Bundeskanzler Friedrich Merz war gestern bei Caren Miosga zu Gast. Ich bin etwas über die öffentliche Präsenz des Kanzlers überrascht. Das waren wir von seinem Vorgänger nicht gewohnt, und ich empfinde dies offen gestanden als positiv.

Er hat zwei Dinge gesagt, die postwendend den Widerspruch des Koalitioinspartners auslöste. Ich verstehe nicht, dass die SPD kurz nach der Klausurtagung des Kabinetts gleich wieder einen neuen Hieb auf die Union ausführt. Als ob es keine anderen Probleme gäbe, die unsere Aufmerksamkeit erfordern würden. Dabei will ich die Verteidigungsfähigkeit des Landes, zu der die Bestückung unserer Bundeswehr natürlich zählt, keinesfalls bestreiten. Wir kommen nicht in die Hufe und erlauben uns trotzdem, solche Diskussionen anzuzetteln. Für mich ist das ziemlich überflüssig. Außerdem ändert das kein Stück an den Notwendigkeiten, mit denen wir konfrontiert sind. Ob die Linken (einschl. der SPD) das nun wahrhaben möchten oder nicht.
Was hatte Merz gestern gesagt, als Miosga nach der personellen Besetzung der Bundeswehr fragte?
„Ich bin dafür, dass wir das machen, was wir im Koalitionsvertrag verabredet haben, nämlich vorläufig freiwillig. Aber ich vermute, es wird bei Freiwilligkeit allein nicht bleiben.“
Was sagte er noch?
Er erklärte, dass es derzeit etwa 350 000 junge Männer pro Jahrgang gebe – man werde aber nicht alle davon mustern und einziehen. Gleichzeitig gebe es etwa gleich viele junge Frauen, aber sie dürften derzeit nicht gemustert und eingezogen werden, weil das Grundgesetz das nicht erlaube.
und weiter:
„Ich bin dafür, dass wir ein allgemeines gesellschaftliches Pflichtjahr in Deutschland etablieren“, sagte Merz weiter – betonte jedoch zugleich, dass dafür eine Änderung des Grundgesetzes nötig sei.
Wahrscheinlich haben einige SPD-Leute den Kanzler als Mensch mit hoher Suggestivkraft kennengelernt. Anders ist die Aufregung von Generalsekretär Klüssendorf und des verteidigungspolitischen Sprechers der SPD, Droßmann, nämlich überhaupt nicht zu erklären.
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf antwortete auf Merz‘ Aussage: „Wir haben uns in der Koalition gemeinsam auf einen klaren Weg verständigt: Der neue Wehrdienst wird freiwillig sein. Punkt. Daran werden sich alle halten – auch Markus Söder“.
Zum Glück bin ich nicht mehr betroffen von dem Hickhack, das da veranstaltet wird. Ich kann verstehen, wenn insbesondere junge Menschen solche widersprüchlichen Meinungen nicht gut finden. Aber die waren es nicht, die voreilig und ohne gefragt zu sein, ihren Sermon zu Merz‘ doch eher unverfänglichen Aussagen geben mussten.
Bin ich mit Merz zu nachsichtig, oder stimmt ihr mir zu, dass unsere Probleme so riesig und zahlreich sind, dass wir sie endlich mit Priorität angehen sollten? Als Merz gestern auf die so dringende Rentenreform angesprochen wurde, versicherte er, dass die Regierung im nächsten Jahr eine Kommission einsetzen werde, die hierzu Vorschläge unterbreiten soll. Vermutlich werden diese Vorschläge nicht vor Mitte der Legislatur vorliegen. Bis sie dann unter Mithilfe der Medienheinis kaputtdiskutiert sind, vergehen noch einmal viele Monate. Jedenfalls würde ich damit rechnen.
Wenn wir so weitermachen und die SPD sich weiter zu jeder Äußerung von Unions-Oberen so unqualifiziert einlässt, kann ich mir gut vorstellen, was demnächst schon in diesem Theater los sein wird, wenn es ums Eingemachte beim Bürgergeld geht. Linnemann (CDU) hat in irgendeinem Interview dieser Tage davon geredet, dass ungefähr in 2 Wochen die Vorschläge auf dem Tisch liegen und die Einsparungen viele Milliarden Euro betragen würden. Dieser Mann hat doch den Schuss nicht gehört. Zuerst waren es 10 Mrd., dann waren es 6, dann 5, die leicht und locker eingespart werden könnten. Was denkt ihr? Ist das noch normal?



Das mit den wieviel Milliarden ist doch Ärmelgeschüttel, die Zahlen purzeln durcheinander.
