Die Macht des Gefühls: Wenn Wahrnehmung zur Wahrheit wird

Es ist erstaunlich, wie oft der Begriff Meinungsfreiheit bemüht wird, wenn eigentlich etwas ganz anderes gemeint ist. Die gestrige Ausgabe der Talkshow „Markus Lanz“ bot ein erhellendes Schauspiel: auf der Bühne die Neurowissenschaftlerin Maren Urner, der Herausgeber der Welt Ulf Poschardt, der notorisch widerborstige Boris Palmer und natürlich der Gastgeber selbst – mal Stichwortgeber, mal süffisanter Stichler.

Maren Urner sprach mit ruhiger Stimme, aber mit der Klarheit einer, die weiß, wovon sie spricht. Für sie ist der Streit um die Meinungsfreiheit vor allem ein Symptom. Kein Ausdruck tatsächlicher Repression, sondern das Resultat einer Wahrnehmung, die sich durch Wiederholung, mediale Verstärkung und digitale Echokammern zur gefühlten Wahrheit aufschwingt. Der zentrale Satz ihrer Argumentation lautete sinngemäß: „Wenn Menschen sagen, sie hätten das Gefühl, ihre Meinung nicht mehr sagen zu dürfen, dann ist es genau das – ein Gefühl. Und Gefühle entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern durch unser Umfeld, durch das, was wir sehen, lesen, hören – und glauben.“

Diese Unterscheidung zwischen Gefühl und Realität war für Urner kein semantischer Taschenspielertrick, sondern der Schlüssel zur ganzen Debatte. Sie blieb sachlich, erklärte neuronale Muster, erinnerte daran, wie leicht sich Meinungen durch Wiederholung einschleifen – und wie gefährlich das ist, wenn populistische Kräfte daraus politisches Kapital schlagen.

Doch mit dieser Analyse stieß sie auf Widerstand. Ulf Poschardt, der sich selbst als Verteidiger der liberalen Demokratie sieht, zeigte sich schwer beeindruckt – nicht von Urners Argumenten, sondern von den Zahlen einer Umfrage, die nahelegen, dass viele Deutsche sich nicht mehr trauen, frei zu sprechen. Für ihn sind diese Zahlen nicht bloß Gefühl, sondern Alarmzeichen. Dabei ließ er nicht aus, auf ein Meme zu verweisen, das Robert Habeck als „Schwachkopf“ titulierte – und auf den vermeintlich überzogenen Umgang der Behörden damit. Dass das BKA tätig wurde, bevor überhaupt ein Strafantrag gestellt war, interessierte ihn weniger als der Umstand, dass man sich heute für ein Meme vor Gericht verantworten müsse.

Palmer wiederum erzählte – wie so oft – von sich selbst. Von seinem Bruch mit den Grünen, vom Sprachdruck, den er erlebt habe, von der Verachtung, die ihm entgegenschlägt, wenn er bestimmte Begriffe benutzt. Er hielt Urners Argumentation für akademisch – und an seiner Lebensrealität vorbei. Die Menschen auf der Straße, sagte er, sprächen ihn an, dankten ihm für seinen Mut. „Lassen Sie sich nicht unterkriegen“ – das sei der Satz, den er am häufigsten höre. Für ihn der Beweis, dass die gefühlte Einschränkung nicht bloß ein Gefühl sei – sondern gelebte Wirklichkeit.

Man könnte an dieser Stelle fragen: Ist Popularität ein Indikator für Wahrheit? Oder sind es nicht gerade auch Wiedererkennungsmechanismen, die populistischen Narrativen zum Erfolg verhelfen?

Markus Lanz war in dieser Runde mehr als nur Moderator. Seine Spitzen trafen meist subtil, manchmal gezielt unterhalb der Gürtellinie. Er erinnerte daran, dass Angela Merkel in 16 Jahren kein einziges Mal Anzeige wegen Beleidigung gestellt habe – ganz im Gegensatz zu Strack-Zimmermann, Habeck oder Baerbock. „Vielleicht war sie einfach robuster“, sinnierte Lanz, während Palmer und Poschardt dankbar nickten. Doch die feine Ironie blieb spürbar: Wer sich von einem Meme aus der Bahn werfen lässt, dem ist möglicherweise nicht die Meinungsfreiheit entzogen worden – sondern schlicht die Souveränität.

