Zwischen Reformwille und Realitätsverweigerung: Die Debatte um die Beamtenpensionen

Auch im heu­ti­gen Presseclub wur­de Bas’ Vorschlag rasch als Versuchsballon abge­kan­zelt. Die CDU lehnt ihn rund­weg ab – ohne jeden Ansatz, dar­über über­haupt eine ergeb­nis­of­fe­ne Debatte zu führen.

Dabei wäre genau das jetzt not­wen­dig. Denn hin­ter dem Vorstoß steckt – unab­hän­gig von sei­ner poli­ti­schen Platzierung – ein Gedanke, der einen Nerv trifft: Müsste nicht end­lich damit begon­nen wer­den, die künf­ti­ge Grundlage für ein soli­da­ri­sches Rentensystem zu schaf­fen? Eine, die alle ein­be­zieht – auch jene, die bis­lang durch Ausnahmen und Privilegien geschützt werden?

Christoph Ahlhaus, Vorsitzender des Bundesverbands mit­tel­stän­di­sche Wirtschaft und CDU-​Politiker, hält den Vorschlag von Bas dem Blatt zufol­ge für »popu­lis­ti­schen Unfug«, der kein ein­zi­ges Problem der Rente lang­fris­tig löse. »Selbstständige brau­chen Entlastung, kei­ne Zwangsmitgliedschaft in einer sturm­rei­fen Staatsrente. Wirtschaftswende geht anders. Der Kanzler soll­te das von Anfang an klar­stel­len«, for­dert Ahlhaus.

Quelle

Natürlich, die heu­ti­gen Verpflichtungen, ins­be­son­de­re die Pensionsansprüche von Beamtinnen und Beamten, sind gewal­tig. Zum 1. Januar 2024 bezo­gen rund 1,4 Millionen ehe­ma­li­ge Staatsdiener ein Ruhegehalt – durch­schnitt­lich 3.240 Euro brut­to im Monat. Weitere 380.100 Hinterbliebene erhiel­ten Versorgungsleistungen. Die Gesamtausgaben für Pensionen belie­fen sich im Jahr 2023 auf 54,8 Milliarden Euro, hin­zu kamen 8,6 Milliarden Euro für Hinterbliebenenversorgung – zusam­men rund 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Quelle: desta​tis​.de

Und es geht so wei­ter: Bis 2025 sol­len die Pensionsausgaben auf 81 Milliarden Euro stei­gen – fast 24 % mehr als heu­te. Langfristig könn­te die Marke von 100 Milliarden Euro über­schrit­ten wer­den. Ein gro­ßer Teil davon liegt auf den Schultern der Länder, die rund 70 % aller Beamten beschäftigen.

Wir wis­sen längst, dass die Rückstellungen dafür nicht annä­hernd aus­rei­chen. Die gebil­de­ten Reserven wür­den die jähr­li­chen Versorgungsausgaben bes­ten­falls für ein Jahr decken. Nur fünf Bundesländer sind der­zeit über­haupt in der Lage, die Kosten für ihre Pensionäre zu tra­gen. Alle ande­ren leben von der Hoffnung auf das Morgen – und auf Steuerzahler, die die Zeche wei­ter begleichen.

In die­ser gigan­ti­schen Rechnung sind frei­lich die Freiberufler, die künf­tig eben­falls in eine gemein­sa­me Rentenkasse ein­zah­len sol­len, noch gar nicht ent­hal­ten. Mit ihrer Einbeziehung wür­de also nicht nur mehr Geld in das System flie­ßen – es müss­ten auch immense Summen abge­deckt wer­den, die aus frü­he­ren Versäumnissen resultieren.

Sahra Wagenknecht wird von Medien wie Springer für ihre Haltung zur Rentenfrage der­weil des Populismus gezie­hen. Sie for­dert ein soli­da­ri­sches Rentensystem, in das alle ein­zah­len – auch Beamte, Politiker, Selbstständige. Diese Forderung über­rascht nicht, doch die Vorwürfe wie­gen schwer: popu­lär, aber wis­sen­schaft­lich eher dünn. Dabei hat sie pro­mo­viert – magna cum lau­de in Volkswirtschaftslehre. Man kann also getrost davon aus­ge­hen, dass sie die wirt­schaft­li­chen Implikationen kennt. Quelle u. a.: der​wes​ten​.de

Andererseits wird Bas’ Vorschlag von Verena Bentele, Präsidentin des VdK, aus­drück­lich begrüßt. Sie lob­te deren »muti­gen Start ins Ministeramt« und beton­te, es sei »aus der Zeit gefal­len«, dass sich Beamtinnen, Beamte sowie Politikerinnen und Politiker der soli­da­ri­schen Rentenversicherung entzogen.

Vielleicht ist es tat­säch­lich an der Zeit, dass ein Neuanfang gewagt wird. Man muss nicht war­ten, bis eine Kommission jah­re­lang berät, um klu­ge, zukunfts­ge­wand­te Vorschläge zu machen. Aber es ist erschüt­ternd, wie unter­schied­lich die Öffentlichkeit reagiert – und wie reflex­haft die poli­ti­sche Gegenseite blockiert.

Die CDU lässt erken­nen, dass sie unter Reform immer noch zuerst Einschnitte bei den Schwächeren ver­steht – nie bei den Besitzständen der eige­nen Klientel. Dass auch die Behandlung von Beamtenpensionen zur Disposition ste­hen soll­te, wird schlicht igno­riert. Eine Haltung, die Tradition hat.

Ich hof­fe, dass es so nicht wei­ter­geht. Und ich hof­fe auch, dass die von Friedrich Merz ange­kün­dig­te »Agenda 2030« kom­men­de Woche kein Deckmantel für wei­te­ren Sozialabbau sein wird. Ich erwar­te von die­ser Bundesregierung, dass sie die Kraft fin­det, wirk­lich zu gestal­ten. Und ich neh­me mir selbst vor, mit mei­ner Kritik nicht in den Chor der ewi­gen Empörung einzustimmen.

Denn wir haben doch »alle« gegen die Ampel gewet­tert und soll­ten uns fra­gen, wel­che Motivation dahin­ter­steckt. Politikverdrossenheit mag ange­sichts so man­cher Fehlleistung nach­voll­zieh­bar sein, sie hilft nicht bei dem, was wir eigent­lich drin­gend brau­chen: Optimismus und den Willen, dass es wie­der bes­ser wird.


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2 Gedanken zu „Zwischen Reformwille und Realitätsverweigerung: Die Debatte um die Beamtenpensionen“

  1. Es ist nicht nur, es wäre schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten Zeit gewe­sen für einen Neuanfang in Sachen Rentensystem. Nur hät­te es dazu Parteien bedurft, die einen sol­chen Neuanfang gewagt hät­ten, wie du schreibst.

    Mir ist kei­ne Partei in Deutschland bekannt, die das hät­te tun kön­nen und wol­len, und die jemals Aussicht gehabt hät­te, Teil einer Bundesregierung zu sein.

    Das wird alles wei­ter kaputt­ge­wursch­telt wer­den, denn es inter­es­siert kei­nen (in den Regierungsparteien). Und Kompetenz, eine ech­te, lang­fris­tig funk­tio­nie­ren­de Reform auf den Weg zu brin­gen, ist bei der jet­zi­gen Regierung nicht vorhanden.

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