Es ist einer dieser Morgen. Der Kaffee ist stark, die Nachricht auch. Da ist er wieder. Donald J. Trump. Wie ein schlecht abgedrehter Werbespot, der sich in unsere Medienlandschaft eingebrannt hat – laut, überdreht, absurd. Nur dass dieses Mal nicht ein Müsli beworben wird, sondern der Untergang. Jedenfalls der der Demokratie.

Kaum ein anderer Politiker schafft es, so zuverlässig und so penetrant die Weltöffentlichkeit zu beschäftigen – und das ganz ohne Sinn und Verstand. Jedenfalls glauben das seine Gegner. Mittlerweile gibts es die “Verschwörungstheorie”, Trumps Gebaren sei Teil eines Plans. Man liest immer wieder darüber. Ob man das Faktum noch als Verschwörungstheorie einordnen darf? Wie dem auch sei: Es wirkt so, als hätte man einem pubertären Klassenclown den Pausenhof gesperrt und ihm die Lautsprecheranlage überlassen.

Doch warum reden wir – also wir Deutschen, das Land der Gartenzwergmentalität und TÜV-zertifizierten Empörung – eigentlich so viel über ihn?

Erstens: Trump ist das perfekte Schreckgespenst. Eine Art politischer Halloween-Kürbis mit orangefarbener Haut und gelben Haaren, der täglich wieder herausgeholt wird. Er ist die Verkörperung all dessen, was uns Angst macht und gleichzeitig fasziniert: fehlende Bildung mit Selbstbewusstsein, Lüge mit Sendungsbewusstsein, Macht ohne Maß.

Das lässt sich so schön ablehnen. So moralisch und intellektuell überlegen empört es sich doch gleich viel besser. Wir fühlen uns aufgeklärt, wenn wir uns über ihn aufregen. Trump ist unser täglicher Ablasshandel – eine Sünde, die wir nicht begangen haben, aber gerne verteufeln.

Zweitens: Er liefert. Ständig. Während andere Politiker sich mühsam um Worte winden, haut er raus, was der Algorithmus verträgt. Und weil unsere Medienwelt wie ein schlecht gelaunter Teenager funktioniert – ständig hungrig, leicht zu triggern und nie satt –, wird jeder noch so absurde Trump-Moment zum Brennstoff für den nächsten Empörungscocktail.

Drittens: Er wirkt global. Trump ist längst keine amerikanische Provinzposse mehr. Seine politischen Nachahmer tummeln sich wie schlecht kopierte PDFs auf dem gesamten Globus. Von Bolsonaro bis Orbán, von Johnson bis Weidel. Man kann ihn nicht ignorieren, weil sein Schatten bis in unsere Biergärten reicht.

Und, ja vielleicht, gibt es da noch einen tieferen Grund. Einen unausgesprochenen: Trump ist wie ein Autounfall auf der Autobahn. Man möchte nicht hinsehen. Man sollte nicht hinsehen. Aber man kann nicht anders. Die Medien wissen das. Wir wissen das. Und er weiß es am allerbesten.

Trump ist die Kardashian der Weltpolitik: Man versteht nicht, warum er da ist. Aber da ist er. Mit goldener Krawatte, aufgerissenen Augen und einem Truth-/X-Account. Möge er an seiner Wahrheit ersticken!

Kurzum:

Er ist da, weil DIE (oder wir?) ihn da haben wollen. Als Reizfigur, als Spiegel, als tägliche Dosis Wahnsinn im Infotainment-Kreislauf. Vielleicht redet man also gar nicht nur über Trump. Vielleicht redet man – auf eine etwas tragische, komische Art – über sich selbst.

In der gestrigen Ausgabe von Maischberger (20. Mai 2025) teilte Peer Steinbrück eine persönliche Anekdote über seine morgendlichen Gespräche mit seiner Frau bezüglich Donald Trump. Er berichtete, dass seine Frau ihn fast jeden Morgen mit den neuesten „Verrücktheiten von Trump“ konfrontiere. Steinbrück äußerte dabei seine Genervtheit über die ständige Präsenz Trumps in ihren Frühstücksgesprächen. 

Diese Bemerkung unterstreicht, wie sehr Trumps Verhalten nicht nur die politische Bühne, sondern auch den privaten Alltag beeinflusst. Steinbrücks Kommentar spiegelt eine weit verbreitete Frustration über die anhaltende Dominanz Trumps in den Medien und öffentlichen Diskussionen wider.

Für weitere Einblicke in die Sendung und Steinbrücks Aussagen können Sie die vollständige Episode in der ARD-Mediathek ansehen. 

Der Trump-Effekt – oder: Warum wir nicht aufhören können, über den Orangenen zu reden

Es ist einer dieser Morgen. Der Kaffee ist stark, die Nachricht auch. Da ist er wieder. Donald J. Trump. Wie ein schlecht abgedrehter Werbespot, der sich in unsere Medienlandschaft eingebrannt hat – laut, überdreht, absurd. Nur dass dieses Mal nicht ein Müsli beworben wird, sondern der Untergang. Jedenfalls der der Demokratie.

Kaum ein anderer Politiker schafft es, so zuverlässig und so penetrant die Weltöffentlichkeit zu beschäftigen – und das ganz ohne Sinn und Verstand. Jedenfalls glauben das seine Gegner. Mittlerweile gibts es die “Verschwörungstheorie”, Trumps Gebaren sei Teil eines Plans. Man liest immer wieder darüber. Ob man das Faktum noch als Verschwörungstheorie einordnen darf? Wie dem auch sei: Es wirkt so, als hätte man einem pubertären Klassenclown den Pausenhof gesperrt und ihm die Lautsprecheranlage überlassen.

Doch warum reden wir – also wir Deutschen, das Land der Gartenzwergmentalität und TÜV-zertifizierten Empörung – eigentlich so viel über ihn?