Am stärksten blieb für mich jedoch Urners Gedanke hängen, dass der ständige Alarmruf über den Verlust von Meinungsfreiheit nicht nur irreführend, sondern auch gefährlich sei. Denn er verschiebt den Fokus. Weg von den tatsächlichen Herausforderungen – etwa einem digitalen Raum, in dem Algorithmen Wut belohnen und Differenzierung bestrafen. Und hin zu einem Debattensetting, in dem sich Menschen nicht mehr über Ideen streiten, sondern über Empfindlichkeiten.

Nein, es geht nicht darum, Meinungen zu verbieten. Es geht darum, Verantwortung für Sprache zu übernehmen – besonders, wenn man Millionen erreicht, wie Poschardt. Die Nachfrage Urners, was er mit Begriffen wie Ideologie bezwecke, beantwortete er mit einem Verweis auf Wittgenstein und einem Achselzucken. Das war vielleicht intellektuell gemeint, klang aber eher nach: „Ich sage, was ich will – und wenn’s knallt, dann war’s wohl die Wahrheit.“

Fazit dieser Runde? Die klügsten Gedanken kamen nicht von denen, die von Meinungsfreiheit reden – sondern von derjenigen, die sie analysierte. Maren Urner zeigte: Wer differenziert argumentiert, wird in aufgeheizten Zeiten nicht immer gehört. Aber gerade deshalb brauchen wir solche Stimmen. Nicht nur in Talkshows, sondern überall dort, wo sich Demokratie bewähren muss: im Diskurs, im Alltag, im Zweifel.

Interessant dazu: Marina Weisband

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Der lange Schatten von ARD & ZDF: Einseitigkeit im Staatsauftrag?

Ein Jahr nach einem bemerkenswerten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts scheint sich eine Frage mit wachsender Dringlichkeit zu stellen: Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch das, wofür wir ihn bezahlen – ein Garant für Vielfalt, Fairness und demokratische Aufklärung?

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Genau darum ging es in einem Gespräch zwischen Prof. Dr. Rieck und dem Medienanalysten Roland Schatz, dessen Firma Media Tenor seit über 30 Jahren die Berichterstattung von ARD, ZDF und Deutschlandfunk unter die Lupe nimmt. Und was diese Langzeitbeobachtung zutage fördert, ist mehr als nur ein Rauschen im Blätterwald. Es ist eine tektonische Verschiebung journalistischer Maßstäbe – und eine Ohrfeige für den Anspruch auf Objektivität.

Die Sache mit der Vielfalt

Das erwähnte Urteil stärkte das Recht jedes einzelnen Beitragszahlers zu erfahren, wie das Programm zustande kommt – nicht nur, wofür das Geld ausgegeben wird. Eine beachtliche Wende. Und doch: Die Realität bleibt ernüchternd. Roland Schatz und sein Team zeigen auf, wie sich Berichterstattung seit Jahrzehnten einseitig entwickelt – insbesondere im Bereich der Wirtschaft, Politik und gesellschaftlicher Entwicklungen.

Statt Ausgewogenheit herrscht oft Monokultur: mehr Kündigungen als Neueinstellungen, mehr Pleiten als Gründungen, mehr Konvergenz als Kontroverse. Die Darstellung scheint geprägt von einer selektiven Wahrnehmung, die nicht den Tatsachen, sondern einer redaktionellen Brille folgt.

