Poli­ti­ker soll­ten sich mehr um die Prio­ri­tä­ten im Land selbst küm­mern, statt das Geld für Pro­jek­te im Aus­land zu verplempern.

Das Eltern­geld soll nicht mehr an Men­schen aus­ge­zahlt wer­den, die ein zu ver­steu­ern­des Jah­res­ein­kom­men von 150.000 Euro haben. Die Ein­kom­mens­gren­ze bei Paa­ren betrug bis­her 300.000 Euro. Bei Allein­er­zie­hen­den soll die Ein­kom­mens­gren­ze von 250.000 auf 200.000 Euro her­un­ter­ge­setzt werden. 

Ob das in sich schlüs­sig und logisch ist, ver­mag ich nicht zu beur­tei­len. Immer­hin wür­den ca. 60.000 Fami­li­en deutsch­land­weit von der Ände­rung betrof­fen sein. 

Der FDP gefällt das nicht. Als Schutz­pa­tron der Bes­ser­ver­die­nen­den hat sie einen Ruf zu ver­tei­di­gen. Sie bricht des­halb den nächs­ten Koali­ti­ons­streit vom Zaun. Ob die Par­tei­füh­rung der FDP glaubt, sie kämen so aus dem Umfra­ge­kel­ler heraus?

Der SPD-Co-Vor­sit­zen­de Lars Kling­beil ver­sucht sich als Schlich­ter, in dem er die teu­re Finanz­lü­cke, die ein Ver­zicht auf Fami­li­en­mi­nis­te­rin Paus (Grü­ne) Vor­schlag, das Eltern­geld für Bes­ser­ver­die­ner bedeu­tet hät­te, durch höhe­re Steu­er­ein­nah­men zu schlie­ßen. Dafür will er das längst höchst­rich­ter­lich als Ver­stoß gegen unse­re grund­ge­setz­lich ver­brief­ten Gleich­heits­grund­sät­ze ver­let­zen­de Ehe­gat­ten­split­ting strei­chen. Der FDP hat­te zur Abschaf­fung des Ehe­gat­ten­split­tings mal eine Mei­nung. Jetzt ist Lind­ner die­ser Vor­schlag zu teu­er. Er redet von einer mas­si­ven Steuererhöhung. 

Kling­beil will das anti­quier­te Sys­tem über­win­den und offen gesagt, habe ich eini­ge Sym­pa­thie für die­se Idee. Und zwar ein­mal ganz abge­se­hen davon, dass die Umset­zung durch die Legis­la­ti­ve krass über­fäl­lig ist. 

Das Ehe­gat­ten­split­ting wur­de unter dem Titel: «Gesetz zur Ände­rung steu­er­li­cher Vor­schrif­ten auf dem Gebiet der Steu­ern vom Ein­kom­men und Ertrag und des Ver­fah­rens­rechts» im Som­mer 1958 ein­ge­führt. 1934 führ­ten die Natio­nal­so­zia­lis­ten die gemein­sa­me Ver­an­la­gung von Ehe­part­nern ein. Ziel war damals, die Frau­en aus dem Arbeits­markt zu drän­gen. Es ist ange­sichts des gegen­wär­ti­gen Arbeits­kräf­te­man­gels poli­tisch etwas kurz gedacht, ein sol­ches Instru­ment nicht ersatz­los zu streichen. 

