Eine seltsam bedrückende Stimmung macht sich breit im Land

HS230625

Horst Schulte

6 Minute/n


Merken

0

Es gibt immer wie­der Abschnit­te im Leben, in denen es bes­ser läuft als zu ande­ren Zei­ten. Momen­tan läuft es gar nicht so, dass ich das in die­sen Zyklus ein­bau­en könn­te. Schon wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie blie­ben Gewiss­hei­ten auf der Stre­cke, die wohl durch nichts zurück­zu­ge­win­nen sind. 

Der nun (meteo­ro­lo­gisch gespro­chen, end­lich) ein­set­zen­de Herbst ist als Trös­ter oder Auf­hel­ler kaum geeig­net. Die Far­ben ver­blas­sen außer­dem schnell und die paar ver­blie­be­nen Blät­ter brin­gen die Herbst­stür­me schnell an die Erde.

Die­ser Krieg in der Ukrai­ne beschäf­tigt viel­leicht die Medi­en im Moment nicht so wie das in den ver­gan­ge­nen Mona­ten noch der Fall war. Im Fokus steht zur­zeit das Grau­en in Isra­el, dem Gaza-Strei­fen und dem West­jor­dan­land. Ehr­li­cher­wei­se muss ich zuge­ben, dass mich das Leid (aller) Men­schen die­ser Regio­nen in unse­rer Nach­bar­schaft viel stär­ker belas­tet, als das zu frü­he­ren Zei­ten je der Fall war. Viel­leicht hat das mit mei­nem Alter zu tun oder auch damit, dass ich zum ers­ten Mal spü­re, wie nah Tod und Ver­der­ben mit der mensch­li­chen Exis­tenz ver­bun­den sind. Freun­den und Bekann­ten geht es nicht anders.

Mich beschäf­tigt auch die Fra­ge viel stär­ker, wes­halb Men­schen ihren Hass auf ihr Gast- oder neu­es Hei­mat­land unter Miss­ach­tung der dort gel­ten­den Regeln aus­le­ben. Soge­nann­te Exper­ten, die mit­un­ter selbst einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund haben, ergrei­fen die Chan­ce, uns, der auto­chtho­nen Bevöl­ke­rung unmit­tel­bar und scho­nungs­los zu offen­ba­ren, dass ein Teil der sich ent­la­den­den Wut daher kom­me, dass sie in die­sem Land Dis­kri­mi­nie­rungs­er­fah­run­gen gemacht haben. Wow. Wer hät­te das gedacht? Migran­ten machen Diskriminierungserfahrungen. 

So etwas ist sicher sehr belas­tend und kann mör­de­risch wütend machen. Jeden­falls könn­te es Men­schen dazu brin­gen, Mes­ser­an­grif­fe auf Unschul­di­ge zu star­ten, deut­sche Frau­en zu ver­ge­wal­ti­gen oder über eine klei­ne Amok­fahrt mit einem geklau­ten Lkw will­kür­lich in eine Ansamm­lung mut­maß­lich Schul­di­ger zu rasen? 

Wel­che Gren­ze wür­den die­se Leu­te bei ihren Erklä­rungs­an­sät­zen und Begrün­dun­gen für die von Migran­ten began­ge­nen Ver­ge­hen ziehen? 

Ich ver­ste­he, wie belas­tend es sein muss, wenn man pau­schal ver­däch­tigt und sogleich in einem Atem­zug mit Hamas-Ter­ro­ris­ten genannt wird. Und wie wütend das machen kann. Wenn dann auch noch die Medi­en und Poli­ti­ker davon reden, dass jetzt aber drin­gend Abschie­bun­gen fäl­lig gewor­den sind, bringt das die Stim­mung zum Kochen. Abschie­bun­gen in grö­ße­rem Stil, so wie sie jetzt sogar Kanz­ler Scholz the­ma­ti­siert, wer­den die Pro­ble­me, die mit der Migra­ti­on ent­stan­den sind, nicht ein­mal im Ansatz lösen. 

Die For­de­rung hat etwas sehr Nai­ves, wenn man bedenkt, wie vie­le der Men­schen, die Isra­el und/​oder die Juden has­sen und nun ihre Erzie­hung auf den Stra­ßen ver­mis­sen las­sen, hier gebo­ren sind und schon des­halb nicht ein­fach weg­ge­schickt wer­den kön­nen. Außer­dem soll­te auch dem Dümms­ten ein­leuch­ten, was sol­che Aus­sa­gen für den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt bedeuten. 

Ande­rer­seits habe ich aber Ver­ständ­nis dafür, dass vie­le Mit­bür­ger es nicht ertra­gen, dass Kon­flik­te außer­halb Deutsch­lands hier aus­ge­tra­gen wer­den und dass der tür­ki­sche Prä­si­dent, Erdo­gan, (lei­der nicht zum ers­ten Mal) ein­deu­ti­ge Signa­le in die hie­si­ge Dia­spo­ra schickt. Dass sie hier bei Mil­lio­nen von Deutsch-Tür­ken ver­fan­gen, haben wir in der Ver­gan­gen­heit bereits ler­nen müs­sen. Das hat bedroh­li­che Züge ange­nom­men. Auch, weil kei­ner weiß, wie die rea­len Zah­len­ver­hält­nis­se aus­se­hen. Wer nimmt Par­tei für sei­ne neue Hei­mat Deutsch­land, wer für sei­ne tür­ki­sche Hei­mat bzw. das Land sei­ner Vor­fah­ren. Ich will gar nicht dar­über nach­den­ken, wel­che Rol­le Reli­gi­on dabei spie­len könn­te und wie hoch der Ein­fluss von aus Istan­bul gesteu­er­ten Ima­men auf das Ver­hal­ten der hier leben­den Men­schen mit tür­ki­schem Migra­ti­ons­hin­ter­grund ist. 