Dass die Vorwürfe sich mit all dem decken, was wir aus dem rechten politischen Spektrum seit Jahren hören, fällt auf. Ich hoffe, nicht nur mir. Es werden Charts präsentiert, die einen wissenschaftlichen Hintergrund der dargelegten Erkenntnisse belegen sollen. Bei mir befördern diese nun wahrlich nicht neuen Vorhaltungen eher Misstrauen. Weniger gegen ZDF und ARD, sondern gegen die, die sich dem allgemeinen Jammern über die Qualitätsverluste des ÖRR jederzeit bereitwilligst anschließen. Möglicherweise bin ich zu unsensibel für solche Wahrheiten, weil ich mein Wissen doch zum großen Teil aus ÖRR beziehe. Schon doof, werden manche sagen. Glaubt mir, ich bin gegenüber jedweder Nachricht skeptisch und bin bisher damit gut gefahren.

Wirtschaft – das ungeliebte Kind?

Familienunternehmen bzw. ihre Verbandsfunktionäre äußern sich in allen Medien kritisch über den wirtschaftlichen Zustand des Landes. Aber dann höre ich, dass eine Umfrage unter 908 deutschen Familienunternehmern folgendes zutage brachte: Das ZDF gilt als wirtschaftsfeindlichster Sender. 53 % der Befragten gaben das so an – kein kleiner Befund. Die ARD folgte mit 30 %. Private Sender rangierten weit dahinter – aus Sicht der Unternehmer immerhin „neutraler“. Die dazu vorgelegten Charts (s. Video) belegen die merkwürdige schiefe Bilanz, die ich (also permanenter Nutzer der ÖRR) nicht wirklich nachvollziehen kann.

Das Unbehagen zeigt sich in Zahlen: Während in Deutschland in großem Maßstab neue Arbeitsplätze entstehen und Start-ups gegründet werden, vermitteln die öffentlich-rechtlichen Sender das Bild einer Wirtschaft im freien Fall. Negativität als redaktionelles Prinzip? Ein Vorwurf, der schwer wiegt. Und der soll ausweislich solcher Charts vor allem auf Berichte des ÖRR zureffen. Das halte ich für lächerlich. Insbesondere dann, wenn es um KI geht, sind die Nachrichten (auch die aus unabhängigen Quellen) doch von ganz anderer Natur. Als ob die medienübergreifende Fixierung auf negative Nachrichten ein Phänomen wäre, das wir nur vom ÖRR kennen.

Politik in Schieflage

Auch die politische Berichterstattung kommt nicht ungeschoren davon. Positionen von SPD, Grünen und Linkspartei würden laut Analyse deutlich häufiger und positiver dargestellt als ordnungspolitische Konzepte von CDU, FDP oder anderen liberal-konservativen Akteuren. Die Gründe? Man müsse, so Schatz, nur auf die parteipolitische Zusammensetzung vieler Redaktionen schauen.

Es gibt auch Meldungen von ganz anderer Seite, die besagen, dass unsere Wirtschaft nicht gut läuft und uns deshalb einiges Ungemach ins Haus steht. Es sind keineswegs links- oder grün orientierte Medien, die von diesen Zeiten berichten. Von solchen Experten wie Roland Tichy (früher Chef der Wirtschaftswoche) möchte ich gar nicht erst anfangen. Wie passen dessen penetranten Vorhaltungen zur schlechten Lage unserer Wirtschaft zum Vorwurf der Einseitigkeit des linken Spektrums? Völlig verrückt.

Der Vorwurf: Wer als Journalist politisch klar verortet ist, berichtet nicht mehr neutral. Das ist vermutlich nicht falsch. Aber die Empfehlung der Neutralität trifft alle Journalisten gleichermaßen, nicht nur solche im links-grünen Lager.

Wenn Kontrolle durch Rundfunkräte oder Verwaltungsräte versagt – weil diese selbst nicht mit Daten versorgt werden – bleibt das System blind für seine eigenen Verzerrungen, behauptet Herr Schatz.

Ob die Feststellung des Versagens nicht eher auf eine politische Orientierung von Schatz zurückzuführen ist? Ich finde, die Frage ist erlaubt.