Erstens: Trump ist das perfekte Schreckgespenst. Eine Art politischer Halloween-Kürbis mit orangefarbener Haut und gelben Haaren, der täglich wieder herausgeholt wird. Er ist die Verkörperung all dessen, was uns Angst macht und gleichzeitig fasziniert: fehlende Bildung mit Selbstbewusstsein, Lüge mit Sendungsbewusstsein, Macht ohne Maß.

Das lässt sich so schön ablehnen. So moralisch und intellektuell überlegen empört es sich doch gleich viel besser. Wir fühlen uns aufgeklärt, wenn wir uns über ihn aufregen. Trump ist unser täglicher Ablasshandel – eine Sünde, die wir nicht begangen haben, aber gerne verteufeln.

Zweitens: Er liefert. Ständig. Während andere Politiker sich mühsam um Worte winden, haut er raus, was der Algorithmus verträgt. Und weil unsere Medienwelt wie ein schlecht gelaunter Teenager funktioniert – ständig hungrig, leicht zu triggern und nie satt –, wird jeder noch so absurde Trump-Moment zum Brennstoff für den nächsten Empörungscocktail.

Drittens: Er wirkt global. Trump ist längst keine amerikanische Provinzposse mehr. Seine politischen Nachahmer tummeln sich wie schlecht kopierte PDFs auf dem gesamten Globus. Von Bolsonaro bis Orbán, von Johnson bis Weidel. Man kann ihn nicht ignorieren, weil sein Schatten bis in unsere Biergärten reicht.

Und, ja vielleicht, gibt es da noch einen tieferen Grund. Einen unausgesprochenen: Trump ist wie ein Autounfall auf der Autobahn. Man möchte nicht hinsehen. Man sollte nicht hinsehen. Aber man kann nicht anders. Die Medien wissen das. Wir wissen das. Und er weiß es am allerbesten.

Trump ist die Kardashian der Weltpolitik: Man versteht nicht, warum er da ist. Aber da ist er. Mit goldener Krawatte, aufgerissenen Augen und einem Truth-/X-Account. Möge er an seiner Wahrheit ersticken!

Kurzum:

Er ist da, weil DIE (oder wir?) ihn da haben wollen. Als Reizfigur, als Spiegel, als tägliche Dosis Wahnsinn im Infotainment-Kreislauf. Vielleicht redet man also gar nicht nur über Trump. Vielleicht redet man – auf eine etwas tragische, komische Art – über sich selbst.

In der gestrigen Ausgabe von Maischberger (20. Mai 2025) teilte Peer Steinbrück eine persönliche Anekdote über seine morgendlichen Gespräche mit seiner Frau bezüglich Donald Trump. Er berichtete, dass seine Frau ihn fast jeden Morgen mit den neuesten „Verrücktheiten von Trump“ konfrontiere. Steinbrück äußerte dabei seine Genervtheit über die ständige Präsenz Trumps in ihren Frühstücksgesprächen. 

Diese Bemerkung unterstreicht, wie sehr Trumps Verhalten nicht nur die politische Bühne, sondern auch den privaten Alltag beeinflusst. Steinbrücks Kommentar spiegelt eine weit verbreitete Frustration über die anhaltende Dominanz Trumps in den Medien und öffentlichen Diskussionen wider.

Für weitere Einblicke in die Sendung und Steinbrücks Aussagen können Sie die vollständige Episode in der ARD-Mediathek ansehen. 

Aufstocken statt Ausufern – Discounter zeigen, wie moderner Wohnungsbau gehen kann

In unserem Städtchen wurde kürzlich ein neuer Lidl-Markt eröffnet. Nicht einfach ein Laden, sondern ein kapitalistisches Beuteregal mit Glasfassade – Geschmackssache, gewiss. Doch was mir beim Anblick der Baustelle (und später des fertigen Baus) durch den Kopf ging, war weniger der architektonische Anspruch als die vertane Chance: Warum steht dieses Gebäude eigentlich allein da? Warum nicht gleich mit Wohnungen obendrauf?

TL;DR

Während sich in unserer Stadt ein Lidl-Markt im neuen Glanz zeigt und die benachbarte Aldi-Filiale zur Baustelle wird, offenbart sich im Hintergrund ein viel größeres Thema: der Wohnraummangel. Discounter wie Aldi und Lidl entdecken zunehmend die Dächer ihrer Filialen als wertvolle Flächen für den Wohnungsbau – effizient, nachhaltig, überraschend fortschrittlich. In Zeiten, in denen der Staat seine selbst gesteckten Ziele regelmäßig verfehlt, zeigt ausgerechnet der Handel, wie es anders geht. Ein Blick auf Bagger, Baupläne und begrünte Dächer zwischen Supermarkteingang und gesellschaftlicher Verantwortung.

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Kaum war der neue Lidl fertig, rückten die Bagger bei Aldi an – keine 500 Meter entfernt. Auch hier: Abriss, Neubau, vermutlich modern und effizient. Aber auch diesmal sieht es nicht danach aus, als würden Wohnungen integriert. Dabei wäre genau das notwendig: mehr Wohnraum, weniger Flächenverbrauch. Warum nutzen wir nicht konsequent die Dächer solcher Flachbauten?

Dass es anders geht, zeigen Aldi und Lidl längst selbst – allerdings leider nicht bei uns.

Nachhaltiger Wohnungsbau mit Aldi Süd – Bauwende-Blog

Warum Aldi Wohnungen baut – Capital.de

Beispielhafte Projekte zeigen, was möglich ist:

  • In Wesseling bei Köln entstanden über einer Rossmann-Filiale zehn Wohnungen – Bauzeit: nur 14 Monate.
  • Pforzheim: Filiale, Parkdeck, Kita und Wohnungen – in 20 Monaten nutzbar.
  • Waldbronn bei Karlsruhe: 115 Wohnungen auf einem Nahversorgungszentrum – 2,5 Jahre Bauzeit.

