Kein Umdenken trotz Wahldebakel
Ich habe nichts gegen Lars Klingbeil und auch nichts gegen Saskia Esken. Ob Klingbeil, wie die âZeitâ behauptet, der Architekt des Misserfolges war, vermag ich nicht zu beurteilen! Aber wie kann es sein, dass diese beiden Parteispitzen so weiterzumachen scheinen, wie vor dem desaströsen Abschneiden der SPD bei den Bundestagswahlen? Die Misere hat historische Dimensionen.
Bei Klingbeil ist dieses Weitermachen schon konkret. Er wurde bereits von der neuen (dezimierten) Fraktion zum Chef gewÀhlt.
Wo bleiben die neuen Köpfe?
Unter den zahlreichen Einlassungen in Talks nach den Wahlen sagte jemand, dass er nicht verstehen könne, dass teilweise das gleiche Personal, das fĂŒr das Ampel-Desaster mitverantwortlich zeichnete, einfach weitermache. Das Land brĂ€uchte in der Politik doch neue Gesichter. Solche, die nicht mit einem derartig riesigen Malus belastet seien. Zudem wĂŒnschte man sich, finde ich, dass ein paar neue ĂŒberzeugende, charismatische Köpfe ans Licht der Ăffentlichkeit treten sollten. Lange genug versteckt haben die sich schlieĂlich. Dabei bin ich ĂŒberzeugt davon, dass es sie gibt. Also, Leute: Wo habt ihr euch versteckt? Wollt ihr wirklich weiter als HinterbĂ€nkler diesem Treiben zuschauen und euch und uns nicht wenigstens eine Chance geben?
Ein fatales Signal an die WĂ€hler
Stattdessen mĂŒssen wir, das Publikum, das dem Treiben weiter atemlos zusehen dĂŒrfte, ertragen, was sich da wenig hoffnungsvolles vor unseren Augen ereignet. Die SPD ĂŒberlegt sogar, ob sie ĂŒberhaupt in eine neue KleinKo eintreten mag. Will die altehrwĂŒrdige Partei also lieber ihre Wunden lecken als sich als Mehrheitsbeschaffer fĂŒr die Union zur VerfĂŒgung zu stellen?
Und wÀhrend wir uns das Schauspiel anschauen, bleibt eine zentrale Frage unbeantwortet: Wo ist die Erneuerung, die die SPD doch so dringend nötig hat? Die Parteispitze scheint die historische Niederlage entweder nicht ernst genug zu nehmen oder schlicht keinen Plan zu haben, wie es weitergehen soll. Dass Lars Klingbeil einfach weitermacht, als wÀre nichts geschehen, ist ein fatales Signal an die WÀhlerinnen und WÀhler, die der SPD so schmerzhaft das Vertrauen entzogen haben. Wie soll da neues Vertrauen wachsen?
Stillstand statt Aufbruch
Es ist bezeichnend, dass gerade jetzt keine frischen, mutigen Stimmen aus der zweiten Reihe nach vorne treten. Es muss doch in der SPD Menschen geben, die neue Ideen haben, die wissen, wie man wieder fĂŒr sozialdemokratische Werte eintritt, ohne in endlosen Kompromissen mit Koalitionspartnern die eigene IdentitĂ€t zu verwĂ€ssern. Wo sind die Köpfe, die den Menschen Hoffnung machen können, anstatt das politische Elend der letzten Jahre nur zu verwalten? Die SPD braucht dringend eine Vision, eine Richtung â und vor allem Leute, die diese glaubhaft vertreten.
Die Zukunft der Sozialdemokratie steht auf dem Spiel
Aber anstatt diesen Neuanfang aktiv zu gestalten, diskutiert man lieber darĂŒber, ob man sich fĂŒr eine neue Regierungskonstellation hergeben soll. Es wirkt, als sei die Partei der eigenen Rolle ĂŒberdrĂŒssig â als hĂ€tte sie selbst nicht mehr den Anspruch, mitzugestalten und Verantwortung zu ĂŒbernehmen. Doch genau das erwarten die BĂŒrgerinnen und BĂŒrger! Sie wollen nicht sehen, wie sich die SPD selbst bemitleidet oder in internen Machtspielchen verheddert. Sie wollen eine Partei, die kĂ€mpft, die eine Alternative aufzeigt und die nicht nur reaktiv auf Krisen und Wahlergebnisse reagiert.