Die Pandemie als Lackmustest

Ein besonders aufschlussreiches (und tendenziöses!) Beispiel: die Berichterstattung zur Corona-Pandemie. Laut Media Tenor wurde fast ausschließlich auf eine Expertenstimme gesetzt – Christian Drosten. Alternative Stimmen, wie etwa der Virologe Hendrik Streeck, blieben marginalisiert.

Der Vorwurf: Die Sender agierten wie Pressesprecher – nicht wie Journalisten. Ein Selbstgeständnis von ZDF-Moderator Claus Kleber („Wir waren Pressesprecher, keine Journalisten“). Das hat Kleber so nicht gesagt! Schatz stilisiert den markigen Satz aber als Beweis für seine Haltung zur Bericherstattung. Etwas komplexer scheint mir die Lage damals dann doch gewesen zu sein. Schatz macht die Behauptung zur tragischen Fußnote in der Chronik eines medialen Ausnahmezustands.

Schatz hat das Zitat, das angeblich genau aus der von Turi2 angesprochenen Veranstaltung stammen soll, ein wenig »überspitzt« – sprich griffiger formuliert. So hat Kleber das nach meine Recherchen nicht gesagt.

Such einmal selbst auf der entsprechenden Website der Heraeus-Bildungsstiftung nach diesem Zitat…

Angebliche Zitate (Claus Kleber sagte also etwas andres)
Angebliche Zitate (Claus Kleber sagte also etwas andres)

„Mit dem Zweiten siehst du…?“

Roland Schatz schlägt vor, den berühmten Slogan des ZDF umzudichten. Etwa in: „Mit dem Zweiten landen wir wieder im Tal der Ahnungslosen.“

Ein bitteres Bonmot – aber eines, das in vielen Ohren nicht ohne Resonanz bleibt. Denn Vertrauen, einmal verloren, ist schwer zurückzugewinnen.

Ausblick: Reform oder Resignation?

Was folgt daraus? Die Forderung nach regelmäßiger Rechenschaft der Sender, nach einer neuen Struktur journalistischer Verantwortung und – ja – nach personellen Konsequenzen. Wenn Programmdirektoren und Chefredakteuren keinen Kurswechsel einleiten, müsse man eben anderen das Steuer überlassen. So der Tenor.

Es geht nicht um Demontage, sondern um Wiederherstellung – einer journalistischen Glaubwürdigkeit, die mehr als ein Pflichtprogramm ist. Und um die schlichte Erkenntnis:

Demokratie braucht Medien, denen man vertrauen kann, finde ich. Das gilt allerdings gleichermaßen für die, die uns mit solchen Denkanstößen konfrontieren.

Globale Schieflage: Wie Trumps Wirtschaftsagenda das Weltfinanzsystem erschüttert

Im Tagesspiegel wurde kürzlich darüber berichtet, wie Donald Trumps Wirtschaftspolitik das Vertrauen in den US-Dollar erschüttert – mit potenziell dramatischen Folgen für das globale Finanzsystem. Der Dollar könnte seine Rolle als weltweite Leitwährung verlieren. Das wäre, freundlich formuliert, ein wirtschaftspolitischer Erdrutsch.

Trump scheint allerdings genau das zu wollen: ein schwacher Dollar soll amerikanische Produkte auf dem Weltmarkt billiger machen, die Exporte ankurbeln und das chronische Handelsdefizit der USA verringern. Klingt erst mal logisch – ist aber riskant. Denn der Dollar ist für viele Länder die stabile Währung schlechthin, das Rückgrat des Welthandels. Wenn dieses Rückgrat wankt, zittern die Knie der globalen Märkte.

Und während Investoren unruhig werden, sehen einige in Europa eine goldene Gelegenheit: Vielleicht kann sich der Euro aus dem Schatten des Dollars lösen? Dazu müssten wir allerdings endlich zeigen, dass wir es ernst meinen mit einem stabilen, attraktiven Finanzraum. Und offen gesagt – wenn wir nicht mal in der Lage sind, unseren eigenen Wohnungsmarkt ordentlich zu regulieren, fällt es mir schwer, an eine europäische Währungsrevolution zu glauben.

