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Ampelregierung und Migration: Zwischen moralischen Verpflichtungen und realen Zwängen

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Die Abschiebung von 28 afghanischen Straftätern durch die Ampelregierung wird als politisch motivierte Maßnahme kurz vor der Landtagswahl in Thüringen kritisiert, während die Frage nach weiteren Rückführungen und deren gesellschaftlichen Folgen aufgeworfen wird.

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28 afghanische Verbrecher hat die Regierung (verantwortlich: Bundesinnenministerium) nach Kabul ausgeflogen. Ja, es bewegt sich was. Manche feiern die Maßnahmen der Ampel-Regierung als strategische Leistung.

Ich hoffe, die Deutschen werden sie als das interpretieren, was sie sind, nämlich als opportunistische Handlung, wenige Tage vor der Landtagswahl in Thüringen. Warum nur, hat diese Regierung nicht längst abgeschoben? Liegt es an solchen Bedenkenträgern wie Omid Nouripour, der sich nach den Abschiebungen besorgt zeigt: „Dieser Flug darf nicht zu einer Legitimation der Taliban führen.“ Andere argumentieren bei vielen Vorschlägen sofort damit, dass die Rechtslage oder europäische Richtlinien dieses oder jenes nicht erlauben würde. Da kann ich dann nicht anders, als Herrn Merz zuzustimmen, der in seiner Brandrede diese Woche genau das angeprangert und die Frage gestellt hat, wozu Politik denn da sei, wenn nicht, um solche Hemmnisse anzugehen und notfalls Gesetze zu verändern.

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Demokratische Mitte

Dass man mit solchen Ideen schnell in eine Ecke gestellt wird, dürfte der Erfahrung vieler entsprechen. Allerdings sollte man Bedenken, aus welcher Zeit das Individualrecht auf Asyl stammt und welche Intentionen damals Grundlage für die Schaffung dieses hohen Rechtsgutes gewesen sind. Mit anderen Worten: Es gab nicht diesen Andrang an unseren Grenzen, während heute die Menschen in hoher Anzahl das Wort „Asyl“ (soll reichen) aussprechen und damit einen Mechanismus auslösen, der in der Realität leider überhaupt nicht funktioniert. Das ist seit Jahren Realität und sollte zu weiteren Anpassungen führen. Selbstverständlich, auch auf europäischer Ebene. Ich sage das, gerade deshalb, weil die Zahl derjenigen, die tatsächlich Asyl erhalten, in den letzten Jahren „nur“ bei ungefähr der Hälfte der Anträge lag und die Praxis innerhalb der EU schon fragwürdige Züge hat.

Handlungsbereitschaft und Handlungsvermögen (der dysfunktionale Staat)

Vielleicht wäre dieser Mindestbeleg an Handlungsfähigkeit trotz der Umfragewerte für die Ampel-Parteien sogar noch ausgeblieben, hätte Merz (CDU) nicht so vehement interveniert und der SPD seinen vergifteten Vorschlag gar nicht unterbreitet.

Einmal abgesehen von den kurz vor knapp beschlossenen Maßnahmen, die der Union (wie immer) natürlich nicht weit genug gehen, ist das Signal der Handlungsfähigkeit der Ampelregierung nicht mehr dazu geeignet, etwa für einen Stimmungsumschwung zu sorgen. Immerhin könnte es vielleicht für wenige Prozentpunkte reichen, dass alle 3 Ampel-Parteien am Sonntag nicht aus dem thüringischen Landtag gekickt werden. So dürfte am Ende auch das Kalkül des Kanzlers aussehen. Ich schätze, dass die Initiative für die auf die Schnelle durchgeboxten Maßnahmen auf ihn zurückgehen.

Rückführungen in großem Stil?

Ich hoffe, die Abschiebungen gehen in diesen Größenordnungen weiter. Ob weitere Rückführungen möglich sind, liegt – wie ich hörte – an Katar. Direkte Verhandlungen mit den Taliban möchte Außenministerin Baerbock bekanntlich nicht führen. Das sind schließlich böse Menschen, mit denen man nicht verhandeln kann. Der Paradigmenwechsel in der deutschen Diplomatie, ausgehend von den Grünen, bekommt uns wirklich sehr und ich verstehe alle Menschen, denen diese bigotte und eben überhaupt nicht werteorientierte Politik der Grünen verhasst ist.

Sei’s drum. Die Abschiebungen könnten vor allem ein Signal an die Asylbewerber und Migranten sein, die von der Härte des Rechtsstaats nicht wirklich überzeugt sind. Es wäre schön, würde dieses Signal dazu führen, dass die eine oder andere Messerstecherei oder Vergewaltigung deshalb ausbliebe, weil die Täter tatsächlich angemessen bestraft und nicht, wie in einigen der 28 Fälle, zu Bewährungsstrafen verurteilt würden.

Pro-Migration – Deutschland ist ein Einwanderungsland

Das alles ist aber nur eine Seite der Medaille. Leider wird sie von denen nur negativ wahrgenommen, die sich bis zum heutigen Tag schon immer Pro-Migration positioniert haben. Aber sie hat unterhalb dieser allgemeinen Betrachtung für die Gesellschaft negative Begleiterscheinungen.

Wie müssen sich in diesem hysterischen Klima all die Millionen von Menschen fühlen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen, außer, dass sie unwillkommener Weise (nach Ansicht von immer mehr Deutschen) hier einen Neuanfang (ein besseres Leben) begonnen haben bzw. dieses vorhatten? Unwillkommen könnten sie sich fast vom ersten Tag an gefühlt haben, denn die oft beschriebenen Diskriminierungserfahrung ist nicht herbei fabuliert, sondern für viele brutale Wirklichkeit. Eine Willkommenskultur ist nicht vorhanden, auch nicht in unseren europäischen Nachbarländern.

Arbeitskräftemangel – Arbeitsplätze gehen verloren

Ja, wir brauchen dringend Arbeitskräfte aus Drittstaaten. Die Lage am europäischen Arbeitsmarkt lässt andere Schlussfolgerungen nicht zu. Unser Staat schafft es bisher nicht, die Migration in diesem Sinne zu steuern. Das liegt an denen, die gerne allen Menschen in Not helfen, die aber dabei nur leider übersehen, dass andere das ganz anders sehen. Je mehr Menschen nach Deutschland gekommen sind, desto deutlicher hat sich der Widerspruch gezeigt.

Werteorientierung und moralische Verpflichtungen

Dass die deutsche Politik nicht reagiert hat, ist eigentlich nicht sehr überraschend, glaube ich. Ein Land mit unserer Geschichte (die es so kein zweites Mal gibt) hat moralische Verpflichtungen. Da bin ich einverstanden. Aber es gibt ungünstigerweise auch reale Zwänge, auf die Politik eingehen muss. Das ist jahrelang unterblieben. Die Folgen sehen wir bei den bevorstehenden Wahlen in Ostdeutschland. Dass neben der Migration auch andere Dinge eine mehr oder weniger bedeutende Rolle spielen, ändert nichts daran, dass unser Parteiestablishment zu lange darauf vertraut hat, dass es allein mit dem bisher gut gefüllten Staatssäckel den deutschen Michel bei Laune halten könnte. Diese Zeiten könnten vorüber sein.


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Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

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