Ein Trep­pen­witz der FDP-Geschich­te: 1982 ließ die Par­tei die sozi­al­li­be­ra­le Koali­ti­on unter Hel­mut Schmidt auch des­halb schei­tern, weil sie damals für den Weg­fall des Ehe­gat­ten­split­tings votier­te. So viel wie­der ein­mal zu den Grund­sät­zen die­ser Par­tei. 2013 hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt fest­ge­stellt, «dass die Ungleich­be­hand­lung von Ver­hei­ra­te­ten und Lebens­part­nern hin­sicht­lich des Ehe­gat­ten­split­tings nicht mit dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Arti­kels 3 Absatz 1 des Grund­ge­set­zes ver­ein­bar ist. Dar­auf­hin hat der Bun­des­tag mit dem „Gesetz zur Ände­rung des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes in Umset­zung der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­rich­tes vom 7. Mai 2013“ das Ehe­gat­ten­split­ting auch auf Lebens­part­ner­schaf­ten aus­ge­dehnt.» Statt das Ehe­gat­ten­split­ting im Sin­ne des Lan­des kom­plett zu strei­chen, hat man Lebens­part­ner­schaf­ten ins Gesetz aufgenommen. 

Der Jah­res­wech­sel eig­net sich gut, halb aus­ge­go­re­ne poli­ti­sche Ideen ein­fach mal raus­zu­hau­en. Das hat sich auch die FDP gesagt. Sie will das Ehe­gat­ten­split­ting refor­mie­ren und die Steu­er­klas­se V strei­chen, in der beson­ders viel Steu­er anfällt. Eine sol­che Reform sol­le noch vor der Bun­des­tags­wahl im Sep­tem­ber umge­setzt wer­den, alter­na­tiv wer­de die For­de­rung ins Wahl­pro­gramm der FDP auf­ge­nom­men, heißt es bei der FDP.



Der Neu­jahrs-Vor­stoß ist poli­tisch span­nend. Tat­säch­lich ist das Ehe­gat­ten­split­ting ein The­ma mit dem die Vier-Pro­zent-Par­tei die Gemü­ter bewe­gen kann. Pro­bie­ren Sie es selbst: Wol­len Sie eine Par­ty spren­gen, schau­en Sie ein­fach mal unschul­dig und sagen Sie mit lei­ser aber fes­ter Stim­me: «Die­ses Split­ting soll­te man sowie­so abschaffen!»

Quel­le: Wirt­schafts­wo­che 2013

Obwohl an die­sem Gesetz seit Lan­gem sozia­le Unwuch­ten kri­ti­siert wur­den, haben FDP und die Kon­ser­va­ti­ven alles vom Tisch gewischt, weil hohe Steu­er­aus­fäl­le damit ver­bun­den gewe­sen wären. Das blieb auch in all den Jah­ren unter Mer­kel so, obwohl die Steu­er­ein­nah­men Jahr und Jah­re unge­plan­te neue Höchst­stän­de erreich­ten. Obwohl eine wie auch immer gear­te­te Ände­rung des Geset­zes im aktu­el­len Koali­ti­ons­ver­trag ver­ein­bart wur­de, lehnt die FDP den Bei­trag Kling­beils ein­fach ab. Die­se Par­tei wür­de sich ver­mut­lich auch auf kei­ne Ände­rung ein­las­sen, obwohl sie doch angeb­lich vor vie­len Jah­ren die Steu­er­klas­se V abschaf­fen woll­te. Nun ja, was inter­es­siert mich das Gequat­sche mei­ner Vor­gän­ger. Nicht wahr, Herr Lindner? 

An den Ein­las­sun­gen von Uni­on und FDP erkennt man wie­der ein­mal, wie wenig sich bei­de Par­tei­en um das sche­ren, was an prag­ma­ti­schen gesell­schafts­po­li­ti­schen Ver­än­de­run­gen ange­mes­sen und erfor­der­lich wäre. Lind­ners Prio­ri­tät ist, dass die Steu­er­ein­nah­men (durch das Ehe­gat­ten­split­ting) nicht unnö­tig zurück­ge­hen. Dass die fis­ka­li­schen Aus­wir­kun­gen einer ver­hee­ren­den Wirt­schafts­po­li­tik die­ser Regie­rung kaum beein­fluss­bar sind, reicht ihm offen­sicht­lich, um an die­sem über­hol­ten und unso­zia­len Kon­strukt fest­zu­hal­ten. Lind­ner geht augen­schein­lich bereits jetzt der Arsch auf Grundeis.

