Eine Welt ohne „Derrick“ ☠ ist trotzdem lebenswert. Aber!

Scha­de! In ARD und ZDF wer­den zur­zeit zur Freu­de der Zwangs­bei­trags­zah­ler fast nur Wie­der­ho­lun­gen gezeigt. Dar­über sind schein­bar weni­ger Leu­te ver­är­gert als über die Zwangs­bei­trä­ge an sich.

HS230625

Horst Schulte

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In ARD und ZDF wer­den zur­zeit zur Freu­de der Zwangs­bei­trags­zah­ler fast nur Wie­der­ho­lun­gen gezeigt. Vie­le sind ver­är­gert dar­über, aller­dings wohl mehr über die Zwangs­ab­ga­be an sich.

Bei einem der Flag­schif­fe deut­scher Kri­mi-Unter­hal­tung ist end­gül­tig nicht mehr damit zu rech­nen, dass noch Fol­gen auf dem Wie­der­ho­lungs-Knal­ler-Dienst­plan des ZDF erschei­nen wer­den. Die von Esprit über­sät­tig­ten Dia­lo­ge zwi­schen Der­rick, Har­ry und drin­gend Tat­ver­däch­ti­gen wer­den uns feh­len. Das ZDF ließ ver­lau­ten, dass „Der­rick“ end­gül­tig aus dem Pro­gramm genom­men wird.

War­um das?, wer­den vie­le Kri­mi­fans fra­gen. Was könn­te das ZDF davon abhal­ten, frei­wil­lig auf die Aus­strah­lung von Kon­ser­ven die­ser Güte­klas­se zu ver­zich­ten? Nicht nur die deut­schen Fern­seh­zu­schau­er, auch die in ca. 100 Län­dern, in denen die­se erfolg­rei­che Serie vom ZDF ver­mark­tet wur­de, müs­sen wei­ter Ver­zicht üben.

Langeweile der Zuschauer bei Derrick-Krimis

Was könn­te die­sen schmerz­haf­ten Ver­zicht erzwun­gen haben? Lan­ge­wei­le der Zuschau­er wird es nicht sein, denn dar­auf pfeift das ZDF bekannt­lich. Nein, es muss etwas gesell­schaft­lich Rele­van­tes sein.

Hat das Nazi­ge­rücht im Som­mer­loch Auf­trieb erhal­ten? Man hör­te ja schon 2013, dass Horst Tap­pert mit 19 Jah­ren Mit­glied der Waf­fen-SS gewe­sen sei. Even­tu­ell dar­über hin­aus­ge­hen­de Ver­stri­ckun­gen Tap­perts in die Unta­ten des Nazi-Regimes blie­ben unklar. Wis­sen die ZDF-Obe­ren mehr? Die Medi­en berich­ten jeden­falls kei­ne Neu­ig­kei­ten über den Fall.

Bisschen spät: Deutsche Juristen gegen Nazis

Viel­leicht hat die ZDF-Ent­schei­dung ihren Ursprung in dem neu auf­ge­flamm­ten Ehr­geiz eini­ger Tei­le der deut­schen Gesell­schaft, mög­lichst noch leben­den Nazis vor Gericht und auch mit über 90 ins Gefäng­nis zu sper­ren? Die Juris­ten sind mit nach jahr­zehn­te­lan­gem Nichts­tun in die­sen Fäl­len so aktiv, dass ich mich fra­ge, wes­halb die­se Ambi­tio­nen so schreck­lich lang ver­schüt­tet waren.

Verlorene Abzeichen

Mein Vater (*1922) war ein knap­pes Jahr älter als Tap­pert. Er war Ober­ge­frei­ter der Wehr­macht und mit dem Eiser­nen Kreuz ers­ter und zwei­ter Klas­se sowie dem Gol­de­nen Ver­wun­de­ten­ab­zei­chen ver­se­hen. Er war bei Kriegs­be­ginn 17 Jah­re alt, Tap­pert 16. Zum Kriegs­en­de war mein Vater 23 Jah­re alt, Tap­pert also 22. Als er nach 5jähriger Kriegs­ge­fan­gen­schaft 1949 nach Hau­se zurück­kehr­te war mein Vater knapp 27 Jah­re alt. Er war, die Gefan­gen­schaft mit­ge­rech­net, 10 Jah­re im Krieg. Weg von zu Hau­se. In einem Schre­cken, über den er mit mir nur sehr wenig gere­det hat.