Was steckt hinter Trumps erratischer Dollar-Strategie?

Die einen sprechen von Größenwahn, die anderen von genialem Poker. Vielleicht ist es beides. Hier ein paar Schlaglichter auf Trumps neuen wirtschaftspolitischen Kurs:

1. Der „Mar-a-Lago Accord“

In Anlehnung ans alte Plaza-Abkommen will Trump mit dem sogenannten „Mar-a-Lago Accord“ das internationale Handels- und Währungssystem umkrempeln. Ziel: den Dollar drücken, Zölle gezielt einsetzen und Handelsabkommen mit sicherheitspolitischen Interessen verknüpfen. Ein harter Kurs – gesteuert von Beratern wie Stephen Miran und Finanzminister Scott Bessent.

2. Nähe zur Wirtschaftselite

Trump sucht die Nähe zu Big Playern der Wirtschaft. Nvidia-CEO Jensen Huang lobte ihn kürzlich für seine Reindustrialisierungs-Agenda. Trumps Ziel ist klar: Die USA sollen wieder führend in Technologie und Produktion werden – koste es, was es wolle.

3. Wirtschaftspolitik als One-Man-Show

Trump versteht sich nicht als Präsident, sondern als CEO der US-Wirtschaft. Er greift direkt ein – ob bei Medikamentenpreisen oder durch öffentliche Kritik an Konzernen wie Apple oder Walmart. Das wirkt entschlossen, aber eben auch autoritär – und manchmal schlicht erratisch.

4. Milliardenschwere Wirtschaftsdeals

Seine Nahostreise war weniger diplomatisch, sondern eher ein Wirtschaftsgipfel: Verträge und Investitionszusagen in Billionenhöhe – darunter 600 Milliarden Dollar aus Saudi-Arabien und 1,2 Billionen Dollar aus Katar.

Was bedeutet das alles für die Weltwirtschaft?

Wenn Trump seinen Plan durchzieht und den Dollar tatsächlich schwächt, hat das Folgen:

  • Vertrauensverlust: Der Dollar gilt als sicherer Hafen. Wird er unsicher, könnten Zentralbanken auf andere Währungen wie Euro, Renminbi oder sogar Gold umschwenken.
  • Kapitalflucht: Wer dem Dollar nicht mehr traut, investiert anderswo – das könnte die Finanzierung der US-Schulden erschweren.
  • Rückgang globaler Investitionen: Unsicherheit ist der Feind von Investitionen. Eine instabile Leitwährung schreckt ab.

Pro & Contra aus Trumps Sicht

Was für ihn spricht:

  • Ein schwacher Dollar kann kurzfristig den Export ankurbeln.
  • Weniger Abhängigkeit von ausländischen Märkten – das spricht seine Wähler an.
  • Die Selbstdarstellung als durchgreifender Wirtschaftsführer wirkt innenpolitisch mobilisierend.

Was dagegen spricht:

  • Ein dauerhafter Reputationsverlust für die USA als verlässlicher Partner.
  • Europa und China könnten mit Gegenmaßnahmen reagieren – etwa durch Zölle oder eigene Währungsmanipulationen.
  • Ein möglicher Währungskrieg, in dem jeder versucht, seine Währung zu schwächen – das wäre ein toxischer Wettlauf nach unten.

Und Europa?

Theoretisch könnte Europa profitieren. Ein stabiler Euro, getragen von kluger Politik, wäre eine echte Alternative zum Dollar. Aber das ist leichter gesagt als getan. Wir müssten die Kapitalmärkte besser integrieren, wirtschaftlich enger zusammenrücken – und, ja, auch politisch stabil bleiben. Doch davon sind wir leider so weit entfernt wie Donald Trump von einem leisen Abgang aus der Geschichte.

Handelsblatt: USA: Worin das wahre Problem für US-Anleihen besteht

Dabei sind die USA schon jetzt mit rekordhohen 36 Billionen Dollar verschuldet. Seit 2010 haben sich die Schulden mehr als verzweieinhalbfacht und liegen bei 126 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese Kennziffern sind schon lange nicht mehr mit einem Dreifach-A-Rating zu vereinbaren.

