiden? Das ist es nicht, trotzdem geschieht es jedes Jahr aufs Neue. Vor allem wohl, weil der FC Bayern darauf abonniert ist. Ähnlich ist es bei der Union. Keine Partei hat häufiger die Regierung gestellt.

16 Jahre Merkel

In den 16 Jahren Merkel hat sich das Land stark verändert. Aus meiner Sicht gilt es weniger das Was, sondern das Wie zu beachten. Bis zur Pandemie beweihräucherte die Union sich mit dem Slogan: „Deutschland geht es gut!“. Dabei haben die Folgen der Agenda des wohl letzten SPD-Kanzlers zu einem sozialen Ungleichgewicht geführt, gegen das die in manchen Bevölkerungsteilen traditionell als Bonzenpartei gehandelte Union nichts entgegensetzen wollte. Jeder Vergleich von Umfragewerten zeigt, dass die Verantwortung für die Entwicklung im Wesentlichen weiterhin allein der SPD angelastet wird. Der fundamentale Verlust von Vertrauen wirkt nach und ist von PolitikerInnen mit den Herzen von Apparatschiks kaum zurückzugewinnen.

Populismus im Vormarsch

Die Änderungen in der medialen und gesellschaftlichen Atmosphäre sind, wie alle wissen, kein deutsches Phänomen. Die Veränderungen haben viel mit dem ins Unermessliche gestiegenen Einfluss der Medien, vor allem der asozialen (Social Media) zu tun.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber Mitte des vorletzten Jahrzehnts den klaren Auftrag gegeben, die Größe des Bundestages neu zu regeln. Inzwischen hat Deutschland das mit Abstand größte Parlament aller demokratischen Staaten. Nur der chinesische Volkskongress hat mehr Mitglieder. Ich reite deshalb auf diesem Tatbestand herum, weil dies in der Kandidatendebatte um die Kanzlerkandidatur zwischen Söder und Laschet die zentrale Rolle spielt.


Viele Abgeordnete haben Angst, ihr Mandat bei den Wahlen zu verlieren und sehen in einer Leitfigur namens Söder die bessere, vielleicht letzte Chance. Das klingt nicht nur unsympathisch, es passt zu dem Eindruck, der in den Köpfen noch überpräsent ist. Neben den Korruptionsfällen der letzten Zeit spielt es auch eine Rolle, dass es hauptsächlich die Union war (nebst FDP-Anhang), die den Berliner Mietendeckel beim Bundesverfassunsgericht „erfolgreich“ bekämpft hat. Die Menschen in Berlin werden das der Union nicht vergessen, würde ich mir wünschen!

Die Union ist nach 16 Jahren am Ende, korrupt, verbraucht, wie am Ende der Ära Kohl. Welch vermessene Arroganz zu glauben, dass diese Partei, die gerade mit der erfolgreichen Klage gegen den Mitpreisdeckel in Karlsruhe mitten in der Pandemie gezeigt hat, wessen Interessen sie in Wahrheit vertritt, ewig weiter regieren kann? Dazu mit zwei mittelmäßigen Hallodris?

Union: Auf den Hund gekommen | Post von Horn / Aus einem Kommentar zum Artikel

Umfrage als Ersatz für Volksbefragungen?

Einerseits ist es längst normal geworden, dass sich PolitikerInnen wie auch wir BürgerInnen an Umfragewerten orientieren. Das ist insbesondere bei Wahlumfragen, also der damit möglichen Einschätzung von Wahlchancen, schon deshalb nicht verwerflich, weil die Zuverlässigkeit solcher Umfragen durch die Methoden der Institute (Wahlrecht.de) doch ziemlich hoch ist.

Warum sollte speziell ein gewählter Abgeordneter, dessen Chancen auf Wiederwahl stark von den „Qualitäten“ der Spitzenkandidaten abhängen, die von seiner Partei „aufgestellt“ werden, nicht maßgeblichen Einfluss nehmen können, sondern diesen Parteigremien (Parteivorstand, Präsidium) überlassen?

Wäre es für unsere Demokratie nicht besser, wenn das Volk auf dem Umweg über Umfrageergebnisse erfährt, dass sein Votum bei einer Kandidatenauswahl eine Rolle spielt – trotz grundsätzlicher Vorbehalte gegen Umfragen?