Denn eines ist klar: Wenn die SPD so weitermacht, wird sie weiter an Bedeutung verlieren. Und das ist nicht nur fĂŒr die Partei selbst ein Problem, sondern fĂŒr das gesamte politische System in Deutschland. Eine schwache SPD bedeutet eine geschwĂ€chte Sozialdemokratie, und das wiederum öffnet TĂŒr und Tor fĂŒr KrĂ€fte, die mit einfachen, radikalen Antworten punkten wollen. Es liegt also an den Verantwortlichen in der SPD, ob sie den Mut aufbringen, neue Wege zu beschreiten â oder ob sie die Partei weiter in die politische Bedeutungslosigkeit manövrieren.
Die WĂ€hlerinnen und WĂ€hler haben gesprochen. Jetzt wĂ€re es an der Zeit, dass die SPD endlich zuhört â und handelt. Hatte ich gesagt, dass ich die SPD gewĂ€hlt habe?
Selbst mein Vater (der seit sechs Jahren nicht mehr lebt) hatte seit Schöder in den letzten Jahren nicht mehr die SPD gewĂ€hlt, seine Stimmen bei Wahlen haben die GrĂŒnen bekommen (meine Mutter dito).
Und mein Vater war der typischste klassische SPD-WÀhler, den ich persönlich gekannt habe!
Mich hat diese Partei ja schon lange verloren, und zwar definitiv endgĂŒltig.
Jetzt sind sie bei 16 Prozent und machen einfach so weiter, als hĂ€tten sie die Wahl gewonnen. Das ist die KontinuitĂ€t der Loser… Hauptsache, die eigenen PfrĂŒnde sind gesichert und man darf weiterhin an der Macht lutschen.
Es scheint tatsĂ€chlich so weiterzugehen wie bisher. Mich enttĂ€uscht das auch deshalb, weil ich zwar angenommen hatte, dass die SPD kein Erneuerungspotenzial aufweist, ich es jedoch nicht fĂŒr möglich gehalten habe, dass ihre FĂŒhrung nun so gar keine Akzente setzt. Sie ziert sich jetzt ein bisschen (kennen wir ja lĂ€ngst) und macht dann spĂ€ter dennoch den Wegbereiter fĂŒr die Konservativen. Hoffentlich Ă€ndert sich an dieser Haltung noch etwas. Unter den aktuellen Bedingungen könnte es sonst passieren, dass auch diese Regierung scheitert und dann…
„Es wirkt, als sei die Partei der eigenen Rolle ĂŒberdrĂŒssig â als hĂ€tte sie selbst nicht mehr den Anspruch, mitzugestalten und Verantwortung zu ĂŒbernehmen.“
Wirklich? Oder eher im Gegenteil: Wenn die SPD gleich und sofort in die Suche nach „neuen Köpfen“ eingestiegen wĂ€re, wer hĂ€tte dann die „schnell“ anberaumten Verhandlungen mit der CDU kundig geleitet?
DIE ZEIT: „Bei der heutigen Fraktionswahl ging es also nicht zuletzt um Prokura fĂŒr die Sondierungen und spĂ€teren Koalitionsverhandlungen.“
Die „Aufarbeitung“ ist ja nicht vom Tisch, sagt auch Klingbeil:
âEs wird eine Fehleranalyse geben und daraus werden Konsequenzen abgeleitetâ, so Klingbeil. NatĂŒrlich mĂŒsse es VerĂ€nderungen geben. âDafĂŒr stehe ich auch als Person. ….. Sowohl er als auch Co-Chefin Saskia Esken wollen erst mal im Amt bleiben. Ihre Amtszeit endet offiziell im Dezember, parteiintern wird diskutiert, ob der fĂŒr das Jahresende angesetzte Parteitag vorgezogen wird. Dass beide als Parteivorsitzende wiedergewĂ€hlt werden, gilt als ausgeschlossen. (TAZ)
Ich bin ja wirklich nicht als SPD-Fan bekannt, aber das momentane Vorgehen erscheint mir durchaus PRAGMATISCH und nachvollziehbar.
