Mancher scheint überrascht davon, dass der Papst, das Papsttum an sich, in seinen Eigenarten und persönlichen Facetten von der katholischen Kirche inszeniert ist – und selbstverständlich auch für sie, die Kirche.
Das war’s. Ich hatte ein Foto mit Franziskus für meine Eltern – und für mich eine überraschende Erkenntnis: Der unkonventionelle Strahlepapst, den ich vom Bildschirm kannte, war eine perfekte Inszenierung. Im Alltag hatte er es mit einem strengen Apparat und verstaubten Ritualen zu tun.
Denken diese Journalisten, dass eine so mächtige Religionsgemeinschaft mit über einer Milliarde Mitgliedern ohne Inszenierung und abgewogene Worte auskommen könnte?
Sie wissen natürlich, dass insbesondere in einer Zeit, in der mediale Wirkung so unverzichtbar ist, dieser Teil von Professionalität dazu gehört. Und doch – es kratzt am Bild. Gehört das etwa zur Motivation für diese Art von Nachrufen?
Kritik über den Tod hinaus, gern auch unmittelbar nach dem eingetretenen Todesfall, hat mir noch nie gefallen.
Wenn es sich bei dem Gegenstand der Kritik dann noch um einen Menschen handelt, der mir sympathisch war und dessen Worte mich trotz einer insgesamt eher kritischen Einstellung zur katholischen Kirche bewegt haben – umso mehr.
Es gibt Menschen, die über höhere Sachkenntnisse verfügen und die nicht aus zwei Treffen mit dem Papst Rückschlüsse ziehen.
Christiane Florin etwa. Sie hat viel über die katholische Kirche recherchiert und veröffentlicht. Erst am Sonntag war sie zu Gast im ARD-Presseclub. Vermutlich wäre der gleichzeitig anwesende Theologe und Psychotherapeut Dr. Manfred Lütz früher, als er noch viel vehementer die Positionen der Kirche vertrat, mit Florin aneinandergeraten.
Die gegensätzlichen Ansichten wurden auch so deutlich.
Christiane Florin kritisierte Papst Franziskus für seine mangelnde Förderung der Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche. Sie wirft ihm vor, lediglich symbolische Gesten gemacht zu haben, ohne tiefgreifende Reformen umzusetzen. Florin betont, dass Franziskus keine echte Gleichstellung angestrebt oder erreicht habe und seine Politik daher als oberflächlich und unzureichend betrachtet werden müsse.
Dr. Manfred Lütz hingegen verteidigt den verstorbenen Papst und warnt vor radikalen Reformen, die seiner Meinung nach die Gefahr einer Kirchenspaltung mit sich bringen könnten.
Er sieht in Franziskus’ vorsichtiger Herangehensweise einen Versuch, die Einheit der Kirche zu bewahren, und bejaht dessen Bemühungen um die Stärkung der Frauenrechte – wenn auch in begrenztem Umfang.
Mir fiel es schon immer schwer, wenn nach dem Tod einer Persönlichkeit eher kritische als würdigende Nachrufe veröffentlicht werden.
Ich weiß: Das ist heute fast Standard, es gehört mehr denn je dazu, auch über den Tod hinaus die kritischen Seiten einer Persönlichkeit zu beleuchten.
Und doch, ich ringe damit.
Vielleicht, weil ich glaube, dass selbst im kritischsten Moment auch Platz sein sollte für ein einfaches: Danke.
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