Lidl wiederum errichtet in Berlin-Mahlsdorf mit Max Bögl eine Filiale mit 26 Wohnungen in Modulbauweise – in weniger als einem Jahr. In München entstehen mit der Gewofag rund 100 Wohnungen über einem neuen Markt, in Frankfurt am Main sind es 40 über einer Tiefgarage.

Warum das so wichtig ist:

Wohnungsnot ist in Deutschland ein Dauerbrenner – und trotzdem scheinen Lösungen wie diese in der großen Politik kaum eine Rolle zu spielen. Stattdessen wird gestritten über Mietpreisbremsen, Enteignungen und Kapitalismuskritik. Doch vielleicht zeigt gerade dieses Beispiel, dass der Markt durchaus Lösungen anbieten kann – wenn man ihn lässt.

Aldi und Lidl zeigen, wie’s geht:

  • Zielgruppenorientiert, etwa für Studierende.
  • Nachhaltig gebaut, oft in Holzbauweise, mit Solaranlagen und begrünten Dächern.
  • Schnell realisiert, mit klaren Zeitplänen und verlässlichen Partnern.

Dass dabei wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen, ist selbstverständlich. Doch angesichts eines täglichen Flächenverbrauchs von 54 Hektar (Stand 2020) ist es dringend geboten, vertikal statt horizontal zu denken. Die Bundesregierung will den Flächenverbrauch bis 2030 auf 30 Hektar reduzieren, bis 2050 auf netto null. Das ist ambitioniert – und notwendig.

Gerade der kluge Umgang mit bereits versiegelten Flächen – etwa durch Aufstockungen – kann dabei helfen, der unheilvollen Entwicklung einer immer weiter fortschreitenden Flächenversiegelung Einhalt zu gebieten. Jeder Quadratmeter Dachfläche, der nicht ungenutzt bleibt, sondern Wohnraum bietet, ist ein Gewinn – für die Umwelt, für die Städte, für die Menschen.

Denn obwohl sich der Wohnungsbestand seit 1950 verdreifacht hat, fehlt es weiterhin an bezahlbarem Wohnraum. Die Gründe dafür sind vielfältig: demografischer Wandel, mehr Single-Haushalte, politische Versäumnisse. Dass das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr regelmäßig verfehlt wird, zeigt die Dringlichkeit.

Aufstocken statt Ausufern – das wäre echte Bauwende. Schade, zum Wohnungsbau hat Merz in seiner Rede kaum etwas gesagt. Außer Plattitüden und Allgemeinplätzen.

Zwischen Schweigen und Schreiben: Über das Bloggen zu Gaza

Ich habe für einen kleinen Blog einige Beiträge zu Gaza geschrieben. Nicht genug! Nicht, weil ich nichts mehr zu sagen hätte – sondern eher, weil die Resonanz ausbleibt. Kaum Kommentare, wenig Austausch (41 Beiträge mit 112 Kommentaren ergibt 2,7 Kommentare pro Artikel über Gaza). Dabei ist das Thema Gaza nicht weniger drängend. Im Gegenteil! Doch gerade dort, wo die elementarsten menschlichen Fragen zum Himmel schreien, bleibt die Reaktion aus. Ich frage mich: Woran liegt das? Liegt es an mir (an meiner vielleicht manchmal zu provokanten Schreibweise) – oder an der Art, wie wir als Gesellschaft mit Themen wie Krieg, Vertreibung, Gewalt umgehen?

Ich bin nicht allein mit diesem Gefühl. In Thomas Gigolds Webring, dessen Mitglieder selbstverständlich auch das Thema Gaza behandeln, finden sich Beiträge – manche schon älter, andere aktueller. Sie alle eint der Versuch, eine Stimme zu finden für das, was oft unaussprechlich scheint.

Besonders beeindruckt hat mich der Beitrag von Oliver Moore: „Under siege in the West Bank: Life and resistance in the shadow of settler violence“. Er beschreibt das Leben palästinensischer Gemeinden, die unter den täglichen Angriffen von Siedlern leiden. Es sind Geschichten von Mut, Widerstand und dem unerschütterlichen Willen, trotz allem weiterzumachen. Solche Texte erinnern mich daran, warum auch ich schreibe – nicht für Klickzahlen oder Applaus, sondern um Zeugnis abzulegen. Dass ich das mit meinen bescheidenen Mitteln tue und nicht etwa in Konkurrenz gegen solchen Texten anschreibe, versteht sich von selbst. Mir gehts es darum (als Chronist für mein eigenes Gedankenarchiv) festzuhalten, was geschieht, wenn augenscheinlich doch so viele wegschauen. Nicht nur unsere Bundesregierung. Die hält sich an einer Staatsraison fest, um nur ja nichts gegen Israel sagen zu müssen.

Ich fühle mich überhaupt nicht daran gehindert, die andere Seite des Unrechts anzusprechen und die Verbrechen scharf zu verurteilen, die die Hamas-Terrorbande an israelischen Bürgerinnen und Bürgern, Kindern und Frauen, alten und jungen Menschen begangen hat. Unmenschliche Schweine sind all jene, diese unaussprechlichen und unvorstellbar schlimmen Dinge getan haben, egal welche »Motivation« sie dafür gefunden haben mögen.

Blogs, die nicht wegsehen

Auch andere deutschsprachige Blogs setzen sich mit der Situation auseinander. Der PRIF Blog beleuchtet den deutschen Diskurs über den Krieg in Gaza. Der Verfassungsblog bietet rechtliche Analysen, die weit über die Tagespolitik hinausweisen. Und bei Amnesty International Deutschland findet man eine bedrückende Chronik von Menschenrechtsverletzungen, Notlagen und der verzweifelten Lage der Zivilbevölkerung. Auch wenn nicht alle dieser Beiträge brandneu sind, bleibt ihr Inhalt erschreckend aktuell.

