Politik

Opportunismus ist unsympathisch, selbst wenn er der Umwelt dienen soll

∼ 5 Min. Lesezeit

Es ist wenig dagegen zu sagen, dass Umweltschützer mit allem, was sie haben, die Lage für ihre Zwecke zu nutzen versuchen. Ob nun Greenpeace oder andere bekannte Aktivisten (z.B. Quaschning), es geht hoch her am Sternenhimmel der Argumente für „kreative“ Einsparungen fossiler Energien. Das ist nachvollziehbar, weil unser Komfort Putins Krieg in der Ukraine finanziert.

Drastische Vorwürfe gegen die deutsche Regierung

Die massiven Vorwürfe, die vom ukrainischen Botschafter, Melnyk und auch von Präsident Selenskyj an die Adresse Deutschlands gehen, sind deutlich. Ich empfinde die rüden Worte als übertrieben, aber ich kann sie entschuldigen. Schließlich befinden sich beide, eigentlich alle Ukrainer, in einer absoluten Ausnahmesituation.

Leicht fällt es nicht, die Geduld dafür aufzubringen. Dass Deutschland, dass unsere Regierung sich von der Ukraine nicht in einen Krieg mit Russland hineinziehen lassen wollen, darf klar ausgesprochen werden! Die möglichen Folgen für die Welt sind angesichts der NATO-Verpflichtungen allen bekannt.

„Wir können nur Maßnahmen beschließen, von denen ich weiß, dass sie nicht zu schweren wirtschaftlichen Schäden in Deutschland führen“ LINK

(Robert Habeck)⛽️ Greenpeace-Studie „Kein Öl für Krieg“: Maßnahmen, die russische Energie sparen | tagesschau.de

Habeck schätzt die Lage anders ein als Umweltaktivisten

Wem wäre es nicht lieber, wenn wir die Belieferung mit fossiler Energie aus Russland sofort einstellen würden? Dass Wirtschaftsminister Robert Habeck, Grüne, die Auswirkungen dieses Schrittes so beschreibt, halte ich für glaubwürdig, glaubwürdiger als die Ratschläge, die von Umweltaktivisten mit aller medialer Gewalt verbreitet werden.

Ich habe nichts gegen kreative Vorschläge zu diesem komplexen und inzwischen hoch emotionalisierten Thema. Allerdings kommt es mir so vor, als versuchten Umweltaktivisten die Angst der Menschen in Deutschland und der Welt für ihre Zwecke zu kanalisieren. Ich kann nicht sagen, ob die Bedenken der deutschen Wirtschaft im Detail berechtigt sind.

Schwere wirtschaftliche Schäden für das Land? Oder sind es interessengeleitete Einwände?

Schwere wirtschaftliche Schäden, wie Habeck sie befürchtet, sind angesichts der Dimensionen vermutlich realistischer als die Aussage Quaschnings, dass wir 1/3 unserer Ölimporte aus Russland senken könnten, wenn wir nur endlich das Tempolimit, Home-Office und autofreie Sonntage einführen würden. Auf welcher Basis mag Herr Quaschning das gerechnet haben? Wie hoch waren die Treibstoffeinsparungen während der Coronazeit durch die mit Schmerzen durchgesetzten Home-Office-Zeiten? Ich konnte dazu leider nur wenig Konkretes finden. Berichtet wurde, dass der Stromverbrauch durch mehr Home-Office steigt.

Nicht zu leicht zu beeinflussen

Was Herr Quaschning zum Beispiel in seinem heutigen Tweet behauptet, halte ich für unglaubwürdig. Mir fällt auf, dass seine Ausführungen zu diesen Fragen (auch in seinen Videos) wenig substantiiert sind. Jedenfalls überzeugen mich die Ansagen zu den Energiefragen längst nicht immer.

Dass wir unbedingt etwas ändern müssen, wissen wir ja alle. Aber die Basisrechnungen sollten schon realistisch sein. Schließlich haben wir sehr viel zu verlieren. Irgendwann könnte es so weit kommen, dass solchen Propheten gar nichts mehr geglaubt wird.

