Ein alter Kämpfer vor dem Rückzug?

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Haseloffs Sehnsucht nach der Freiheit

Es war fast ein poe­ti­sches Bild, das Reiner Haseloff in einem Interview mit dem „Tagesspiegel” zeich­ne­te ($): Der dienst­äl­tes­te Ministerpräsident Deutschlands, 71 Jahre alt, träumt vom sorg­lo­sen Roadtrip mit sei­nem alten MX5-​Cabrio – am liebs­ten ohne Ziel, ohne Verpflichtung, mit der Frau an sei­ner Seite. Wer woll­te ihm das ver­den­ken? Auch ich bin 71. Und ich kann ihn gut ver­ste­hen. Die Sehnsucht nach Ruhe, nach einem Lebensabend jen­seits der poli­ti­schen Stürme – sie ist kei­ne Schwäche, sie ist menschlich.

Doch Haseloff geht. Er tritt zu den Landtagswahlen im kom­men­den Jahr nicht mehr an. 

Dabei steht sein Bundesland, Sachsen-​Anhalt, vor einer poli­ti­schen Zerreißprobe. Sein Rückzug wird eine Lücke hin­ter­las­sen, die weit mehr ist als ein poli­ti­sches Amt. Seit Mai haben sich die Dinge nicht stark ver­än­dert. Die AfD-​Umfrageergebnisse blei­ben auf kon­stant hohem Niveau. Die letz­ten Werte der AfD lagen bei 30 %, die der CDU bei 34 %. Das war im Juni die­ses Jahres.

Ein Bundesland an der Kippe

Sachsen-​Anhalt gilt als das ost­deut­sche Bundesland, in dem sich das Schicksal der demo­kra­ti­schen Parteien beson­ders dra­ma­tisch voll­zieht. Haseloff spricht es offen aus: Bei der letz­ten Bundestagswahl erziel­te die AfD die­sel­be Stimmenzahl wie die CDU – 37,1 Prozent. Die AfD steht in Umfragen gut da. Die poli­ti­sche Mitte, so Haseloff, sei fak­tisch „geschred­dert“.

Ich erin­ne­re mich an Zeiten, als SPD-​Kanzler 40 Prozent hol­ten. Nun ste­hen die Sozialdemokraten hier in Sachsen-​Anhalt bei acht Prozent.

Reiner Haselhoff im Tagesspiegel-​Interview vom Mai 2025


Er benennt Ursachen: Enttäuschung über die Ampel, Versäumnisse der Union, eine gefühl­te poli­ti­sche Entfremdung wei­ter Teile der Bevölkerung. Die Folge: Eine „Volkspartei AfD“, die sich im Osten ver­an­kert, mit fes­ten Strukturen, einem völ­ki­schen Unterton – und einem erschre­cken­den Zulauf. Und doch bleibt Haseloff beson­nen. Kein Schaum vor dem Mund, kei­ne Plattitüden. Er will über­zeu­gen – nicht verbieten.

In Sachsen lag die AfD im Juni bereits weit vor der CDU (35 : 26 %). Der dor­ti­ge Ministerpräsident Kretschmer wur­de zur Hassfigur der Wähler der Rechtsextremen. Man könn­te glau­ben, dass die mode­ra­te Art des Reiner Haseloff im Osten bes­ser ankä­me. Was nützt das? Er fällt aus Altersgründen aus und ich fürch­te, es ist kein Nachfolger in Sicht, der die extre­me Situation wei­ter mit ruhi­ger Hand bewäl­tigt bekäme. 

Das Verbotsdilemma und die Frage der Wehrhaftigkeit

Dass der Verfassungsschutz die Bundes-​AfD nun als „gesi­chert rechts­extrem“ ein­stuft, beein­druckt Haseloff wenig. Doch ein Verbotsverfahren hält er für gefähr­lich. Zu lang­wie­rig. Zu ris­kant. Es könn­te die Partei sogar stärken.

„Wenn wir die Menschen zurück­ge­win­nen“, sagt er, „dann kön­nen wir über alles ande­re reden.“ Es ist ein Appell an die Kraft der Demokratie, der sich nicht auf juris­ti­sche Konstruktionen ver­lässt, son­dern auf poli­ti­sche Überzeugung – ein Ideal, das in die­sen Zeiten fast alt­mo­disch wirkt.