Die Wirklichkeit im Gazastreifen

Die humanitäre Lage in Gaza ist katastrophal. Laut einem Livebericht des Guardian wurden seit Oktober 2023 über 53.000 Palästinenser getötet, mehr als 121.000 verletzt. Alle öffentlichen Krankenhäuser im Norden sind außer Betrieb. Es fehlt an allem: Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung, Strom. Das Leben ist reduziert auf ein nacktes Überleben, ohne Perspektive, ohne Sicherheit. Die Reuters-Bilderstrecke zeigt zerstörte Straßenzüge, eingeschlagene Häuser, apokalyptische Szenen. Auch The Guardian hat eine visuelle Übersicht erstellt – mit Satellitenbildern und Kartenausschnitten, die mehr sagen als viele Worte. Diese Bildberichte stammen teilweise aus dem Januar. Die Lage hat sich seither weiter verschärft. Manchmal stelle ich mir vor, mitten in diesem apokalyptischen Szenarium zu sein und nach meinen Liebsten zu suchen. Diese Gefühle, die diese Menschen haben, die wir in den Nachrichten sehen, können nicht hergeleitet werden. Vielleicht aber nachgefühlt.

Seit Jahren wird der Gazastreifen als das größte Freiluftgefängnis bezeichnet. Der Spiegel schrieb das bereits 2016 – und seither ist der Begriff eher noch zu schwach. Die Region ist hermetisch abgeriegelt. Kaum jemand kann sie verlassen, kaum jemand kommt hinein. Bewegungsfreiheit ist dort längst ein leerer Begriff. Was bleibt, ist das Gefühl des Eingesperrtseins – für über zwei Millionen Menschen. Glaubt jemand, dass Menschen sich an ein solches Leben gewöhnen könnten?

Warum wir trotzdem schreiben

Ich vermute, die ausbleibende Resonanz auf solche Texte sind nicht auf Desinteresse zurückzuführen, sondern auf Überforderung. Die Komplexität des Themas, die emotionale Belastung – all das kann lähmen. Wer will sich schon beim Frühstück mit der Frage quälen, ob es „gerecht“ ist, was dort geschieht? Oder ob man sich „positionieren“ muss, wenn man einfach nur betroffen ist?

Und doch glaube ich: Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir weiterschreiben. Auch wenn es leise bleibt. Auch wenn kaum jemand antwortet. Denn jedes Wort zählt. Jeder Beitrag ist ein Zeichen dafür, dass wir nicht wegsehen. Dass wir uns kümmern. Und vielleicht, eines Tages, wird das etwas bewirken, auch wenn man angesichts der Berichte daran nicht wirklich glauben kann.

Wie viele Tags braucht ein guter Beitrag?

Ich gebe zu: Das Arbeiten mit Tags, wenn man sie denn überhaupt verwenden möchte, ist für mich eine dieser kleinen Ordnungsfreuden im digitalen Alltag. Sie sind keine Schlagzeilen, keine Hauptkategorien, sondern eher leise Hinweise: „Hier, das gehört auch dazu.“ Ein semantischer Seiteneingang. Ein Fußnotenwegweiser. Ein strukturierter Flüsterton.

Aber wie bei allem, was uns helfen soll, kann auch hier das Gegenteil eintreten: Tags können helfen – oder uns verwirren. Vor allem, wenn man ihnen zu viel Bedeutung zuschreibt. Oder zu viele von ihnen verwendet.

Ich habe lange experimentiert, viel ausprobiert – und bin inzwischen bei einer Regel angekommen, die mir guttut: Nie mehr als drei Tags pro Beitrag. Denn jeder weitere Begriff verliert an Präzision. Es ist wie mit Gewürzen: Man kann Curry, Kreuzkümmel, Pfeffer, Zimt und Nelken in ein Gericht werfen – aber irgendwann schmeckt man gar nichts mehr.

Weniger ist mehr – und das bedeutet Arbeit

Trotz aller Zurückhaltung passiert es dennoch: Mit der Zeit entsteht ein Sammelsurium. Dutzende Begriffe, die ich vielleicht nur einmal verwendet habe. Tags, die mir beim Schreiben wichtig erschienen – aber später nie wieder eine Rolle spielten. Begriffe wie „Digitale Irrtümer“ oder „Demokratiedämmerung“, die poetisch klingen, aber in keiner Struktur auftauchen.

Das ist nicht falsch. Es ist menschlich. Wer schreibt, denkt in Nuancen. Wer archiviert, sucht Muster. Und die treffen sich nicht immer automatisch.

Aber es braucht irgendwann einen Schnitt: Die Entscheidung, ob ein Tag wirklich eine Gruppe bildet – oder nur ein Einzelstück bleibt. Und genau darin liegt die Kunst: den Unterschied zwischen poetischer Etikettierung und systemischer Ordnung zu erkennen.

Tag-Hygiene als Bestandteil der Blogpflege

Ich habe mir angewöhnt, alle paar Monate durch meine Tags zu scrollen. Manche Begriffe schiebe ich zusammen. Andere lösche ich. Und hin und wieder finde ich kleine Perlen, die ich vergessen hatte – aber die sich lohnen, bewusst weiterzuentwickeln.

Manche nennen das „Taxonomiepflege“. Ich nenne es: Respekt vor dem eigenen Archiv.

Denn Tags sind nicht nur für Leserinnen und Leser da. Sie sind auch für mich. Ich entdecke über sie verwandte Beiträge, hole alte Gedanken wieder ans Licht. Sie sind mein Kompass, mein inneres Inhaltsverzeichnis. Ok, ich verwende dafür auch die Suche (im Front- und oft auch im Backend). Will ich sehen, wie häufig ich etwas über »Gaza« geschrieben habe, verlasse ich mich nicht auf Tags.

