Der Mord an Charlie Kirk, dem Gründer von Turning Point USA, hat eine Welle von Debatten ausgelöst, die weit über die USA hinausreichen. In Amerika gilt Kirk für viele als Symbolfigur des konservativen Aufbegehrens gegen eine vermeintlich linke Hegemonie an Universitäten. In Deutschland aber entfaltete sich nach dem Tod des bei uns weitgehend völlig unbekannten Rechtsaktivisten, ein bemerkenswertes, überaus lautes und gegenseitig von Unfairness getragenes Echo, das weniger mit den konkreten Tatumständen zu tun hat als mit der Frage, wie Medien mit dieser polarisierenden Figur umgehen.
Die Ermittlungen zum Mord laufen auf Hochtouren. Der mutmaßliche Täter, Tyler Robinson, ein 22-jähriger Mann aus Utah, wurde anhand von DNA-Spuren, Überwachungsvideos und Zeugenaussagen identifiziert. Seine DNA fand sich auf einem Handtuch, mit dem das Tatgewehr umwickelt war, und auf einem Schraubenzieher, der am mutmaßlichen Tatort lag. In Nachrichten, die er verschickt haben soll, erklärte er, er habe „genug von Kirks Hass“ gehabt, und in einer Notiz deutete er an, Kirk töten zu wollen. Ich fand äußerst abstoßend, wie einer der Offiziellen aus Utah im TV sagte, sicherstellen zu wollen, dass man den mutmaßlichen Täter in Utah hinrichten werde. Das klingt für mich ebenso archaisch und damit typisch amerikanisch!
Auch ist bekannt, dass Robinson das Sturmgewehr, mit dem die Tat ausgeführt wurde, als Geschenk erhalten hatte. Die Staatsanwaltschaft klagt ihn wegen vorsätzlichen Mordes an und beantragt die Todesstrafe. Damit deuten die Untersuchungen auf ein politisches Motiv hin, genauer gesagt auf eine Abneigung gegen Kirks Rhetorik in Fragen von LGBTQ+- und Transgenderrechten. Robinsons Familie berichtete, er habe sich in den vergangenen Jahren zunehmend von ihrem konservativen Umfeld distanziert. Doch trotz dieser Hinweise ist nicht erwiesen, dass er „ein Linker“ im Sinne einer klaren ideologischen oder parteipolitischen Zugehörigkeit war. Bislang gibt es keine Belege für eine organisierte Aktion, vielmehr scheint es sich um eine Mischung aus persönlicher Ablehnung und politischer Überzeugung zu handeln.
Parallel dazu ist in Deutschland eine Diskussion entbrannt, die zeigt, wie leicht Tatsachen und Zuschreibungen ineinanderfließen. Im ZDF behauptete Elmar Theveßen, Kirk habe die Steinigung von Homosexuellen gefordert und den Menschen empfohlen, Angst vor schwarzen Piloten zu haben. Erst später schränkte er ein, dass Kirk sich in seinen Äußerungen auf die Bibel bezogen habe und der Kontext eindeutiger hätte dargestellt werden müssen. Dunja Hayali wiederum kritisierte in einer Sendung, dass in sozialen Netzwerken der Tod von Kirk gefeiert werde. Sie nannte dieses Verhalten beschämend und unvereinbar mit demokratischen Werten, auch wenn Kirks Rhetorik selbst oft als abstoßend empfunden wurde. Für diese Haltung erntete sie einen massiven Shitstorm, der in Drohungen und Beleidigungen gipfelte.
Hajalis Moderation des „Heute Journals“ erinnerte konservative Journalisten an das aus meiner Sicht hauptsächlich zu Agitationszwecken bis heute festgeschriebene Bekenntnis der „klammheimlichen Freude“, das vor Jahrzehnten von einem Göttinger Studenten mit dem Pseudonym „Mescalero“ getätigt wurde. Er hat mit diesen beiden Worten jenes höchst „feinsinnige Bekenntnis“ zu RAF-Morden (Generalbundesanwalt Buback) gegeben haben. Der Begriff steht seither für den penetranten Vorwurf gegen Linke, die bei 3 auf den von rechtskonservativer Seite gepflanzten Bäumen der politischen Korrektheit sind.
Besonders scharf reagierte Ulrich Reitz, der sogenannte Chefreporter des Focus. Er warf Hayali und Theveßen vor, unsachlich zu argumentieren und Kirks Positionen in einer Weise zu überzeichnen, die journalistischen Standards nicht genüge. Seiner Ansicht nach verschwimmen Fakten und Deutungen, wenn Behauptungen ohne sauberen Beleg in die Öffentlichkeit gelangen. Reitz warnte davor, den Tod eines Mannes vorschnell in eine Erzählung einzupassen, die zwar ins Bild passe, aber der Wahrheit nicht gerecht werde. Während viele Rechte diese „Kritik“ als notwendige Korrektur feiern, sehen andere darin eine Verharmlosung von Kirks Rhetorik, die zweifellos aggressiv und polarisierend war.
Es ist diese Mischung aus ungesicherten Fakten, überzogener Empörung und politischem Überschwang, die den Fall Kirk auch hierzulande zu einem Reizthema macht. Der Mord selbst ist ein Verbrechen, das die amerikanische Gesellschaft erschüttert. Doch in der Art und Weise, wie wir in Deutschland darüber sprechen, offenbart sich etwas anderes: die Sehnsucht nach klaren Schuldigen, nach eindeutigen politischen Etiketten, nach einer Geschichte, die sich reibungslos ins eigene Weltbild einfügt. Dass Robinsons politische Zugehörigkeit nicht geklärt ist, dass Kirks eigene Worte oft aus dem Zusammenhang gerissen werden, dass sich Journalisten und Kommentatoren in moralische Überbietungen flüchten – all das zeigt, wie tief die Spaltung reicht. Auch längst hier in Deutschland.
Der Mord an Charlie Kirk ist ein Fanal. Nicht nur, weil er eine polarisierende Figur der amerikanischen Rechten auslöschte, sondern weil er uns in Europa den Spiegel vorhält: Wie viel Dramatik verträgt Wahrheit, wie viel Zuspitzung erlaubt der Journalismus, wie viel Projektion steckt in unseren Reaktionen? Kirks Tod beendet den Kulturkampf nicht. Er verschärft ihn – auf beiden Seiten des Atlantiks.
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