In die­sen Tagen habe ich wie­der gehört, dass mehr Bil­dung gegen Anti­se­mi­tis­mus hel­fen wür­de. Gehen wir also davon aus, dass die Men­schen, die an den ein­schlä­gi­gen Demos teil­neh­men, unge­bil­det sind? Das wäre genau­so naiv, wie die Sache mit den Abschiebungen. 

Ein Ahmad Man­sour macht noch kei­nen Som­mer. Wie groß müss­ten die Bemü­hun­gen sein, wie viel Man­power wäre erfor­der­lich, wel­che Geld­mit­tel müs­sen zusätz­lich zu allem ande­ren auf­ge­wen­det wer­den, um das für Radi­ka­li­tät anfäl­li­ge Kli­en­tel zu besänf­ti­gen, genau­er gesagt auf eine ande­re Spur zu brin­gen? Lässt sich das über­haupt leis­ten bei der Anzahl von Men­schen, die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren immer wei­ter ange­wach­sen ist und wohl zig­tau­sen­de Men­schen betref­fen wird? Da bin ich skeptisch. 

Wir haben sogar auf den Fuß­ball­plät­zen, eigent­lich über alle Ligen hin­weg, ein Gewalt­pro­blem. Auch dort fal­len Migran­ten (seit Jah­ren) nega­tiv auf. Ein­fach Fuß­ball­spie­len ist da nicht mehr. Wehe, da fühlt sich einer benach­tei­ligt. Dann geht’s ab. Und natür­lich auch hier wird beklagt, wie schlecht man in die­sem Land behan­delt wird. Natür­lich weiß jeder, wel­che Knöp­fe er drü­cken muss, um der Deut­schen schlech­tes Gewis­sen zu wecken. Die Gefahr, dass die­ser Schuss nach hin­ten los­ge­hen könn­te, erkennt man nicht. Man wähnt sich im Recht. Genau natür­lich, wie die auf der „ande­ren“ Seite. 

In Groß­städ­ten ist die Bevöl­ke­rung jün­ger, teil­wei­se männ­li­cher, migran­ti­scher. Ein Migra­ti­ons­be­zug ist bei gewalt­be­ding­ten Abbrü­chen über­durch­schnitt­lich häu­fig zu beob­ach­ten – sowohl auf Täter- als auch auf Opferseite. 

Quel­le

Egal, wie man es dreht und wen­det. Es läuft immer dar­auf hin­aus, dass die Mehr­heits­be­völ­ke­rung beim gerings­ten Anlass Schuld­zu­wei­sun­gen erhebt, die in den sel­tens­ten Fäl­len gegen sich selbst gerich­tet sind. Wenn dann dazu kommt, dass die Medi­en erken­nen, wel­che Quo­ten sie mit ein­sei­ti­gen und dem Zeit­geist ent­spre­chen­den Ein­zel­fäl­len erzie­len kön­nen, machen sie das. Da kommt dann weder eine Form der Poli­ti­cal Cor­rect­ness zum Zuge, noch die Sor­ge dar­um, dass dies den Rech­ten Zucker gibt.

In Deutsch­land wer­den Geset­ze nicht so ange­wen­det, wie es sein müss­te. Da ver­traue ich ein­mal auf die Gewerk­schafts­ver­tre­ter der Poli­zei, die die­se Kri­tik anbrin­gen. Die stän­di­gen Kla­gen über per­so­nel­le Eng­päs­se bei der Poli­zei oder den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den kann indes auch nie­mand mehr hören. So kommt es lei­der aber häu­fig dazu, dass Ver­bre­cher fest­ge­setzt wer­den und am nächs­ten Tag wie­der auf der Stra­ße sind. Das sorgt für zusätz­li­chen Frust bei denen, die sich mit die­sen Auf­ga­ben befas­sen. Anwäl­te haben es ver­mut­lich in sol­chen Zei­ten leicht, ihre Kli­en­tel zufriedenzustellen. 

Betrach­tet man, wel­che Exzes­se wäh­rend der dies­jäh­ri­gen Hal­lo­ween-Fei­ern statt­ge­fun­den haben, wür­de ich als harm­lo­ser Ver­tre­ter mei­ner Gene­ra­ti­on schlicht die Fest­stel­lung tref­fen, dass sich die­ses Land in einer Art von Selbst­auf­lö­sung befindet. 

Mul­ti­kul­ti ist geschei­tert. So viel scheint mir sicher. Das macht mich ver­rückt, weil ich immer so sicher war, dass genau das eben nicht der Fall ist. Mit etwas gutem Wil­len und Geduld wür­de das, so mei­ne Annah­me, schon wer­den. Nix ist. 

Diesen Beitrag teilen:
0CDD5CFF 182F 485A 82C6 412F91E492D0
Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Abschiebungen Deutschland Populismus Respekt Toleranz Zusammenleben

Quelle Featured-Image: Standardbild...

Letztes Update:

Anzahl Wörter im Beitrag: 1122
Aufgerufen gesamt: 21 mal
Aufgerufen letzte 7 Tage: 3 mal
Aufgerufen heute: 1 mal

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


✅ Beitrag gemerkt! Favoriten anzeigen
0
Share to...
Your Mastodon Instance