Alles in allem wird vermutlich dennoch ein Desaster: Entweder die CDU oder die SPD oder noch wahrscheinlicher beide werden im Versuch, sich zu einigen, fĂŒrchterlich zerrissen. Vielleicht gibts ja auch noch den groĂen Knall und eine CDU-Minderheitsregierung – die könnte (theoretisch) von SPD und Teilen der GrĂŒnen geduldet werden, so dass Merz weiter sagen kann: Mit der AFD verhandle ich nicht…
Klingbeil hat zunĂ€chst einmal Merz ein Ultimatum gestellt. https://bit.ly/4bp2Tnh Kann man natĂŒrlich machen. Aber ich könnte gern auf die Dicke Hose, die ĂŒblicherweise in solchen Lagen oft eine Rolle spielen, gut und gern verzichten. Dabei finde ich das Anliegen durchaus richtig.
Mir schwant, dass die SPD in den Niederungen der Koalition verloren gehen könnte. Andererseits ist diese Konstellation die einzige Chance, den Rechtsextremen noch etwas entgegenzusetzen. Wenn das nicht klappt, ist endgĂŒltig Ebbe. Wir sehen, wie es bisher gelaufen ist und vertrauensvoll schaue ich bei alldem nicht gerade auf das, was die SPD gerade bietet.
Die SPD hat mit der wahrscheinlichen Koalition mit der CDU einen historische Chance zu ihren Wurzeln zurĂŒckzukehren. Als Partei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Dinge anzupacken, die diese beschĂ€ftigen. Das Rententhema z.B. wĂŒrde ich mir als Sozialdemokrat als erstes greifen, bevor es Merz zu Ungunsten der BeschĂ€ftigten macht.
Das SPD kann und sollte sich als Stachel im Fleisch der CDU positionieren, ich befĂŒrchte nĂ€mlich, dass es mit Merz zu massiven Verschlechterungen fĂŒr die abhĂ€ngig BeschĂ€ftigten kommen wird.
Das wĂŒnschte ich mir. Aber ob die Partei wirklich noch einmal anknĂŒpfen kann an die Dinge, fĂŒr die sie so lange gestanden hat? Ich zweifle noch. Hoffentlich werden die Koalitionsverhandlungen erfolgreich sein. Du hast nĂ€mlich recht und deshalb (vor allem) habe ich auch (wieder) die SPD gewĂ€hlt. Es geht um alles fĂŒr die abhĂ€ngig BeschĂ€ftigten. Die Schwatten bomben uns zurĂŒck in die Steinzeit des Kapitalismus.
Den Optimismus teile ich nicht.
Wie kulierte jedoch schon ‚ Hildebrandt arti? „Die SPD hat noch zuverlĂ€ssig in jede Hose geschissen, die man ihr hinhielt!“(1988).
Wir können uns ganz sicher sein, das Pistorius die neue Friedensbewegung anfĂŒhren wird
Hoffentlich erschieĂt er dabei niemand durch die KellertĂŒr.
Die CDU wird sicher das Besteck auspacken, was SPD und GrĂŒne haben liegen lassen. Agenda Schlagmichtot.
Schon allein, um MissverstÀndnissen vorzubeugen.
Der einzige Trist ist, dass der alte Filz auch trotz neuer Parteien bestehen bleibt, weil er lukrativ fĂŒr das eigene Portemonnaie ist.
Auch dĂŒrften die VerbratervertrĂ€ge vin McK, Deloitte, KPMG, Blackrock, etc., sehr von Nachhaltigkeit geprĂ€gt sein und sich entsprechend auswirken. Da Ă€ndert sicher auch keine AfD etwas daran. đ
Den Kapitalismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.
Nicht mak ein Kalifat nach arabischen Vorbild.
Wenn es so ist (ich sehe es nicht ganz so dĂŒster), werden wir die Alternative auf die Ohren bekommen. Das ist so sicher wie die Tatsache, dass du, Juri, deine schwarzseherische Einstellung nicht verlierst. đ
@Juri Nello: Beim Pistorius war ich auch erst skeptisch, komme aber zu dem Schluss, dass der einfach nur seinen Job gemacht hat und das vor der desaströsen Zerstrittenheit und vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen Einmarschs Putins in die Ukraine, gar nicht mal so schlecht. Pistorius ist m.E. ein loyaler Parteisoldat, wo er gebraucht wird, da geht er hin und versucht sein Bestes. Er ist keine Leader, das war Scholz zwar auch nicht, aber Pistorius weiĂ sich richtig einzuschĂ€tzen. Ich traue ihm im ĂŒbrigen auch das AuĂenministerium zu, ich denke dass da nach Frau Baerbock einiges aufzuarbeiten ist.