Wie viele Tags braucht es?

Drei. Vielleicht fünf. Aber nur, wenn sie wirklich tragen.

Und wenn ich merke, dass ein Tag alleine bleibt wie ein Stuhl im leeren Raum, dann frage ich mich:

„Will ich diesen Begriff wirklich weiter pflegen? Oder war er nur ein Satzfragment, das in ein Menü gerutscht ist?“

In digitalen Räumen herrscht oft die Versuchung, alles zu benennen. Aber Ordnung entsteht nicht durch Benennung allein. Sie entsteht durch Beziehungen. Und genau das sollten Tags leisten: Beiträge in Beziehung zueinander setzen.

Was bleibt

Tags sind weder gut noch schlecht. Sie sind Werkzeuge. Wenn wir sie maßvoll, bewusst und mit einem gewissen redaktionellen Instinkt einsetzen, können sie unser Schreiben bereichern – und das Lesen für andere erleichtern. Aber wie bei allen Werkzeugen gilt: Manchmal muss man sie auch nachschärfen, sortieren oder ganz beiseitelegen.

Ich werde das weiterhin regelmäßig tun – nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus dem Wunsch heraus, meinem Archiv jene Ordnung zu geben, die es verdient hat. Nicht perfekt. Aber lesbar.

Vielleicht ist das ja auch für dich ein Anlass, mal wieder durch deine Begriffe zu streifen. Du wirst sehen: Zwischen „Digitalisierung“ und „Medienkritik“ verstecken sich manchmal ganz neue Verbindungen.

Künstliche Intelligenz und die Kunst des Staunens

Es gibt diese Momente, in denen man innehält. In denen ein Bild nicht nur das Auge fesselt, sondern die Gedanken weiterschickt, auf Reisen durch Erinnerung, Fantasie, Zukunft. Ein solches Erlebnis hatte ich, als ich zum ersten Mal ein Werk von Inge Schuster sah.

TL;DR


Während viele noch streiten, ob KI wirklich Kunst erzeugen kann, erschaffen Künstlerinnen wie Inge Schuster längst Werke von atemberaubender Tiefe und Schönheit – zwischen Traum, Technologie und menschlicher Handschrift. In diesem Beitrag erkunde ich, wie KI nicht das Ende der Kreativität bedeutet, sondern ihren Horizont erweitert.

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Die dänische Künstlerin arbeitet mit KI – und sie tut es nicht halbherzig oder widerwillig, sondern mit einer Leidenschaft, die mich tief beeindruckt hat. Ihre Werke wirken wie Stillleben aus anderen Realitäten. Fotorealistisch, melancholisch, erzählerisch. Sie erzeugt ihre Motive mit Midjourney, kuratiert sie mit sicherem Gespür, und veredelt sie anschließend in Lightroom und Photoshop. Was dabei entsteht, ist keine Maschinenkunst. Es ist auch keine Simulation von Kreativität. Es ist echte Kunst – nur eben mit einem neuen Werkzeug.

Und genau hier beginnt die Diskussion, der ich in diesem Beitrag begegnen möchte: Kann das Kunst sein?

Viele sagen: Nein. Sie fürchten den Verlust des Handwerks, der Authentizität, des Menschlichen. Aber ist das nicht dieselbe Angst, die es schon gab, als Fotografie die Malerei bedrohte? Als digitale Musik die Studios revolutionierte? Als die Kamera zum ersten Mal ein Gesicht festhielt, schneller als es ein Pinsel je konnte?

Kunst war nie nur das Medium. Kunst war immer das, was wir daraus machten.

Inge Schuster macht daraus Magie. Und sie steht nicht allein.

Die französische Künstlerin Claire Silver etwa nutzt KI, um poetisch-surreale Bilder zu schaffen, die zugleich modern und mythisch wirken. Ihre Werke wurden nicht nur in digitalen Galerien, sondern auch in New Yorks echten, staubigen White Cubes ausgestellt.

Auch der türkisch-amerikanische Künstler Refik Anadol transformiert mit Machine Learning Datenströme in bewegte Wandbilder – lebendige Kunst, die sich wandelt, atmet, träumt.

Ein weiteres spannendes Beispiel ist Mario Klingemann, ein deutscher Medienkünstler, der KI seit Jahren als Pinsel und Partner zugleich begreift. Seine Arbeiten entstehen im Spannungsfeld von Code, Zufall und kulturellem Gedächtnis.

All das sind Ausdrucksformen einer neuen künstlerischen Sprache. Und ja, es braucht Zeit, sich daran zu gewöhnen. Aber es ist keine feindliche Übernahme. Es ist ein Dialog.

Der Mensch sagt der Maschine nicht nur, was sie tun soll. Er lauscht auch, was zurückkommt. Inspiration verläuft heute nicht mehr linear. Sie flackert, wächst, verzweigt sich. Die KI ist dabei nicht das Orakel – sondern der Spiegel. Sie zeigt uns Möglichkeiten, auf die wir allein vielleicht nicht gekommen wären. Und genau das macht sie wertvoll.

Ich glaube nicht, dass KI den Menschen aus der Kunst drängen wird. Ich glaube, sie wird uns fordern – und vielleicht sogar befreien. Sie wird das kreative Feld erweitern, nicht einengen. Und sie wird neue Wege eröffnen, über Schönheit, Erinnerung und Wahrheit nachzudenken.

Inge Schuster tut das schon heute. Ihre Werke sind keine kalten Datenprodukte, sondern emotionale Erzählungen. Sie inspiriert mich. Und vielleicht auch dich.

Vielleicht ist es Zeit, uns nicht länger zu fragen, ob KI Kunst kann – sondern, was wir damit gestalten wollen.

