Zwischen Kritik und Selbstzweifel: Deutschland, Amerika und die Schuldenfrage

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> Keine Kommentare

90

5 Min.

Erik Kirschbaum verteidigt die USA gegen europäische Kritik, während Prof. Hüther die deutsche Finanzpolitik attackiert. Beide Debatten kreisen um Patriotismus, Selbstkritik und Verantwortung – und werfen die Frage auf, wie Deutschland mit seinen Problemen und Zweifeln umgehen sollte.

patriotismus kritik finanzpolitik
patriotismus kritik finanzpolitik

Ein Journalist zwischen zwei Welten

Erik Kirschbaum ist ein US-amerikanischer Journalist, den wir häufig in deutschen Talkrunden erleben. Heute war er Gast beim Internationalen Frühschoppen.

Bisher hatte ich den Eindruck, dass er weitgehend die Vorbehalte teilt, die der Trump-Administration und der MAGA-Bewegung entgegengebracht werden. Auch heute betonte er (zweimal [sic?]), dass er kein Anhänger Trumps sei. Mein persönlicher Eindruck entsprach seinem „Bekenntnis“.

Kritik an Europa und Deutschland

Kirschbaum scheint es ordentlich zu stinken, wie über sein Land in dieser und anderen Talkshows geredet wird. Anders wäre nicht zu erklären, weshalb er die Lage seines Landes, in die Trump und seine MAGA-Bewegung es gebracht haben, so verteidigt. Ich meine jedenfalls, seine Angriffslust auf die nörgelnden Europäer war deutlich vernehmbar.

Patriotismus oder Selbstkritik?

Ist das dieser Patriotismus, den wir vor allem in Deutschland angeblich ja kennen sollen? Wenn ich ehrlich bin, denke ich das manchmal auch. Dieses ewige Genörgel an allem, was in unserem Land geschieht, kratzt ja nicht mehr nur an der Oberfläche. Wir reden unser Land (ohne Unterlass) schlecht und irgendwie scheinen dabei auch wirklich alle ihren Teil zu leisten. Auch die ganz Minderbemittelten; vielleicht sind die sogar die Schlimmsten überhaupt.

Das weltweit wirkende Phänomen des Internets, speziell der asozialen Medien, spielt als Brandbeschleuniger die dominierende Rolle. Die meisten wissen oder ahnen das zumindest. Es gibt viele kluge Köpfe, die das früh genug erkannt und ausgesprochen haben. Leider ändert das NICHTS! Wir machen weiter und wundern uns gleichzeitig über die Verheerungen, die die Nutzung dieser supertollen Möglichkeiten der Kommunikation uns beschert hat und so auch weiter bescheren wird. Ich für meinen Teil habe mich längst von X, Twitter, Bluesky oder Mastodon getrennt. Mich hat einfach nur angekotzt, wie leichtfertig alle diese Jauchegruben mit ihrem Hirnmüll füttern. Egal, ob rechts oder links. Alle leisten eifrig ihre Anteile. Ausnahmen im Sinne von Vermittlern sucht man bedauerlicherweise meistens vergebens. Es gibt sie, aber sie haben keinen Einfluss auf das Gesamtbild.

Ein Blick auf die Wirtschaft

Heute Morgen las ich ein Stern-Interview mit Prof. Hüther, dem Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Der Mann ist Wissenschaftler, kein Journalist. Insofern kann man ihn als Persönlichkeit nicht mit Herrn Kirschbaum vergleichen. So wird die Parallele, die ich zu Kirschbaums Äußerungen im Frühschoppen ziehe, auf wenig Zustimmung (oder Interesse) stoßen. Schließlich vermitteln Wissenschaftler Fakten und keine Gefühle. Und Patriotismus besteht vermutlich mehr aus Gefühlen als aus Fakten.

Hüther kritisiert mit sehr scharfen Worten insbesondere Bundesfinanzminister Lars Klingbeil bzw. die Arbeit seines Ministeriums. Er kritisierte wie andere Wirtschaftswissenschaftler die Art und Weise, in der die Regierung mit den Milliarden-Sondervermögen umgeht. Jetzt bereits könnte man das Projekt Stabilisierung des Landes (oder welchen Titel hat das alles eigentlich?) als gescheitert betrachten, weil nämlich die ganzen schönen Milliarden nicht für zusätzliche (neue) Investitionen, sondern für sogenannte konsumtive Ausgaben eingesetzt werden. Immerhin räumt Hüther ein, dass die jetzt zur Verfügung stehenden Milliarden (bis 2029 sollen 850 Mrd. neue Schulden entstehen!) die Konjunktur etwas beleben werden, dass jedoch durch die Tricksereien des Bundesfinanzministeriums keinesfalls die erwünschte, nachhaltige Wirkung im Sinne dessen, was zuvor ständig diskutiert wurde, eintreten wird.

