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Kein revidiertes CO2-Gesetz: Die SchweizerInnen und ihre Schweiz

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von Horst Schulte

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Hier habe ich schon häufiger darüber geschrieben, dass meine Frau und ich seit den 1970er-Jahren sehr viele Urlaube in der Schweiz verbracht haben. Wir mögen vor allem das Berner Oberland.

Meistens war die Gemeinde Sigriswil unser Ziel, oberhalb des wunderschönen Thunersees. Ich erinnere mich an eine (für mich) etwas unangenehme Begegnung mit einer älteren Schweizerin.

Ich glaube, wir waren gerade angekommen und wollten uns beim Bäcker Brot besorgen. Es regnete in Strömen. Nicht schön für einen Urlaubsbeginn. Aber das gehört nun mal in unseren Breitengraden dazu.

Ich kenne den Ort und die Parkmöglichkeiten ziemlich gut. Aber ich war faul und hatte Hunger. Es sollte flott gehen. Meine Frau lief rüber zum Bäcker, während ich im „laufenden“ Auto wartete. Das war natürlich bescheuert und unnötig.

Ich erkläre mir dieses Verhalten mit dem starken Regen und damit, dass ich ziemlich müde von der langen Fahrt war. So war’s eben. Der Aufenthalt sollte eben nur sehr kurz sein…

Es klopfte an meiner Autotür.

Eine ältere Schweizerin schimpfte los wie ein Rohrspatz (das war auch in Schwyzerdütsch auch nicht unbedingt witzig). Zuerst begriff ich nicht, worum es überhaupt ging.

Schnell war klar: Sie regte sich darüber auf, dass ich den Wagen angelassen hatte. Und – recht hatte sie!

Warum ich das erwähne? Nun, die Schweizer, wenn man das so verallgemeinern darf, achten sehr auf ihre Umwelt. Die Natur hat vermutlich einen höheren Stellenwert als hier bei uns. Das schließe ich übrigens nicht nur daraus, dass die Grüne Basis das Wort Deutschland eigentlich aus ihrem Wahlprogramm gestrichen sehen sollte. 🙂

Vor die Menschen tun dies, die das Privileg haben, in diesen wunderschönen Bergdörfern zu leben.

Während meiner Kindheit hatte die Familie meines besten Freundes (sein Vater war Schweizer und ein vermögender Unternehmer) eine Gruppe von Schülern in den Sommerferien zu Gast. Sie stammten aus der Gemeinde Sigriswil.

Die Jungs und Mädels hatten nach wenigen Tagen derart Heimweh, dass die Heimreise fast früher angetreten worden wäre. Ich konnte das damals gut verstehen. Ich war als kleiner Junge zweimal dort, einmal ohne aber einmal mit so viel Heimweh, dass ich nach 3 Wochen nach Hause musste. Bedburg ist auch schön.


Heute haben sich die Schweizer in einem Referendum gegen eine Verschärfung des existierenden CO2-Gesetzes entschieden. Offenbar war die Entscheidung so nicht erwartet worden.

Das revidierte CO2-Gesetz ist überraschend in der Referendumsabstimmung gescheitert. Damit müssen die Klimapolitikerinnen und -politiker über die Bücher. Mit dieser Vorlage wären unter anderem höhere Lenkungsabgaben auf Heizöl und Gas sowie eine Flugticketabgabe eingeführt worden. Dies, um den Treibhausgasausstoss bis 2030 verglichen mit 1990 zu halbieren.

NZZ.ch

Es muss also nun nachgearbeitet werden („KlimapolitikerInnen und -politiker müssen über die Bücher“). Ich bin gespannt, wie es diesbezüglich in der Schweiz weitergehen wird. Wenn eine Bevölkerung mit einer derartig „natürlichen“ Naturverbundenheit die geplanten „Lenkungsabgaben“ nicht akzeptiert, wie wird das wohl bei uns sein, wenn den Leuten erst einmal klar wird, welche Kosten für die Dinge, die natürlich die gleichen wie dort sein werden, auf dem Tisch des Hauses liegen?

Die Abstimmungsvorlage vom Juni ermöglicht eine starke Erhöhung der CO2-Abgabe auf bis zu 210 Franken pro Tonne.

Schweizer Klimapolitik: Wie hoch sollte die CO2-Abgabe sein?

Übrigens gibt es in der Schweiz einen interessanten Verrechnungsmodus für die zu viel gezahlte Lenkungsabgabe.

Diese Gelder fliessen via Krankenkassen an die Bevölkerung zurück. Im Jahr 2021 werden auf diese Weise CHF 753 Mio. aus Umweltabgaben verteilt, d.h. CHF 87.– pro Person. Dieser Betrag wird von den Prämienrechnungen 2021 abgezogen.

Rückerstattung der Umweltabgaben | Sympany

Ich glaube, dass dieses technische Detail auch in Deutschland bereits diskutiert wurde. Es scheint, als hätte die Methode vor den Augen hiesiger Experten keine Gnade gefunden. Wir wissen eben immer alles und zwar besser.

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4 Gedanken zu „Kein revidiertes CO2-Gesetz: Die SchweizerInnen und ihre Schweiz“

  1. Bin gespannt, wie lange die Bevölkerungen noch glauben werden, die Klimakrise liese sich einfach abwählen und ignorieren – Hauptsache, es geht JETZT noch ein bisschen weiter so mit all dem Luxus.

    Es gibt kaum mehr Gründe, NICHT zum Misanthrop zu werden, wenn man zuviel derartige Nachrichten konsumiert.

  2. Vielleicht deutet die Entscheidung an, dass die bisher von der Politik vorgetragenen Konzepte unehrlich, ungenau und deshalb nicht überzeugend waren. Wenn der Haupteindruck der ist, dass man unweigerliche Preissteigerungen um jeden Preis verschleiern möchte, also so tut, als wären weniger Emissionen nicht mit einem Verlust von Wohlstand verbunden, kriegen „die Leute“ kalte Füße. Es gelingt der Politik nicht, die rudimentären Konzepte verständlich zu erklären. Das gilt natürlich auch für die Grünen. Die Leute lassen sich nicht gern für dumm verkaufen.

  3. Ich dachte, sie haben abgelehnt WEGEN der zu erwartenden Preissteigerungen?
    Das ist doch derzeit überall zu sehen: Die Leute scheinen zu glauben, wenn sie einfach alles ablehnen, was dem Klimaschutz dient, weil es natürlich kostet und letztlich mit weniger Wohlstand verbunden ist, dann sei das Problem keines mehr?
    Ist es nicht. Wenn kein vorausschauender, sanfter Übergang geschafft wird, gibts irgendwann eine krasse Ökodiktatur. Was denn sonst?

  4. Das gehört vermutlich zu den Dingen, die Menschen ohne Weiteres hinbekommen. Viele sehen die Notwendigkeit auf allen denkbaren Gebieten zu handeln, wenn es aber konkret wird – also Geld kostet – nimmt die Bereitschaft selbst Verantwortung zu übernehmen, sprunghaft ab. Vermutlich ist es so, dass viele den krassen Szenarien des größten Teils der Wissenschaft nicht vertrauen. Den Widerspruch löst im Moment keiner auf.

    Eine Voraussetzung dran etwas zu ändern wäre, dass überzeugende globale Prozesse in Gang kommen, die nicht als Absichtserklärungen interpretiert werden können (Paris). Hach, was weiß ich denn?

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