Zum 79. Geburtstag von Udo Lindenberg: Ein musikalisches Leben zwischen Rock’n’Roll, Politik und Menschlichkeit

Die eigene Endlichkeit vor Augen singt der eine von Horizonten, der andere kämpft mit zu hohen Mieten und der Inflation im Allgemeinen. Philosophen oder Rockmusiker nehmen sich im Grunde nicht viel, wenn es darum geht, ihre Befindlichkeiten vor der Öffentlichkeit zu beschreiben.

Und es gibt da einen, der seit Jahrzehnten beides in sich vereint: den philosophischen Träumer und den unbeirrbaren Panik-Rocker – Udo Lindenberg, der heute 79 Jahre alt wird.

🎤 Der Hut, die Sonnenbrille – und die Haltung

Kaum jemand ist sich so unbeirrbar selbst treu geblieben wie Udo Lindenberg. Seine Uniform: Schlapphut, Zigarre, Sonnenbrille. Seine Waffe: die deutsche Sprache, in Songs gegossen, wie sie vorher keiner so zu singen wagte. Sein Schlachtruf: “Keine Panik auf der Titanic”, ein Mantra gegen Abstürze aller Art.

Als Lindenberg in den 1970ern begann, auf Deutsch zu singen, galt das in der Rockwelt als mutiger Tabubruch. Deutsch klang damals nach Schlager – und doch schaffte er es, Sprache, Sound und Attitüde zu verschmelzen. Er sprach vom Sonderzug nach Pankow, als andere noch schwiegen. Er warnte vor dem Mädchen aus Ost-Berlin und sang gegen Mauern, bevor sie fielen.

🎶 Musik mit Haltung – und Humor

In seinen Texten war immer Platz für Zärtlichkeit, Protest und Blödsinn zugleich. Er war nie der Missionar, sondern der ironisch sich selbst auf die Schippe nehmende Clown mit Haltung.

Ein Clown, der nachdenklich macht.

  1. In den 80ern wurde er zur moralischen Stimme der deutschen Popkultur
  2. In den 90ern verschwand er kurz im Nebel des eigenen Exzesses
  3. Ab den 2000ern erfand er sich neu – als Maler, Chronist und gereifter Sänger

Das Comeback mit „Stark wie Zwei“ (2008) war kein Alterswerk, sondern eine Kampfansage.

Mit „Ich mach mein Ding“ und „Durch die schweren Zeiten“ hat er Hymnen für alle geschrieben, die durchs Leben stolpern – und trotzdem weitermachen.

🕊️ Ein Mensch mit Meinung

Udo hat sich nie vor politischen Themen gedrückt. Er hat Preisgelder gespendet, in Schulen investiert, sich für Flüchtlinge, Minderheiten und Demokratie eingesetzt. Wenn andere sich windeten, stand er da, nannte Nazis „Idioten“ und trat auf, wo andere längst abgesagt hätten. Udo ist nicht perfekt. War er nie. Wollte er nie sein. Er hat Fehler gemacht, sich oft in Flaschen und Rauchwolken verirrt – aber er kam zurück.

Nicht geläutert, sondern wach.

🥂 Zum 79. Geburtstag

Heute, am 17. Mai 2025, wird Udo Lindenberg 79 Jahre alt. Er lebt im Hotel Atlantic in Hamburg – sein Refugium, sein Panik-Kontrollzentrum. Er tourt nicht mehr so exzessiv wie früher, aber er bleibt da. Ein Unikum. Ein Zeitzeuge. Ein Künstler, der die Bühne längst zu einem Teil seiner Biografie gemacht hat. Und während andere alt werden, bleibt Udo einfach Udo.

Vielleicht liegt darin sein größter Trick: dass er nie jemand anderes sein wollte.

🖋️ Zum Schluss

Er hat uns Musik geschenkt, die nicht nur unterhält, sondern trägt.

Uns durch schwere Zeiten, große Fragen, kleine Siege.

Und vielleicht ist das die schönste Form von Unsterblichkeit:

Wenn einer wie Udo Lindenberg in unser aller Leben mitträllert – selbst dann, wenn irgendwann in weiter Zukunft sein letzter Akkord längst verklungen ist.

Alles Gute, Udo. Rock on.

Im Gespräch mit der Maschine: Der schnellste Kollege, den ich je hatte

Der Mensch ist ein geselliges Wesen – selbst wenn sein Gegenüber bloß ein Algorithmus ist. Es gibt Momente, da frage ich mich: Bin ich zu treu, zu konservativ, zu bequem? Immerhin wimmelt es da draußen von neuen KI-Gesprächspartnern, die mit verführerischen Versprechen wedeln: Gemini, Claude, Jasper, Perplexity, YouChat, Replika, Character.AI – das digitale Panoptikum ist voll wie der Kölner Dom an Weihnachten. (Ist der Kölner Dom wenigstens noch an Weihnachten voll?)

Doch ich? Ich sitze hier, tippe, sinniere – mit ChatGPT. Warum?

Zwischen Spielwiese und Werkbank

Die einen sehen Chatbots als Kuriositätenkabinett, andere als Werkzeuge. Für mich ist ChatGPT beides – ein virtueller Co-Autor, CSS-Flüsterer, WordPress-Ratgeber und gelegentlicher Seelentröster. Wenn ich mit einem Problem im Backend hänge, hilft kein mir bekanntes Forum wie der Kollege ChatGPT (wieso sag ich eigentlich der?). Er, sie, es liefert prompt und ohne Allüren eine Lösung. Elegant, klar und (meist) valide. Skepsis und ständige Gegenchecks sind erforderlich. Aber war das nicht immer so, wenn wir ans Internet denken?

Natürlich habe ich andere getestet. Bei Perplexity und Gemini war ich eine Weile Pro User. Alles cool! Aber sobald es ans Eingemachte ging – ein spezifischer Block in GenerateBlocks, ein CSS-Selektor mit dunkler Seele oder eine besonders renitente Query Loop – kehrte ich zurück. Heim zu GPT. Das ist wie mit der alten Lieblingskneipe: vielleicht nicht hip, aber verlässlich.

