Hallo Frau Friedrich,

ich freue mich, dass wir uns hier über ein anderes Thema unterhalten können.

Sie sprechen Aspekte an, die sich seit langem in der Diskussion befinden. Die Unterstützung, die der Sozialstaat gibt, das hat (zuletzt?) Gerhard Schröder anlässlich seiner Regierungserklärung zur Agenda 2010 erläutert, sollte als Hilfe zur Selbsthilfe sein und ist eigentlich temporär angelegt.

Dass es leider anders läuft, wussten wir schon vor dem Wechsel von Sozialhilfe zu Hartz IV. Es gibt Menschen, die sich im System eingerichtet haben. Aber daraus Rückschlüsse auf die Tauglichkeit des gesamten Systems ziehen zu wollen, halte ich für kritisch. Es gibt die kritische Sicht auf das System und einen Streit zwischen Soziologen, ob der Sozialstaat die richtigen Antworten gibt.

Mir ist keine Alternative für den Sozialstaat geläufig. Der Staat kann Kinder sicher nicht vor den Fehlern oder vor der falschen Einstellung ihrer Eltern beschützen. Eine fortgesetzte Alimentierung bedürftiger Familien ist sicher kritisch zu sehen. Es wäre leicht, ginge es möglichen Konsequenzen „nur“ um die Erwachsenen. Den Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und Kinderreichtum will ich nicht bestreiten. Das vergrößert das Problem.

Vielleicht liege ich falsch. Aber ich glaube, dass wir ohne Sozialstaat auch bald kein demokratischer Rechtsstaat mehr sein würden. In unser deutsches Verständnis staatlicher Verantwortung lassen sich us-amerikanische Vorstellungen von Eigenverantwortung nicht implementieren. Der Ausbau des Sozialstaates ist so sehr zur Selbstverständlichkeit geworden, dass die Rücknahme schlimme gesellschaftliche Konsequenzen hätte.

Wir haben die Karriere der FDP verfolgt und gesehen, welche Zustimmungswerte die Partei auch deshalb zuletzt hatte, weil sie für die Rückführung des Sozialstaates eingetreten ist – jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung.

Insofern ist unser Hang zur sozialen Absicherung und zum Sozialstaat wohl nicht nur auf bestimmte Bevölkerungsschichten zu beziehen. Ich glaube, wir Deutschen sind Sicherheitsfanatiker und der Sozialstaat ist uns deshalb so wichtig (geworden).

Andererseits erkennen wir, dass viele BürgerInnen zeitweise einen kritischen Blick auf Hartz IV-Empfänger werfen.

Nach meiner Einschätzung dauert das jedoch nur, bis der Einzelne aufgrund persönlicher Lebensumstände erkennt wie rasch man selbst in die fatale Lage geraten kann, vom Staat abhängig zu sein. Menschen, die unter dem Hartz – IV – Regime leben, haben ebenfalls Neidkomplexe. Wenn Flüchtlingen aufgrund ihres Status (der Anerkennung auf Asyl) arbeiten gehen könnten, jedoch keinen Job finden, beziehen auch sie Hartz IV. Das sehen manche überaus kritisch. Flüchtlinge haben schließlich noch keinen Euro in unsere Systeme eingezahlt haben. Die Sicht beschränkt sich aber bestimmt nicht nur auf Hartz IV-Empfänger.

Ein Umlagesystem, wie unsere Rentenversicherung, lebt davon, dass die Bevölkerungszahlen und die Demografie stimmen. Ich persönlich halte von unserem staatlichen Rentensystem wesentlich mehr als von privater Vorsorge. Abgesehen davon, muss man sich diese auch leisten können.

Dieser Zusammenhang ist der Grund dafür, dass nicht nur Linke und Grüne, sondern natürlich auch die Konservativen auf stabile Verhältnisse bei der Bevölkerungsentwicklung setzen. Dies steht im Widerspruch zu den in mancher Hinsicht zutreffenden Aussagen des Club of Rome.

Es wäre nicht tragisch, wenn in Deutschland nur 60 Mill. Menschen leben würden. Das hätte jedoch aufgrund der bevorstehenden Überalterung schlimme Konsequenzen. Wer versorgt dann die große Zahl von alten Menschen? Diese gesellschaftliche Aufgabe kann der Staat nicht ignorieren. Schon deshalb soll und muss er eingreifen.

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