Quelle: Handelsblatt

Zwischen Brückentagen und Burnout – Wer will denn heute noch arbeiten oder: Der Letzte macht das Licht aus.

Neu ist die Information nicht: In Deutschland gibt es 3 Mio. junge Menschen ohne Berufsabschluss. Was auch immer das im Vergleich zu früher ™ bedeuten mag, mich beunruhigt die Nachricht immer wieder neu, seit ich sie zum ersten Mal hörte. Gestern sprach die Gewerkschaftsvorsitzende der IG Metall, Christiane Brenner, bei Carmen Miosga darüber. Ich hatte das Gefühl, sie würde am liebsten Politik für diese Ungeheuerlichkeit verantwortlich machen und nicht die Betreffenden selbst. So ist das oft in unserem Land!

Heute hat Carsten Linnemann bestimmt wieder viel Freude, wenn er die kritischen Einlassungen größerer Teile unserer Arbeitnehmerschaft am Hals hat. Aber er hatte – selbstredend – damit angefangen. Schließlich stand er für den Unions-Behauptung ein, wir (die Deutschen) müssten mehr arbeiten. Oh, das kommt nicht gut. Und Linnemann weiß das.

Wenn ich als Rentner mich auf solche Diskussionen einlasse, muss ich mit dem Schlimmsten rechnen. Was nehme ich mir heraus, wenn ich zu für mich abstrakten Fragen überhaupt äußere? So in etwa denken viele.

Ich hatte 2014 nach ungefähr 47 Jahren und Motivationsproblemen keinen Bock mehr zu arbeiten und fand für mich einen Ausweg, der nur durch die SPD, besser gesagt, Frau Nahles gangbar war. Ja, die Rente mit 63. Heute, wenn nur das Wort darauf fällt, ist dies eine Provokation. Jedenfalls für die Vielen, die überzeugt davon sind, Alte würden bevorzugt. Na, und das stimmt ja auch. Wer möchte das allerdings schon zugeben?

Mir ist im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen aufgefallen, wie sich die Arbeitsmoral während meiner vielen Arbeitsjahre verändert hat. Jetzt lacht nicht, ich war natürlich immer eine Speerspitze für Arbeitseifer und -moral.

Als Abteilungsleiter hatte ich einen gewissen Überblick. Nicht nur über »meine Leute«, sondern auch durch den naturbedingten Austausch mit anderen Personalverantwortlichen. Deshalb kann ich mir ein Bild machen und erlaube mir, darüber zu sprechen.

Ich beobachtete, wie sich die Anzahl der Jahresurlaube (nicht nur bei mir) vermehrte. Schließlich lagen wir bei drei Auslandsaufenthalten (Flügen) oder zwei und dafür gings einmal ins Sauerland oder die Eifel. Darunter machte man es nicht mehr. Die schamlose Nutzung von Brückentagen nahm derweil auch in Behörden und bei Ärzten immer weiter zu. Hatte man Pech, hatten sich die Leute aus dem üppigen Jahresurlaubskonto eine Woche zurückgestellt, um diese Chance weidlich auszunutzen und sich ein sogenanntes langes Wochenende zu gönnen. Die wenigen Arbeitssamen durften sich mit Mehrbelastung und Frust herumschlagen, während andere der selbstverständlichen Nutzung von MEHR FREI widmeten.

Ich hatte lange Jahre das Privileg, die Inventur unseres Unternehmens nicht zu begleiten und zu überwachen, sondern selbst mitzuzählen. Gott, war das schön. Zwischen den Tagen (also Weihnachten und Silvester) hatte ich nie frei, viele andere allerdings sehr wohl. Und die wurden über die Jahre immer mehr. Entsprechend zäh war der Kampf zwischen denen, die dabei unverzichtbar schienen und denen, die mal locker ein Jahr im Voraus ihren Urlaubsanspruch für diese kritische Zeitspanne anmeldeten. Mir ist immer wieder passiert, dass ich Urlaubsanträge von Leuten abgezeichnet habe, die ich eigentlich (für die Inventur) gut hätte gebrauchen können. Aber sie hatten nun mal Besseres zu tun. Urlaub machen ist halt das Lebenselixier für ganz viele Arbeitnehmer. Ich hingegen war manchmal sogar froh, wenn ich endlich wieder arbeiten durfte. Ja, so war ich. Bis ins letzte Arbeitsjahrzehnt hinein.