Der Dank des Vater­lan­des war den Sol­da­ten gewiss. Die schwe­ren Ver­wun­dun­gen und die Krank­hei­ten, an denen so vie­le nach Krieg und Gefan­gen­schaft gelit­ten haben, wur­den über­wie­gend nicht als Kriegs­fol­gen aner­kannt. Die­se Erfah­run­gen haben die Män­ner der Gene­ra­ti­on, die Pech gehabt hat, zu Mil­lio­nen gemacht. Dar­über wird bis heu­te nicht gespro­chen. Aber auch sie waren Opfer. Nicht alle, aber sehr, sehr vie­le. Sie hat­ten das Pech, für einen Staat gekämpft zu haben, den wir bis heu­te scham­haft als Nazi-Deutsch­land bezeichnen.

Wie gesagt, über die Umstän­de, unter denen mein Vater an der Ost­front und anschlie­ßend in rus­si­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft ver­brach­te, hat mein Vater, der 2010 mit 80 Jah­ren ver­starb, nur wenig gespro­chen. Meis­tens über­haupt nur dann, wenn er bei einem aus­führ­li­chen Früh­schop­pen etwas zu tief ins Glas gese­hen hatte.

Ich weiß von ihm, dass er die Abzei­chen, die er im Krieg erhielt, weg­ge­wor­fen hat und zwar bevor er in rus­si­sche Kriegs­ge­fan­gen­heit kam. Er wäre sonst, so sei­ne Erklä­rung, unter denen gewe­sen, die sofort von den Rus­sen erschos­sen wor­den wären. Es exis­tie­ren nur zwei Fotos mei­nes Vaters in Uni­form, das wäh­rend eines Hei­mat­ur­laubs zusam­men mit zwei Brü­dern gemacht wur­de. Auf die­se Fotos trägt er die Auszeichnungen.

Mein Vater hat­te einen wesent­li­chen Bei­trag an der Ent­wick­lung mei­ner Ein­stel­lung zu Krieg und Vater­land. Des­halb habe ich es nicht so mit Begrif­fen wie Nati­on oder Vater­land, schon gar nicht mit Krieg. Es erfüllt mich mit Angst und Sor­ge, wie leicht­fer­tig Poli­ti­ker mit dem Frie­den umge­hen, den Euro­pa in den letz­ten sie­ben Jahr­zehn­ten genie­ßen durf­te. Es reicht ein Blick in die Geschichts­bü­cher, um zu erken­nen, dass der Frie­den, den wir hier seit so vie­len Jah­ren genie­ßen, kei­nes­wegs so selbst­ver­ständ­lich ist, wie er für vie­le von uns heu­te zu sein scheint.

Wenn Horst Tap­pert, wie berich­tet wur­de, sei­ne Kriegs­aus­zeich­nun­gen ver­schwie­gen oder viel­leicht ver­steckt hat, kann ich dies nach­voll­zie­hen. Die wenigs­ten deut­schen Sol­da­ten hät­ten ihre Kriegs­aus­zeich­nun­gen im Nach­kriegs­deutsch­land her­um­ge­zeigt. Heu­te käme dies einer Selbst­be­zich­ti­gung als Nazi gleich. Das ist nicht in Ordnung!

Waffen – SS nicht immer freiwillig

Alle, die sich ein biss­chen für Geschich­te inter­es­sie­ren, dürf­ten wis­sen, dass die Mit­glied­schaft in der Waf­fen-SS nicht unbe­dingt frei­wil­lig war. Tap­pert war am Kriegs­en­de gera­de 22 Jah­re alt. Sein Andenken auf­grund der Mit­glied­schaft zur Waf­fen-SS so zu behan­deln, fin­de ich per­sön­lich schäbig.