Wirtschaft im Sinkflug: Die sozialen Sprengsätze des Ostens

Haseloff spart nicht mit Kritik an der Wirtschaftspolitik. Die Industrie in Sachsen-​Anhalt sei am Limit, die Energiepreise rui­nös, die Abwanderung von Unternehmen wie Dow Chemical ein Alarmsignal. Die geplan­te Entlastung durch nied­ri­ge­re Strompreise kom­me zu spät. Die ver­pflich­ten­de Gasspeicherbefüllung hält er für überholt.

Was sich hier andeu­tet, ist mehr als eine öko­no­mi­sche Krise. Es ist sozia­ler Sprengstoff. Denn wer öko­no­misch fällt, sucht poli­tisch Halt – und fin­det ihn nicht sel­ten bei denen, die das System abschaf­fen wollen.

Klimaschutz ja – aber bitte mit Bodenhaftung

Haseloff bekennt sich zum Klimaschutz, aber nicht zu jedem Preis. „Klimaschutz darf kein öko­no­mi­scher Selbstmord sein“, sagt er – und trifft damit einen Nerv. Seine Kritik am Green Deal, an ideo­lo­gisch über­la­de­nen Zielen und einer Politik, die die Lebensrealitäten im Osten igno­rie­re, ist kein Populismus. Es ist ein Ruf nach Augenmaß.

Er sieht die Gefahr, dass eine zu ambi­tio­nier­te Umweltpolitik jene ent­frem­det, deren Existenz sie schüt­zen soll. Die Devise: Klimaschutz mit Anreizen, nicht mit Verboten – andern­falls gefähr­de man nicht nur die Wirtschaft, son­dern die Demokratie selbst.

Ein letztes Aufbäumen?

Reiner Haseloff wirk­te schon län­ger etwas müde – aber nicht mut­los. Noch ist er da. Er woll­te „es” nach der Sommerpause klä­ren. Wer, wenn nicht er, soll die Brandmauer zur AfD in Sachsen-​Anhalt noch hal­ten? Sven Schulze (45) ein mög­li­cher Nachfolger gilt als kom­pe­tent aber blass. 

Man kann das posi­tiv sehen, weil Schulze an die­sem Tag jeder popu­lis­ti­schen Versuchung wider­stand und sich als seriö­ser Realpolitiker gab. Allerdings ver­sprüh­te sein Auftritt auch kei­ne Aufbruchstimmung, kei­nen Elan – genau jene Fähigkeiten also, die Wahlkämpfe ent­schei­den. Hinzu kommt: AfD-​Fraktionschef Ulrich Siegmund, der eben­falls Ministerpräsident wer­den möch­te, ist rhe­to­risch gewieft und beherrscht das Spiel mit den sozia­len Medien vir­tu­os. Allein auf TikTok hat er mehr als 560.000 Follower.

Schulze hat dort nicht mal einen Account.

Quelle: Spiegel

Haseloff ist kei­ner, der sich ins Rampenlicht drängt. Kein Lautsprecher. Eher ein Landesvater alter Schule, mit kla­ren Worten, kon­ser­va­ti­vem Kompass, aber ohne ideo­lo­gi­sche Verblendung. Gerade des­halb ist sein mög­li­cher Abschied so bri­sant: Denn was kommt, wenn die Vernunft geht? 

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Horst Schulte, Blogger und politisch interessierter Rentner aus dem Rheinland. Schreibt mit Leidenschaft über Gesellschaft, Medien und Zeitgeschehen – pointiert, kritisch und mit Herz.

1 Gedanke zu „Ein alter Kämpfer vor dem Rückzug?“

  1. Leider ist es so, dass in vie­len Bereichen die Vernunft geht. Haselhof macht in so fern alles rich­tig, dass er noch recht­zei­tig den Absprung schafft. Der Dogmatismus, der viel­fach in der Politik, in den Unternehmen und in der Gesellschaft zu fin­den ist, lässt ihm und ande­ren kaum eine ande­re Wahl. 

    Spätestens wenn der Begriff „Oldschool” fällt, wird es Zeit zu gehen, ansons­ten ist die Chance groß, dass man vom Hof gejagt wird.

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Kategorie: Politik

Schlagworte: AfD ReinerHaseloff SachsenAnhalt

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