Es ist allerdings verständlich, dass Hüther kritisiert, dass mit den neuen Schulden originäre Aufgaben eines Staatshaushaltes erfüllt werden sollen. Zur Verwendung sagt er im Interview diesen Satz: „Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass man in dieser Form mit Tricksereien arbeitet.“

Tricksereien und Verantwortung

Die „Tricksereien“ kommen laut Hüther aus dem Finanzministerium. Ich frage mich schon, woher er diese eindeutige Zuordnung nimmt und ob er damit den Eindruck erwecken möchte, dass die Union davon so überhaupt nichts mitbekommen würde.

Die Einsicht, dass man finanzpolitisch nicht zurande kommt und die Aufgaben nicht erfüllen kann, hat ja zu diesen Ausnahmen von der Schuldenbremse geführt. Aber dass man das jetzt so verplempert und für jeden sichtbar einen Verschiebebahnhof organisiert, finde ich sehr bedenklich. Ich habe dafür kein Verständnis. Auf Länderebene ist die Zusätzlichkeit ganz weggefallen. Auf Bundesebene hält man sich mit Quoten irgendwie über Wasser. Es ist genau das, was nicht passieren sollte.

Quelle – aus dem Hüther-Interview

Berater, Interessen, Verantwortung

Der Witz ist doch, dass jeder Minister seinen eigenen wissenschaftlichen Beraterstab am Start hat. Im Falle von Lars Klingbeil ist das Prof. Dr. Jens Südekum. Als SPD-Mitglied mag er einer bestimmten Motivation näherstehen, als insbesondere Mitglieder der sogenannten Wirtschaftsweisen. Unverantwortlichkeiten, wie sie Hüther ihm indirekt unterstellt, sind schon allerhand, finde ich.

Ich würde eher sagen: Die Tatsache, dass FDP und CDU so lange überhaupt nicht bereit waren, über die Probleme der Schuldenbremse zu sprechen, hat uns in diese Situation geführt. Jetzt erleben wir eine schlecht vorbereitete Union und ein SPD-Finanzministerium, das trickst. Es gibt ja keine Alternative zu diesem Aufholen jahrzehntelanger Unterlassungen. Ich verstehe immer noch nicht, wo Christian Lindner die nötigen Milliarden im Kernhaushalt finden wollte.

Quelle

Ein Kreis schließt sich

Aus diesen haushalterischen Bemühungen wird also nun von berufener Seite die Unterstellung gezimmert, dass das ganze Geld (eigentlich unverantwortlich hohe Schulden) für „Mumpitz“ wie den Sozialstaat ausgegeben wird. Das kann der Schlossherr eines arbeitgebernahen Instituts selbstverständlich nicht hinnehmen.

Ach, könnten gewisse Leute sich doch einfach mal ein wenig zurückhalten mit ihren apokalyptischen Botschaften. Und – da schließt sich der Kreis meines Vergleichs mit dem US-amerikanischen Journalisten – ein wenig Patriotismus am Start sein und nicht jede Maßnahme sofort nach Bekanntwerden (selbst, wenn sie noch ungesichert ist) in die Öffentlichkeit geblasen wird. Natürlich stets in der Absicht, dem politischen Gegner zu schaden. Man könnte auch mal ans Land denken und an die Wirkung, die von voreiligen Interpretationen ausgehen wird.

Schließlich fühlen wir uns auch ohne solche für normale Leute arg komplizierte Sachverhalte und wissenschaftliche Meinungsunterschiede schon mies genug.

Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

- alleiniger Autor dieses Blogs -

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

hs010225 a

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


Mehr lesen aus dieser Kategorie

Wenn Schlagzeilen zur Stimmung werden: Zur Lage im Land
politik gesellschaft medienkritik

Medien

Wenn Schlagzeilen zur Stimmung werden: Zur Lage im Land

Auf der richtigen Seite der Geschichte? Gedanken zu Prof. Dr. Riecks Video
gerechtigkeit menschlichkeit

Gesellschaft

Auf der richtigen Seite der Geschichte? Gedanken zu Prof. Dr. Riecks Video

Charlie Kirk: Mord und der Streit um eine Deutungshoheit
charlie kirk kulturkampf

Gesellschaft, Politik

Charlie Kirk: Mord und der Streit um eine Deutungshoheit

🌈 Gemeinsam ist schöner als allein.