Mir geht der erschre­cken­de Gedan­ke durch den Kopf, dass „die Rech­ten“ mit ihren pau­scha­len Vor­wür­fen gegen Tei­le einer von poli­ti­scher Kor­rekt­heit getrie­be­nen Gesell­schaft am Ende doch nicht ganz falsch lie­gen könnten.

Das ZDF streicht „Der­rick“ aus dem reich bestück­ten und abso­lut ener­vie­ren­den Wie­der­ho­lungs­re­per­toire. Man­che wird das mit Trau­er erfül­len. Ich für mei­nen Teil bin froh, dass die­ser Sen­de­platz nun mit einer zusätz­li­chen Wie­der­ho­lung des Traum­schiffs oder eines Pilcher besetzt wird. Das haben wir uns verdient.

War Spaß.

Update 22.07, 15:00 Uhr: Eben kam die Mel­dung, dass das ZDF die BILD-Mel­dung kor­ri­giert hat:

Das ZDF ist einem Medi­en­be­richt ent­ge­gen­ge­tre­ten, wonach die kul­ti­ge Kri­mi-Serie „Der­rick“ wegen der SS-Ver­gan­gen­heit des Haupt­dar­stel­lers Horst Tap­pert dau­er­haft abge­setzt sei. „Das ZDF plant der­zeit kei­ne Wie­der­ho­lun­gen aus­zu­strah­len“, sag­te ein Spre­cher des Sen­ders zu n‑tv.de. Aller­dings gebe es auch kei­ne Ent­schei­dung über eine künf­ti­ge Aus­strah­lung von „Derrick“-Wiederholungen. Die Ver­ban­nung sei eine „Geschich­te der Bild“, sag­te der Spre­cher wei­ter. „Wir hat­ten schon damals kei­ne „Derrick“-Wiederholungen im Pro­gramm und pla­nen auch im Moment kei­ne“, sag­te der ZDF-Spre­cher wei­ter. Der „Derrick“-Sender ZDF, der zwi­schen 1973 und 1997 mehr als 280 Fol­gen der Kri­mi­rei­he pro­du­zier­te, hat­te kei­ne Wie­der­ho­lun­gen gezeigt, seit im Jahr 2013 bekannt gewor­den war, dass der 2008 ver­stor­be­ne Tap­pert im Zwei­ten Welt­krieg bei der Waf­fen-SS war. Das geht aus einem Doku­ment her­vor, das bei der Deut­schen Dienst­stel­le für die Benach­rich­ti­gung der nächs­ten Ange­hö­ri­gen von Gefal­le­nen der deut­schen Wehr­macht (Wast) gefun­den wor­den war.Quel­le: ZDF wider­spricht „Bild“-Bericht: „Der­rick“ ist doch nicht abge­setzt – n‑tv.de | LINK

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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4 Gedanken zu „Eine Welt ohne „Derrick“ ☠ ist trotzdem lebenswert. Aber!“

  1. Das wird gera­de ziem­lich hoch­ge­spielt. Die Mit­glied­schaft bei der Waf­fen SS heißt ja erst mal noch gar nichts, wie du es ganz rich­tig dar­legst. Viel wich­ti­ger ist es, wie Tap­pert sich spä­ter poli­tisch posi­tio­niert hat. Aber dafür weiß ich zu wenig über ihn. Ich war nie ein Tappert‑, Der­rick oder Webber-Fan.
    LG Sabienes

  2. Mein Gott wie schlimm, jetzt kön­nen wie­der ein Teil der Men­schen sich bekla­gen, dass kei­ne ver­nünf­ti­gen Wie­der­ho­lun­gen im TV lau­fen, als Sie noch „Jung waren“ ^^

    Mich wun­dert bei Wie­der­ho­lun­gen eher der per­sön­li­che Ein­druck, dass nur bestimm­te „Fol­gen“ und „Seri­en“ teils über Jah­re hin­weg wie­der­holt wer­den – z.B. Tat­ort aus Müns­ter, hier hat man doch immer den Ein­druck das immer nur die 5 Fol­gen wie­der­holt wer­den, wo der WDR feder­füh­rend bei der Pro­duk­ti­on war.

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