Die neue Unübersichtlichkeit

Es ist faszinierend, wie schnell neue Chatbots auftauchen. Ich kam kaum mit dem Scrollen hinterher, als ich versuchte, eine halbwegs vollständige Liste zu kuratieren. Ein paar Highlights:

  1. Claude (Anthropic)
  2. Gemini (Google)
  3. Perplexity AI
  4. Jasper Chat
  5. YouChat (You.com)
  6. Character.AI
  7. Replika
  8. Amazon Q
  9. ChatGPT – na klar!

Manche sind witzig, andere nützlich, manche nur gut fürs Staunen. Doch was mir fehlt: Tiefe. Nicht die Datenmasse, sondern das feine Gespür für Kontext, Tonfall und – ja – Geduld. Hier punktet aus meiner Sicht ChatGPT. Und ich glaube, das liegt nicht nur an Technik, sondern auch an … Stil. Vielleicht liegt’s auch nur daran, dass ich oft Danke sage und nie unfreundlich bin. Das muss ein Wesenszug sein, den ich bisher an mir noch nicht kannte. Im wahren Leben bin ich eher doch recht bestimmt. Sagen die anderen.

Zwischen Zeilen und Zeitgeist

Vielleicht ist es das: ChatGPT antwortet, wie ich denke. Klar, manchmal auch zu schnell, zu geleckt, immer höflich. Aber im Großen und Ganzen … verstehen wir uns. Wir schreiben zusammen. Wir tüfteln. Wir verlieren uns gelegentlich in Details – wie alte Freunde, die sich über den Unterschied zwischen „em“ und „rem“ streiten.

Das mag komisch klingen, aber ich glaube, in der KI-Nutzung ist genau das der Schlüssel: Vertrauen. Viele sagen, das kann nichts werden. Zu viele Fehler, zu viele falsche Antworten. Ich sage: Wer ständig den Partner wechselt, kommt nie über die Kennenlernphase hinaus. Und so bleibe ich bislang ChatGPT treu – trotz oder gerade wegen der vielen Alternativen. Mit dieser Feststellung gebe ich allerdings auch die Chance aus der Hand, andere kennenzulernen und deren Vorzüge schätzen zu lernen. Ich weiß das. Aber ich bin 71 und man kann sich mit ständigen neuen Liebschaften durchaus übernehmen.

Alles bleibt anders

Ich bin kein Techniknostalgiker. Ich liebe Neues. Aber ich glaube an Werkzeuge, die mit mir wachsen. An digitale Wegbegleiter, die nicht nur glänzen, sondern auch halten. ChatGPT ist für mich so einer.

Vielleicht bleibe ich irgendwann an Claude hängen. Vielleicht haut Gemini mich bald um. Aber bis dahin? Bleibe ich. Hier. Bei meinem Textgesellen. Bei meinem Gesprächskameraden. Bei ChatGPT.

„Eigenbedarf“ – wenn ein Zuhause plötzlich zur Verfügungsmasse wird

Es gibt Worte, die in Paragrafen harmlos klingen, im Leben aber wie ein Fallbeil wirken. „Eigenbedarf“ ist solch ein Wort. Gesetzlich legitim, juristisch sauber – und doch: Für viele, die ihr Leben lang in einer Wohnung verbracht haben, ist es ein Stich ins Herz.

Wir waren damals Anfang vierzig, als unser Vermieter Eigenbedarf anmeldete. Die Schwiegermutter war krank, die Familie rückte zusammen – und wir mussten raus. Wir hatten Verständnis, ja, aber die Folgen waren spürbar und einschneidend. Der Umzug führte uns zu einem Desaster, das erst mit einem erneuten Wechsel endete. Heute, nach 33 Jahren im neuen Zuhause, blicken wir zurück – mit etwas Abstand, aber nie ohne Gefühl.

Und doch war unsere Erfahrung fast harmlos verglichen mit dem, was wir kürzlich erfuhren: Bekannte, Ende 60 und Anfang 70, verwurzelt in ihrem Zuhause, müssen gehen. Ein großer Hund ist auch betroffen. Allein dieser Umstand schränkt die Chancen ein. Eigenbedarf. Das trifft hart, tief — ja existenziell.

Wenn ein Paragraf das Leben auflöst

Was wie eine trockene Fußnote im Mietrecht wirkt, kann der Anfang einer seelischen Erschütterung sein. Diese Menschen haben Jahrzehnte gelebt, geliebt, getrauert in ihren vier Wänden. Sie sind mit der Wohnung alt geworden – sie ist kein Objekt, sondern ein Zuhause. Und nun soll dieses Zuhause aufgegeben werden, weil der Enkel studiert oder weil die Rendite nicht mehr stimmt.

Wie soll ein 70-Jähriger eine Wohnung finden in einem Markt, der auf Flexibilität, Mobilität und Kapital setzt? Härtefallregelungen? Theoretisch. In der Praxis zählt, wer den längeren Atem und das bessere Konto hat.

Alt und ohne Lobby

Der Begriff „sozialverträglich“ wird oft zitiert, wenn es um Eigenbedarf geht. Doch sind es wirklich faire Verfahren, wenn sich Rentner mit 1.100 € Monatsrente gegen Eigentümer mit juristischem Beistand behaupten sollen? Der Umzug selbst ist schon eine Qual, psychisch wie physisch. Die gewohnte Umgebung gibt Sicherheit – Nachbarn sind Anker, der Bäcker ein Stück Heimat.

Es wird viel geredet über Wohnungsbau und Mietpreisbremse – und wenig passiert. Der Wohnungsmarkt ist ein Haifischbecken, kein Schutzraum. Eigentum genießt Verfassungsrang – und das soll auch so sein. Doch wenn Besitz über Menschlichkeit triumphiert, versagt das System.