Ich habe gemerkt, dass ich als über 60-Jähriger nicht mehr so richtig in der Szene war. Möglicherweise lag es am Altersdurchschnitt im Unternehmen, möglicherweise hatte ich aber auch immer weniger Bock, auf diesem Niveau (wie früher) weiterzumachen. Außer gesundheitlichen Fehlalarmen war die Motivation durch die Führung des Unternehmens maßgeblich für meine zunehmend mangelhafte Einstellung zur Arbeit.

Das hatte ich in vielen Jahrzehnten zuvor NIE gekannt. Nun, immer wieder gab es Zeiten, in denen ich nicht mindestens 10 Stunden gearbeitet hätte. Oft waren es 12 und mehr Stunden täglich. Dann habe ich mir von jüngeren Kollegen anhören müssen, dass ich da wohl etwas falsch machen würde. Sonst wäre ich in 8 Stunden fertig mit meiner Arbeit. Ja, ja. Solche Sprüche habe ich geliebt und selten, aber auch selbst manchmal benutzt – in Mitarbeitergesprächen. Was für ein Scheiß!

Wenn ich höre, wie dringend Rentner auf unserem Arbeitsmarkt benötigt werden und die Rente mit 63 so ein schwerer Fehler gewesen wäre, muss ich mich immer zur Ruhe zwingen. Haben sich die Leute in den Chefetagen unserer Firmen mal Gedanken darüber gemacht, weshalb so viele diese Chance auf vorzeitigen Ausstieg nicht entgehen ließen? Das Signal in unseren Unternehmen geht doch eindeutig und viel zu häufig gegen ältere Mitarbeiter. Natürlich gibt es Ausnahmen.

Ich hätte mir gewünscht, als anerkannter, geschätzter Mitarbeiter aus dem Dienst zu scheiden, wenn man das so sagen kann. Stattdessen weiß ich: Die waren froh, als sie mich los waren. Und so ist es ganz vielen anderen auch ergangen. Auch heute geht mir deshalb das Gequatsche voll auf den Zeiger, wenn nicht nur die Rente mit 63 mies gemacht, sondern auch so getan wird, als würden Mitarbeiter über 60 doch sooo geschätzt. Blödsinn! Die möchten die Alten möglichst preiswert loswerden. Das ist alles.

Trotz dieser Einstellung zu denen, die es immer noch zum größten Teil in der Hand haben (ja, ich meine natürlich die Unternehmer!) weiß ich, dass die Entwicklung im Land eine unheilvolle Richtung genommen hat. Mehr als genug bilden sich ein, sich zum Beispiel mit einem bedingungslosen Grundeinkommen oder ganz ohne Kapitalismus aus der Misere befreien zu können. Bullshit!

Wenn wir auch nur annähernd den gewohnten Lebensstandard halten wollen, muss viel geschehen. Ja, es muss wieder mehr gearbeitet werden. Und es wird nicht klappen, wenn wir bei jedem Problem nach dem Staat rufen. Der hat nämlich bald sehr viel weniger Geld in den 2010er Jahren. Ich glaube, viele haben das nicht verstanden und denken, dass trotz allem irgendwie schon alles weiterlaufen wird.

Ich denke, uns stehen schwere Zeiten bevor. Gerade wegen dieser Denkweisen. Viele wissen oder ahnen das. Dass sie dieses Wissen nicht reflektieren und stattdessen weiter so tun, als könne man die vielen Baustellen und Missgriffe in unserem Land kaschieren und dies bliebe ohne Auswirkung für sie, ist schon eine Meisterleistung in Sachen Selbsttäuschung.