Frau­en stel­len ein hohes Poten­zi­al für den Arbeits­markt. Das ist ange­sichts des Arbeits­kräf­te­man­gels, der für unse­re Volks­wirt­schaft immer bedroh­li­che­re Aus­ma­ße annimmt, eine wich­ti­ge Größe.

Im Jahr 2001 lag der Frau­en­an­teil bei 44,2 % und ist bis zum Jahr 2021 auf 46,8 % ange­stie­gen. Seit 2013 hat sich der Anstieg aller­dings ver­lang­samt. Die gro­ße Mehr­heit der Frau­en arbei­tet in Teil­zeit. Ledig­lich 35 % der Frau­en arbei­ten in Voll­zeit, im Ver­gleich dazu sind es bei uns Män­nern 70 %. Knapp 20 % der Frau­en sind beruf­lich inak­tiv und suchen auch kei­ne Arbeit. 

Kön­nen wir uns das ange­sichts der Mise­re, dem Arbeits­kräf­te­man­gel, der nur zunächst als Fach­kräf­te­man­gel bezeich­net wur­de, über­haupt noch leisten? 

Das heißt im Klar­text: Für Ehe­paa­re gibt es einen star­ken steu­er­li­chen Anreiz, die Erwerbs­ar­beit nicht auf zwei Per­so­nen gleich­mä­ßig auf­zu­tei­len, son­dern mög­lichst auf einen Kopf zu kon­zen­trie­ren. Durch­schnitt­lich zah­len sol­che Paa­re mit Ehe­gat­ten­split­ting 18 Pro­zent Steu­ern, ohne Split­ting wären es 28 Pro­zent.
[…]
Es klingt wie ein Son­der­kon­junk­tur­pro­gramm, das im Grun­de ganz ein­fach zu errei­chen wäre: Um bis zu 1,5 Pro­zent könn­te das Brut­to­so­zi­al­pro­dukt mit einer recht simp­len Steu­er­re­form stei­gen und rund 500.000 neue Jobs könn­ten ent­ste­hen. Man müss­te dazu nur das Ehe­gat­ten­split­ting abschaf­fen. Dann näm­lich wür­de sich für vie­le Ehe­part­ner das Arbei­ten deut­lich mehr loh­nen als heu­te, vor allem für vie­le Frau­en. Sie wür­den dann von ihren Brut­to­ein­kom­men erheb­lich mehr Net­to übrigbehalten.

Quel­le: Capi­tal

Wir wis­sen, dass immer noch ein Gen­der Gap exis­tiert. Übri­gens einem der höchs­ten in Euro­pa! Es geht vor­an, aber nur lang­sam. Zudem gibt es vie­le allein­ste­hen­de Müt­ter, die nicht wis­sen, wohin mit den Kin­dern. Es gibt zu wenig Kin­der­be­treu­ung und die­se nicht in dem Umfan­ge, dass Berufs­tä­ti­ge ohne gro­ße Nach­tei­le mit die­sem Ange­bot klar­kä­men. Die Ange­bo­te zur Betreu­ung der Kin­der nach der Schu­le sind eben­falls nicht auf einem guten Niveau. 

Vom Ehe­gat­ten­split­ting pro­fi­tie­ren haupt­säch­lich gut ver­die­nen­de Paa­re. Viel­leicht spielt die­ses Kon­strukt gera­de finan­zi­ell eine zu gro­ße Rol­le, und sie ent­schei­den sich, ange­sichts der hohen Steu­er­las­ten bei Steu­er­klas­se V es erst gar nicht zu pro­bie­ren? Wenn der Staat ein gesell­schaft­li­ches Pro­jekt zur Rea­li­sie­rung eines hohen Arbeits­kräf­te­po­ten­ti­als ansto­ßen möch­te, hier hät­te er eine Gelegenheit. 