Willensbildung durch politische Parteien

Wenn Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes von Gesetzes wegen mitwirken sollen, sollte man Entscheidungsvorgänge nicht besser an den Anfang stellen und nicht ans Ende? Wir gehen brav wählen und sorgen durch unsere Voten dafür, dass die/der Spitzenkandidat/in Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler wird. Einfluss auf diesen Spitzenkandidaten hatten wir häufig nicht, höchstens indirekt. Ich erinnere an den „fliegenden Wechsel“ von Willy Brandt zu Helmut Schmidt.

Wie stand es damals um die Popularität von Helmut Schmidt? Hätten die Deutschen ihn zum Kanzler gewählt oder hätte er eine Spitzenposition eingenommen, wäre die Demoskopie damals schon so weit gewesen? Ich denke nicht! Aus der heutigen Sicht erreichte Schmidts lagerübergreifende Popularität schon beinahe einen Heldenstatus.


Armin Laschet scheint ein netter Mensch zu sein. Einer, dem ich persönlich dieses Desaster wirklich gern erspart hätte. Söder scheint vielen BürgerInnen als der bessere Krisenmanager. Ein Mann mit Ecken und Kanten war er immer. Das wirkt in der Krise vielleicht als positive Verstärkung. Söder scheint ein Mann zu sein, der weiß, was er will und der über die Ellbogen verfügt, seinen Willen durchzusetzen. Denkt man an seine Karriere zurück, so erinnert man sich zwangsläufig an die vielen Ausfälle und unmöglichen Auftritte dieses Herrn.

Vorbehalte gegen Söder vergessen?

Obwohl ich voller Vorbehalte gegen Markus Söder war, hat sich meine Einstellung auch verändert. Bin ich so leicht zu manipulieren und wie steht es mit meinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern? Haben sie vergessen, welche fiesen Sätze dieser Söder in die Welt geblasen hatte, beispielsweise als er noch Generalsekretär der CSU war? Dann denke ich an Heiner Geißler. Er war in den 1970er und 1980er Jahren mein größtes Feindbild. Den „späten“ Heiner Geißler habe ich verehrt, und zwar sehr. Menschen ändern sich eben doch. Der Ruf eines Menschen hat sicher mit dem Amt zu tun, das dieser innehat.


Muss man sich Sorgen machen um die CDU, wenn Beschlüsse ihrer Führungsgremien vom Votum der Bundestagsfraktion „überstimmt“ würden? Wie könnte Armin Laschet als Parteivorsitzender und auch als NRW-Ministerpräsident überhaupt weitermachen, wenn er von seinen eigenen Leuten gekippt würde? Wäre er gegebenenfalls so stark beschädigt, dass er am Ende vielleicht sogar beide Ämter aufgeben würde?

Mich erinnert dieses Debakel an das von Martin Schulz. Längst wissen wir, auch Dank des Buches von Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen, dass er von der Berliner SPD-Zentrale nicht die Unterstützung erfahren hat, von der man als normaler Bürger in einer solchen Ausgangslage ausgegangen wäre. Er ist in einem Haifischbecken hoffnungslos allein geblieben. Dabei muss man den Einfluss der Hauptstadtmedien allerdings besonders herausstellen.

Martin Schulz‘ Schicksal

Armin Laschet hat ein hohes politisches Amt inne und verfügt im Gegensatz zu Martin Schulz über Regierungserfahrung als Minister und Ministerpräsident. Das hilft ihm in Berlin nicht viel. Er hat seit seiner Wahl zum Parteichef der CDU im Januar kein Szenarium entwickelt, wie die Frage der Kanzlerkandidatenentscheidung in der Partei vonstatten gehen soll. Er hätte damit rechnen müssen, dass Söders Zurückhaltung purer Koketterie entsprach und das er, sollte sich eine echte Chance eröffnen, genauso knallhart zugreifen würde wie beim Streit um den CSU-Parteivorsitz.

Die CDU kann nur noch verlieren. Selbst wenn die Parteispitze es noch fertigbringen sollte, Söder ins Glied zurückzuschubsen, werden ihr Chef und auch die Partei selbst beschädigt sein. Die CSU samt ihren bajuwarischen Poltergeistern konnte sich hingegen profilieren und könnte die CDU weiter vor sich hertreiben. Das wird vor den Wahlen aus taktischen Gründen eher nicht so sein. Aber es kommt ja die Zeit nach den Wahlen. Laschet würde viel ausstehen müssen. Und ob er tatsächlich Kanzler würde, steht im Moment auch in den Sternen.

Gestern gab es übrigens einen merkwürdigen „Ausschlag“ bei den Umfragen. Die Forschungsgruppe Wahlen sah die CDU plötzlich wieder bei 31 Prozent, statt bei 27.

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