Die SPD hat Angst, noch mehr Prozente zu verlieren.
Für die CDU wäre das auch nicht ohne Gefahr.
@Gerhard: Beide Parteien verlieren weiter. Die AfD gewinnt. Mehr braucht „man“ nicht zu wissen. Vieles geht aufs Konto der beiden „Volksparteien“. Manches aber auch auf das Konto der Medien. In diesem Land ist es schick, sich über andere auszulassen und dabei nicht zu bemerken, dass flott das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Dass ich mich mit meiner Kritik an diesem Bild beteilige bzw. es nur bestätige, nehme ich in Kauf. Vielleicht haben diese „Entschuldigung“ andere ja auch?
Ich fand Merz bei Miosga auch ganz ok – zur eigenen Verwunderung! 🙂 Und ich finde es auch blöd, wie automatenhaft die SPD auf einzelne Aussagen reagiert. Schließlich hat Merz doch sehr darauf geachtet, die Zusammenarbeit in der Koalition und den Koalitionsvertrag heraus zu stellen – und nicht etwa gesagt: Das muss so, die Sozis sind doof!
Mir geht dieses rein parteipolitisch motivierte Getue echt auf die Nerven! Die sollten sich an den Sachthemen, den Erfordernissen der Lage orientieren, was im Fall des Wehrdienstes doch nicht allzu schwer ist! Da fliegen täglich Drohnen herum, darunter auch richtig große, die keinesfalls von privaten Hobbyisten stammen können – und was Putin verlautbart, der sich schon lang in einem „Krieg mit der Nato“ wähnt, sollte auch zu denken (und zu handeln) geben!
Momentan sind, so hört man oft, die Kapazitäten garnicht vorhanden, um einen ganzen Jahrgang zu mustern und einzuziehen. Also ist der „Aufschlag“ mit dem freiwilligen Wehrdienst durchaus angemessen. Man liest, es brauche 70.000 Soldaten mehr – ok, entweder die kommen freiwillig zusammen oder nicht. Das wird man sehen. (Es gibt etwa 1,225 Millionen Männer in der Gruppe von 18 bis 20 Jahren, sagt Googles KI) Wenn nicht, muss halt die Wehrpflicht wieder eingesetzt werden, ja was denn sonst? Aber es gibt eigentlich keinen Grund, darüber JETZT groß zu streiten, es reicht, die Gesetzeslage so zu halten, dass das möglich wird, wenn es nötig wird. Schon jetzt ist im übrigen die Zahl der Freiwilligen deutlich gestiegen.
Was vergessen wird: Die Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung bleibt doch erhalten – warum macht man also so ein Mega-Streitthema aus der möglicherweise in Zukunft wieder einzusetzenden Wehrpflicht?
@ClaudiaBerlin: Und Springer nimmt alle Aussagen begierig auf und verstärkt den in der Öffentlichkeit ohnehin vorhandenen Eindruck. Nein, die SPD gefällt mir gerade gar nicht. Da kann ich verstehen, dass sich die Partei in dieser Lage befindet. Aber das ist offenbar auch noch steigerungsfähig, wie man an solchen unnötigen Zuspitzungen sieht.
Bezüglich der Drohnen wundere ich mich über die vorliegende Hysterie. Langsam sickert auch für die eher Uninformierten durch, dass es schon lange solche Überflüge gibt und vor allem, dass man gar nicht genau weiß, woher diese Dinger wirklich kommen. Natürlich, es können ja nur die Russen sein. Auch so’n Blödsinn. Ich möchte nicht wissen, wie viele junge Leute (vlt auch ältere) sich einen „Spaß“ daraus machen, solche Meldungen über ihre Aktivitäten göttlich zu finden und sich solche Dinge erlauben. Dass unsere Behörden sich bisher nicht darauf eingestellt haben und wir auch keine Wege finden, technisch vernünftig damit umzugehen (GPS, Kamikaze etc.) zeigt wie schwerfällig und von Juristen übernommen dieses Land ist. Andererseits – wenn ich mir vorstelle, irgendwer erlaubt es sich, das GPS solcher Drohnen zu stören und damit einen Absturz herbeizuführen. Dann wäre aber was los. Vor allem, wenn Trümmer irgendwelche Leute verletzen oder gar töten. Wir Deutsche sind viel zu gut darin, alles immer total perfekt zu machen, dass wir uns kaum von der Stelle bewegen. Dass das inzwischen fast alle Bereiche einschließt, macht alles so deprimierend und aussichtslos. Auch die Ungeduld mit Merz (den ich nicht wirklich leiden kann), geht mir so auf den Zeiger.