Berechnungen zum Thema Energieeinsparungen gab es während des ersten Coronajahres im Herbst 2020. Greenpeace bewertete optimistisch:

„Die Bundesregierung sollte jetzt damit beginnen, die Pendlerpauschale schrittweise zu streichen und die freiwerdenden Gelder in einen attraktiven öffentlichen Verkehr investieren“, so Stephan. „So profitieren auch schlechter bezahlte Arbeitnehmende, deren Tätigkeiten sich seltener ins Homeoffice verlagern lassen.“ LINK

Homeoffice kann über 5 Millionen Tonnen CO2 sparen | Greenpeace Deutschland Presseportal

Greenpeace kein guter Ratgeber?

Laut Pressemeldung von Greenpeace könnten rund 5,4 Millionen Tonnen CO₂ im Verkehr sinken, wenn 40 % der Arbeitnehmenden dauerhaft an zwei Tagen pro Woche von zu Hause arbeiten würden. Das ifo-Institut hat sich ebenfalls mit dem Thema befasst:

Hier zeigen sich die Vorbehalte, die über die Coronazeit seitens der Wirtschaft (evtl. die ArbeitnehmerInnen) gegen einen größeren Home-Office-Anteil sprechen. Der Report stammt vom Juli 2021. Im Januar 2021 wurde eine Home-Office-Pflicht von Bundestag gesetzlich geregelt. Es gibt dennoch Widerstände, die sowohl von der Arbeitgeber- als auch der Arbeitnehmerseite kommen. Dass die Home-Office-Pflicht im Juli 2021 beendet wurde, ändert an der nicht gerade überragenden Akzeptanz der Maßnahme nichts, selbst während der Pandemie.

Wir sollten uns hüten, uns von der Ukraine in diesen Krieg verwickeln zu lassen. Und wir sollten uns auch davor hüten, den Umweltaktivisten für ihre „Argumente zu viel Spielraum zuzubilligen. Sie verfolgen eigene Interessen. Sie stehen nicht unbedingt im Einklang mit den Interessen der „normalen BürgerInnen“.

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4 Gedanken zu „Opportunismus ist unsympathisch, selbst wenn er der Umwelt dienen soll“

  1. Das klingt für mich richtig.

    Wir ALLE haben nur ein Fitzchen an Durchsicht auf die zugrundeliegenden Fakten.
    1000 Interessenverbände kochen ihr Süppchen in den zentralen Fragen der Jetztzeit.
    KANN da überhaupt etwas gebacken werden?

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  2. Es kann doch jeder sein eigenes Verhalten ändern – nur will scheinbar niemand oder nur wenige. Die Deutschen können wohl ohne Anordnungen von oben nicht selber vernünftige Entscheidungen treffen. Traurig.

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  3. @Gerhard, wie das immer so ist. Es gibt Gruppen, die sich manchmal gegeneinander, manchmal miteinander positionieren und mindestens eine weitere (es ist immer die größte), die sich nicht für die eine oder andere Seite entscheidet bzw. nicht explizit bekennt. Ob das ein spezifisch deutsches Problem ist, vermag ich nicht zu sagen. Manche behaupten das. Was mir nicht gefällt, ist extreme Art und Weise, in der die Positionen vertreten werden und die vermeintlichen Gegner ausgegrenzt und in den asozialen Medien heruntergemacht werden.

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  4. @Ullrich, ich glaube nicht daran, dass das ein spezifisch deutsches Problem ist. Es gibt natürlich manche, die darauf gepolt sind, ihre mühsam erzielten Errungenschaften zu verteidigen. Vlt. nicht nur deshalb, weil sie egoistisch sind oder keinen Blick für das Gemeinwohl hätten, sondern weil dieser soziale Status hart erarbeitet wurde. Sympathisch ist das nicht, menschlich aber verständlich. Ich bin dagegen, dass der Staat (egal, welche Partei gerade in der Regierung ist) sich in alles einmischt. Er ist für uns da, nicht wir für ihn. Verhaltensänderungen sind mit das schwerste, was ein Mensch anstrebt. Darauf kann man nicht setzen. Wohl aber darauf, dass sich mit der Zeit Mehrheiten herausbilden, die angestrebte gesellschaftliche Veränderungen in der Demokratie überhaupt erst legitim umsetzen können. Wie können solche Mehrheiten erzielt werden, wenn die Lage (Energiepreise, Mieten, Wirtschaft, Wettbewerbsfähigkeit, Jobs, Zukunft, Krieg) so unsicher ist?

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