
Es gibt eine stille Bilanz, die niemand von uns zu sehen wünscht. Ich denke dabei an die Summe der Stunden, die wir in unserem Leben in den Sand rieseln lassen. Manchmal frage ich mich, ob diese Bilanz in meinem Fall nicht so absurd hoch ausfallen würde, dass ich wahlweise entweder in ungläubiges oder hysterisches Gelächter ausbräche oder – schlimmer – an meinem Verstand zweifeln müsste. Doch vielleicht liegt genau darin das Geheimnis: dass das Verschwendete nicht verloren, sondern in einer anderen Währung gespeichert ist.
Vom Dschungel in die Dunkelheit der Kinosäle
Meine persönliche Liebe zur vergeudeten Zeit begann mit Filmen wie Lassy, Fury, Die Kinder von Bullerbü oder Walt Disneys Dschungelbuch – ein Märchen in Farben und Melodien, das mir die Welt erklärte, bevor ich sie überhaupt verstand. Zuvor waren es Karl–May–Filme, die mir den Wilden Westen (eigentlich Kroatien) oder Wüsten und Schluchten eröffneten, während draußen der graue deutsche Alltag pulsierte. Dabei hatte ich meine Lehre noch nicht einmal begonnen.
Es folgten Bruce Lee und Chuck Norris, die den Kampfsport zum Tanz erhoben. Kevin Costner, der Held der epischen Gesten. Sean Connery, der Gentleman, der seine Filme wie guten Whisky trug. Und schließlich Kevin Spacey, dessen Aura die Leinwand füllte, ehe sie im Realen zerbrach. Jeder Film ein Steinchen in meinem Mosaik aus Stunden, die ich nicht zurückhaben möchte.
Die Kunst, nichts zu bereuen
Zeitverschwendung, so sagt man, sei die größte Torheit des Menschen. Ich widerspreche. Wer Filme schaut, wer Bücher liest, wer sich in den Windungen eines Musikstücks verliert, verschwendet nicht, er lebt. Denn diese Stunden zählen nicht auf der Uhr, sondern im Herzen.
Vielleicht ist es nur eine Ausrede, doch ich halte sie für ein Bekenntnis: Wir sind mehr als die Summe produktiver Momente. Nicht die Leistung, nicht der Besitz, nicht die Anzahl der Stunden, die wir „produktiv“ verbringen, definieren uns. Sondern das, was wir mit Freude tun, was wir an Begeisterung, Hingabe, Liebe, Aufmerksamkeit oder auch scheinbar „nutzloser“ Leidenschaft in die Welt hinaustragen.
Ein Plädoyer für die nutzlose Zeit
Man könnte die Frage stellen: Wie viel mehr hätte ich erreichen können, wenn ich weniger Zeit vergeudet hätte? Mehr Geld, mehr Ruhm, mehr „Effizienz“? Vielleicht. Aber welchen Preis hätte das gekostet?
Ich habe mich stattdessen für Umwege entschieden. Für dunkle Säle, Popcorn, Fernsehsessel und den magischen Augenblick, wenn die Logos und Fanfaren der großen Studios ertönen. Für den Beinahe–Atemstillstand vor einem Finale, das irgendwie immer wieder dasselbe ist – und doch jedes Mal neu.
Zeitverschwendung ist ein anderes Wort für Hingabe. Und wenn das Leben schon flüchtig ist, warum sollten wir es nicht in Schönheit verschwenden?
gerade als alter mensch sollte und kann man es sich leisten, fahrlässig nit der zeit umzugehen.
zur Zeit schlafe ich gut 2 h länger als sonst. wie ein jugendlicher: ich mag nicht aufstehen.
ob ein tag 14 h hat oder 15, 16 macht wenig unterschied.
man hat nichts zu verlieren, wieso knappsen mit den stunden.
@Gerhard: Ich würde auch sagen, das Schlafen ist schon immer noch die beste Freizeitbeschäftigung. Leider haben meine Fähigkeit von früher ihre Grenzen. Manchmal schlafe ich keine 6 Stunden mehr. Früher waren 10-12 Stunden möglich bzw. normal. Ich bin froh, dass ich nicht alleine bin mit meiner liberalen Einstellung zum Umgang mit der Zeit.