Wir sind ein Haufen verwöhnter Menschen, die, wenn es um Ehrlichkeit und nötige Einsichten in notwendige Veränderungen geht, kneifen oder sogar auf die Barrikaden gehen – verbal zumindest. Keiner will Verantwortung übernehmen (s. Politik) und arbeiten wollen die meisten am liebsten nur noch 4 Tage und das bei vollem Lohnausgleich. Der Letzte macht das Licht aus.

Von Likes zu Lautstärke: Wie soziale Medien immer noch und immer mehr unsere Debatten vergiften

Wo früher diskutiert wurde, wird heute dominiert. Wer laut ist, hat recht – so scheint es. Die Tonalität, in der wir miteinander sprechen, hat sich verändert. Nicht überall, aber oft genug, um ein dumpfes, wachsendes Unbehagen zurückzulassen. Was ist passiert?

Es fehlt nicht an Stimmen wie der von Tom, der gerade in einem lesenswerten Beitrag das Phänomen skizzierte. Auch ich beobachte: Der gegenseitige Respekt ist vielerorts erodiert, Duldsamkeit wird zur Mangelware.

Die neuen Regeln des Diskurses

In Kommentarspalten, auf X (vormals Twitter), Facebook, TikTok, YouTube oder Reddit hat sich ein Klima etabliert, das nicht mehr auf Austausch, sondern auf Übertrumpfung zielt. Ironie ist oft das Mittel der Wahl, Sarkasmus eine Waffengattung. Aggression scheint ein Schutzschild, das inflationär verwendet wird. Die Plattformen befördern genau das: kurze Reizimpulse, schnelle Likes, wenig Kontext. Die Algorithmen belohnen Empörung. Wir wissen das, wir reflektieren es und uns, aber nur manchmal. Wie ist das entstanden?

Doch sind die sozialen Medien allein schuld?

Der Mensch als Verstärker

Die Netzwerke mögen Werkzeuge sein – aber wir bedienen sie. Vielleicht sind sie nur ein Brennglas, das längst vorhandene gesellschaftliche Spannungen sichtbar macht. Die Polarisierung nimmt zu, nicht nur politisch. Wer sich widerspricht, wird nicht mehr als Gesprächspartner betrachtet, auch nicht als Gegner, sondern als Feind.

Manch einer spricht von einer „Kultur des Abschaltens“. Debatten enden nicht mehr mit Nachdenken, sondern mit Abbruch. Ghosting für die Seele.

Was ging uns verloren?

Es gibt Untersuchungen zu dieser Entwicklung. Kluge Leute haben sich intensiv mit dem Phänomen beschäftigt. Vielleicht kennen wir einige der Gründe dafür, dass die Dinge sind, wie sie sind. Aber Einfluss scheint man auf die unerwünschten Nebenwirkungen der erweiterten Kommunikation bzw. der Tatsache, dass wir seit Langem nicht mehr nur Empfänger, sondern auch Sender wurden, nicht zu haben.

Vielleicht fehlt die Geduld. Vielleicht das Vertrauen. Oder vielleicht nur die Ahnung, dass Meinungsverschiedenheit auch ein Geschenk sein kann – eine Einladung, zu wachsen. Natürlich gibt es diese schrecklichen Vorbilder, die wir jenseits des Atlantiks täglich von unseren Medien vorgesetzt bekommen.

Es ist kein Naturgesetz, dass der Ton rauer wird. Aber es scheint ein Zeitzeichen zu sein. Eines, dem wir nicht tatenlos zusehen sollten. Denn wer nicht mehr zuhören kann, hat auch bald auch nichts mehr zu sagen.


Links zum Thema:

  1. bpb kürt engagierte Projekte mit dem Jugenddemokratiepreis 2024 – Demokratie Vielfalt Respekt
  2. Die Hauptrisiken sozialer Medien für die Demokratie
  3. Digitale Nachrichten- und Informationskompetenzen der deutschen Bevölkerung im Test

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