Wie hält man die Bilder des Krieges aus?

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Über Kriege, das Versagen internationaler Institutionen und die lähmende Zuschauerrolle, die wir alle einnehmen – zwischen Empörung und Hilflosigkeit.

Wir leben im 21. Jahrhundert, einem Zeitalter der Versprechen. Nie wieder Krieg, hieß es nach 1945. Nie wieder Massengräber, nie wieder Hunger als Waffe. Doch während wir hier sitzen, sicher in unseren Wohnungen, detonieren Raketen und Bomben über Gaza, sterben Soldaten und Zivilisten in der Ukraine, verhungern Kinder in Gaza und im Jemen. Die Landkarte der Welt ist ein Mosaik aus Brandherden, und die Feuer brennen ohne Unterlass.

Eigentlich gibt es sie, die Hüter des Friedens: die Vereinten Nationen, das Völkerrecht, die großen diplomatischen Foren, zahlreiche NGOs. Doch was sind sie anderes geworden als Bühnen für wohlfeile Reden und hohle Gesten? Jedenfalls zum großen Teil. Je größer die Organisation, desto unfähiger, Wirksamkeit zu enthalten, möchte ich sagen. Die Charta der Vereinten Nationen klingt wie ein Schwur an die Menschheit, doch sie ist längst von den Vetomächten zerfressen, von geopolitischen Spielen erstickt. Institutionen, die uns beschützen sollten, wirken wie Relikte einer Zeit, in der man noch an die Kraft der Vernunft glaubte. So gesehen ist es kein Wunder, dass Multilateralismus wenig Zuspruch erfährt und den ihn kritisierenden Nationalisten und Isolationisten Vorschub leistet.

Und wir? Die Bürgerinnen und Bürger dieser Gesellschaften? Wir schauen zu! Wir scrollen durch Schlagzeilen, wechseln zwischen Empörung und Erschöpfung.

Das Publikum weiß manches oder glaubt es zumindest, aber es ist zur Untätigkeit verdammt. Die Ohnmacht kriecht in unsere Glieder, lähmt unser Denken, frisst unsere Hoffnungen. Wir sind Zeugen, aber keine Akteure. Stumme Begleiter eines grauenhaften Schreckens, des Sterbens unschuldiger Kinder und Alter, gefangen zwischen Mitgefühl und Hilflosigkeit. Wir entwickeln unsere Meinungen, manche verteidigen die schrecklichen Handlungen der Aggressoren mit den vorherigen Gräueltaten der anderen Seite. Als ob ein Unrecht das andere aufwiegen könnte.

Während in den Kellern von Charkiw Menschen ausharren, während Familien in Rafah zwischen Ruinen nach Wasser und Nahrung suchen, während Kinder im Jemen mit hungernden Bäuchen auf eine Rettung warten, die nicht kommt – während all das geschieht, sitzen wir mit einem Gefühl im Herzen, das jeder kennt: die lähmende Mischung aus Wut und Machtlosigkeit. Ich sitze vor dem Fernseher und weiß nicht, wohin mit meinen Gefühlen. Ein Bekannter, mit dem ich darüber sprach, erklärte mir, dass man den Bildern und Berichten nicht trauen dürfe und dass die Palästinenser es verdient hätten, weil sie doch deckungsgleich mit den Hamas–Terroristen seien. Wie soll man auf einer solchen Basis reden?

Wir ahnen: Das Leid dort drüben ist zum Teil auch mit unserem Leben hier verbunden, und doch können wir es nicht lindern. Wir konsumieren Bilder, wir spenden manchmal, wir posten unsere Entrüstung. Aber tief im Inneren wissen wir, dass dies nicht reicht. Und genau dieses Wissen zermürbt uns.

Vielleicht bleibt uns nur das eine: nicht wegsehen, nicht schweigen. Das Leid beim Namen nennen, die Schuldigen entlarven, den Opfern Stimme verleihen. Frieden beginnt nicht in den Palästen der Mächtigen, sondern im Bewusstsein der Vielen. Solange wir die Bilder nicht vergessen, solange wir unsere Ohnmacht in Worte fassen, gibt es zumindest den schwachen, aber unzerstörbaren Widerstand des Erinnerns und – wenigstens bedingt – auch den des Hinsehens und Hinhörens. Es ist ein trauriges Bewusstsein, dass wir – die Menschheit – in der Vergangenheit schon einmal weiter waren als in diesen Tagen.

Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

- alleiniger Autor dieses Blogs -

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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