Wenn der Streit zum Monolog wird – Die Rolle der NZZ im Meinungsklima

„Streit ist Gemeinschaft, nicht Einsamkeit“, zitiert die NZZ-​Werbung Goethe – und rich­te­te dabei längst sehr bewusst den Graben ein, in dem nur eine Richtung zählt: Rechtskonservativ und National.

Schon Goethe sag­te: «Streit ist Gemeinschaft, nicht Einsamkeit.» Doch wo Diskussionen mora­lisch auf­ge­la­den sind und unbe­que­me Stimmen aus­ge­grenzt wer­den, ver­liert die Auseinandersetzung ihre ver­bin­den­de Kraft – und mit ihr die Chance auf gemein­sa­me Wahrheit.

Die «Neue Zürcher Zeitung» steht für Freude am Diskurs mit offe­nem Visier, in der alle rele­van­ten Positionen Gehör fin­den – für infor­mier­te Meinungsbildung und unge­hin­der­ten Austausch.

Es ist ein hüb­sches Narrativ, das die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) pflegt. Eine Bühne für die Meinungsfreiheit, tole­rant, ein­la­dend – ein Marktplatz für alle Stimmen. Doch wer sie liest, erkennt bald: Die Scheinwerfer leuch­ten nur eine Ecke aus, der Rest bleibt im Schatten.

Diskurs als Feigenblatt

Die NZZ schmückt sich mit der Attitüde der auf­ge­klär­ten Debatte. Aber der Raum für pro­gres­si­ve, lin­ke oder grü­ne Stimmen wird dort immer enger. Unter Chefredakteur Eric Gujer hat sich die Zeitung zu einem Forum ent­wi­ckelt, auf dem deut­sches Personal – vie­le mit frü­he­ren Stationen bei FAZ, Welt oder Cicero – als publi­zis­ti­sche Söldner auf­tre­ten. Sie pola­ri­sie­ren, aber nicht im Sinne ech­ter Pluralität, son­dern stets in Opposition zu einer angeb­li­chen „links­grü­nen Meinungshegemonie“. Dass es neben­her gegen die in der Schweiz nicht unbe­dingt belieb­ten Deutschen geht, dürf­te Gujer von jeher Motivation gewe­sen sein.

Die NZZ zeichnet dein Bild der Verfolgung konservativ-​nationaler Sichtweisen

Eines der Lieblingsmotive der NZZ: In Deutschland herr­sche Gesinnungsterror. Wer kon­ser­va­tiv oder natio­nal argu­men­tiert, wer­de stig­ma­ti­siert oder aus­ge­grenzt. Die Meinungsfreiheit sei bedroht, nicht durch Hass oder Hetze, son­dern durch die Übermacht eines mora­lisch über­grif­fi­gen Mainstreams. Dass in Wirklichkeit ein all­seits beklag­ter, rau­er Ton von rechts außen bis ins bür­ger­li­che Lager hin­ein geschwappt ist, wur­de durch die Meinungsverzerrung à la NZZ möglich.

Beispiele:

  • Autor Alexander Kissler wet­ter­te (bevor er end­lich rechts abbog und nun für Reichelts „NIUS” hetzt), regel­mä­ßig gegen „Klimakult“ und „Genderwahn“, spricht von „ideo­lo­gi­scher Indoktrination“, nie von gesell­schaft­li­chem Fortschritt.
  • In zahl­rei­chen Artikeln wird Robert Habeck zum Sündenbock erklärt, grü­ne Politik pau­schal als „rea­li­täts­fern“ und „bedroh­lich“ gebrandmarkt.
  • Gäste aus dem AfD-​nahen Spektrum oder vom rech­ten Rand der CDU/​CSU fin­den ein­la­den­de Aufnahme, wäh­rend lin­ke oder que­e­re Autorinnen und Autoren sel­ten zu Wort kommen.

Meinungsfreiheit als Bühne – aber nicht für alle

Meinungsfreiheit heißt nicht, dass jede Position auf jeder Bühne glei­cher­ma­ßen Platz fin­det. Doch die NZZ ver­kauft ihre redak­tio­nel­le Selektion als heroi­schen Akt gegen „Cancel Culture“. „Der ande­re Blick” ist ein erfolg­rei­ches Format inner­halb der NZZ, das Gujer vor Jahren als die Gelegenheit für die sich ja ach so aus­ge­grenz­ten rech­ten deut­schen Leser eta­blie­ren konn­te. Wer neo­li­be­ral, natio­nal oder wirt­schafts­li­be­ral argu­men­tiert, wird mit intel­lek­tu­el­lem Applaus belohnt. Progressive Stimmen hin­ge­gen wer­den als „ideo­lo­gisch“ oder „mora­lisch über­la­den“ abge­tan, mit spöt­ti­schem Ton und unter­schwel­li­ger bis offe­ner Geringschätzung.

Die Zeitung rühmt sich der Vielfalt – doch sie selek­tiert sys­te­ma­tisch. Linke Politik erscheint fast aus­schließ­lich als Feindbild, sel­ten als legi­ti­me Option oder Stimme in der Debatte.

Wer darf sprechen, wer bleibt draußen?

Die Reichweite bestimmt, was als legi­tim gilt. Wer als rech­ter Publizist gegen angeb­li­che grü­ne Dogmen anschreibt, erhält offen­bar grö­ße­re Resonanz, mehr Interviews, Gastauftritte und Reichweite. Die NZZ bie­tet gezielt rech­ten und markt­ra­di­ka­len Stimmen eine Bühne, wäh­rend die weni­gen lin­ken Kolumnen meist im Feuilleton ver­si­ckern und in der Meinungsführerschaft kaum Gewicht haben.

Publizisten wie Mark-​Felix Serrao oder frü­her Alexander Kissler bestim­men das Narrativ, wäh­rend kri­ti­sche, sozia­le oder öko­lo­gi­sche Perspektiven als welt­fremd abge­tan wer­den. Die Ausgrenzung erfolgt sub­til – durch Auswahl, durch Tonfall, durch die Entscheidung, wel­che Debatte geführt und wel­che unter­drückt wird.

„Offener Diskurs“ als Theater

Goethes Zitat klingt roman­tisch, doch wenn der Streit nur noch inner­halb bestehen­der Überzeugungslager geführt wird, ver­liert er nicht zuletzt sei­ne ver­bin­den­de Kraft. Demokratie lebt vom Pluralismus, ganz sicher nicht vom Monolog einer poli­ti­schen Richtung. Was die NZZ als Vielfalt ver­kauft, ist oft nur die Variation der­sel­ben Melodie – Dissonanz hin­ge­gen wäre unerwünscht.

Wer eine ech­te Streitkultur will, muss auch bereit sein, den Widerspruch aus­zu­hal­ten und unbe­que­me, lin­ke und grü­ne, eben­so kon­ser­va­ti­ve und rech­te Stimmen zu integrieren. 

Sonst bleibt Streitkultur eine Illusion. Immerhin fin­den Debatten in der NZZ in mode­ra­tem, ange­mes­se­nem Ton statt. Ziemlich anders als auf deut­schen Krawallportalen, die wir dort rechts und links der poli­ti­schen Mitte immer häu­fi­ger am Start haben.

HS230625


Horst Schulte, Blogger und politisch interessierter Rentner aus dem Rheinland. Schreibt mit Leidenschaft über Gesellschaft, Medien und Zeitgeschehen – pointiert, kritisch und mit Herz.

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Kategorie: Medien

Schlagworte: Diskurskultur Medienkritik Meinungsfreiheit

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