Dass ihm durch die­se Maß­nah­me hohe Steu­er­ein­nah­men ver­lo­ren gin­gen, ist ein­mal mehr eine Fra­ge der Prio­ri­tä­ten. Bei­be­hal­ten wird das Kon­strukt aus mei­ner Sicht haupt­säch­lich, weil durch die­ses wie­der­um die Men­schen im Land bevor­teilt wer­den, denen es ohne­hin finan­zi­ell gut geht. Inso­fern ist die Hal­tung von Uni­on und FDP wie­der nur als typisch zu charakterisieren. 

Das Ehe­gat­ten­split­ting und die Mög­lich­keit der Mit­ver­si­che­rung führt dazu, dass Erwerbs­ar­beit sich für vie­le Frau­en über­haupt nicht oder nur in Teil­zeit lohnt. Kon­kret bedeu­tet das Ehe­gat­ten­split­ting, bei dem Mann und Frau ihre Steu­er gemein­sam ver­an­la­gen, dass Frau­en mit einem Jah­res­ein­kom­men von weni­ger als 40.000 Euro durch­schnitt­lich dop­pelt so vie­le Steu­ern zah­len wie Män­ner.
[…]
Das größ­te Poten­zi­al auf dem Arbeits­markt Deutsch­lands sind die vie­len Frau­en, die meist gut aus­ge­bil­det sind und mehr arbei­ten möch­ten. Poli­tik, Unter­neh­men und Gesell­schaft soll­ten ihnen drin­gend dabei hel­fen, indem sie die vie­len Hür­den dafür aus dem Weg räumen.

prof. dr. Fratz­scher, DIW in einem Bei­trag für die «ZEIT»

Angeb­lich nimmt unser Staat jähr­lich durch das Ehe­gat­ten­split­ting rund 20 Mrd. Euro an Steu­ern ein. Kei­ne Klei­nig­keit. Wenn man bedenkt, wofür wir ande­rer­seits eben­falls sol­che Mil­li­ar­den­be­trä­ge aus­ge­ben (Jahr für Jahr) kommt jedem sofort der Gedan­ke, dass es wie­der um fal­sche und rich­ti­ge Prio­ri­tä­ten­set­zun­gen geht. Ange­sichts unse­rer gro­ßen Pro­ble­me mit feh­len­den Arbeits­kräf­ten soll­te man mei­nen, die Prio­ri­tä­ten im Hand­um­dre­hen iden­ti­fi­zie­ren zu kön­nen. Das geht aber frei­lich nur ohne FDP und Union. 

Wir brau­chen mehr Frau­en auf dem Arbeits­markt. Übri­gens auch, damit es nach dem Berufs­le­ben nicht ren­ten­tech­nisch noch bit­te­rer ins­be­son­de­re für Allein­er­zie­hen­de aus­sieht, als das nach Lage der Din­ge durch die Fol­gen der Demo­gra­fie ohne­hin schon der Fall sein wird. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Kategorie: Politik

Schlagworte: FDP Grüne Lindner SPD

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4 Gedanken zu „«Neue» Wege der Steuergerechtigkeit: Die Abschaffung des Ehegattensplittings“

  1. Juri Nello 470 11. Juli 2023 um 21:13

    Ich fin­de es gäbe da Wich­ti­ge­res. Ver­mö­gens­s­steu­er, Erb­schafts­steu­er, die Trans­ak­ti­ons­steu­er und über Luxus­steu­er könn­te man auch mal nach­den­ken. Mono­po­le zer­schla­gen wäre ja auch mal was.

  2. Su 68 12. Juli 2023 um 11:37

    FDP blockt lei­der vie­les, u.a Tem­po­li­mit, D ist das ein­zi­ge Land, wo es kei­nes gibt. Mitt­ler­wei­le ist es wohl gut nach­ge­wie­sen, wel­che Vor­tei­le das bringt.
    Die Ampel beharkt sich nur und bekämpft sich gegen­sei­tig, das ist nur bescheu­ert und scha­det allen Regierungsparteien.

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