Ich habe über Heidi Reichinek von den Linken geschmunzelt, als sie laut über eine Abschaffung des Kapitalismus nachdachte. Und doch frage ich mich: Was ist das für ein Land, das es zulässt, dass alte Menschen entwürdigt aus ihrem Leben gerissen werden?

Ein Appell an Politik und Gesellschaft

Es braucht mehr als warme Worte. Es braucht:

  1. ein Mieterrecht, das den Schutz im Alter stärkt,
  2. Kriterien, die Eigenbedarf noch stärker begrenzen,
  3. und vor allem: gesellschaftliche Solidarität.

Wer jahrzehntelang seine Miete bezahlt hat, sollte nicht um sein Zuhause fürchten müssen. Und wir als Gesellschaft? Wir dürfen nicht zusehen. Wir müssen unsere Stimme erheben, nicht erst dann, wenn wir selbst betroffen sind.

Denn am Ende ist eine Wohnung nicht einfach ein Ort. Sie ist Geschichte, Geborgenheit, gelebtes Leben.

Ein Zuhause.

Zwischen Algorithmus und Aufmerksamkeit: Der neue Wert der Blogs

Ich finde ziemlich cool, was in unserer Blogsphäre derzeit abgeht. Ja, auch mir fällt auf, dass die bisher rückläufige Linkliebe wieder wächst. Das war in meinen Augen auch überfällig. Vielleicht vor allem im deutschsprachigen Web.

Die Rückkehr der Linkliebe

Dass nun auch spezielle Blogsuchmaschinen konzipiert werden, hat wohl vor allem damit zu tun, dass die großen Suchmaschinen (Google vornweg) Blogs vernachlässigen. Das wird zumindest immer gesagt. Ob die Umstellungen tatsächlich so verheerend wirken, wie es behauptet wird? Ich stelle davon nichts fest. Mein Blog hat sogar zuletzt mehr Besucher durch Google — nicht viel, aber es ist mir aufgefallen.

Rivva, Sichtbarkeit und das Gefühl von Endlosschleifen

Wenn ich jetzt sehe, wie Rivva Artikel anzeigt und jede Verlinkung zu weiteren Nennungen führt, behaupte ich ganz provokativ, dass diese Art der Präsentation auf mich auch nicht nur positiv wirkt. Ich freue mich, wenn mein Blog gelegentlich aufgeführt ist. Aber wenn jede Verlinkung ohne jedes zusätzliche Kriterium wieder und wieder dazu führt, dass sie dort ihren Niederschlag findet, dürfte das schlussendlich zu einer Abwertung des Dienstes beitragen. Ich hoffe, dass mein Beitrag angesichts der allgemeinen Begeisterung nicht auf allzu große Kritik stoßen wird. Schließlich bin ich froh darüber, dass sich in unserer Blogsphäre einiges tut.

Die Sichtbarmachung von Blogs allein durch pure Linkfreude dürfte nicht das Erfolg versprechende Modell sein. Da sollten ein paar Kriterien hinzugenommen werden. Aber wer wollte sich schon anmaßen, diesbezügliche Entscheidungen zu treffen?

Kriterien für eine bessere Blogvernetzung

Trotzdem – oder gerade deshalb – möchte ich mal ein paar Gedanken zur Diskussion stellen. Es ginge ja nicht darum, das freie Verlinken einzuschränken, sondern vielmehr darum, den Umgang damit etwas klüger zu gestalten.

Ein paar Kriterien, die man in Betracht ziehen könnte:

  1. Kontext statt bloßem Link: Wird ein Beitrag zitiert, kommentiert, weitergedacht – oder nur lieblos hineingeworfen?
  2. Diversität der Quellen: Immer dieselben zehn Blogs zu listen, bringt wenig frischen Wind. Vielfalt wäre ein Wert.
  3. Inhaltliche Tiefe: Ein Artikel, der mehr als 400 Zeichen hat und Gedanken entwickelt, sollte höher gewichtet werden als bloßes Copy-Paste.
  4. Resonanz statt Reichweite: Vielleicht zählt weniger die Klickzahl als die Qualität der Reaktionen, die ein Beitrag auslöst.

Sichtbarkeit mit Verstand

Klar, vieles davon lässt sich vielleicht nur schwer technisch abbilden. Und noch schwerer objektiv bewerten. Aber das sollte uns nicht daran hindern, nach besseren Formen von Sichtbarkeit zu suchen, die der Blogosphäre gerecht werden – und ihr nicht bloß einen algorithmischen Spiegel vorhalten.

Denn wenn alles sichtbar wird, wird irgendwann nichts mehr gesehen.

Wer hat Ideen dazu?

Die Saat im Kopf: Verschwörung als Kino, Glaube und Gesellschaftsbild

Es ist eine Tatsache, dass zahlreiche Filme und Serien – viele davon aus den Vereinigten Staaten – über Jahrzehnte hinweg im Kino und im Fernsehen Verschwörungstheorien thematisierten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen bereit sind, selbst abwegigste Narrative für bare Münze zu nehmen.

Was einst als fesselnde Fiktion auf der Leinwand flackerte – vom „JFK“-Attentat über „Die Unbestechlichen“ bis hin zu düsteren Visionen wie „Matrix“ oder „They Live“ – ist in vielen Köpfen längst zum inneren Dokumentarfilm geworden. Die Grenzen zwischen Dichtung und Wirklichkeit verschwimmen, wenn das Misstrauen gegenüber „den Mächtigen“ durch jede Szene geölt und geschärft wird.

Kino als Vorbereitung auf Misstrauen

Der Film war immer schon eine mächtige Form kollektiver Imagination. Er erzählt nicht nur Geschichten – er trainiert unsere Emotionen. Er lässt uns für eine Weile in einer Welt leben, in der der Präsident lügt, das Militär vertuscht, die Geheimdienste ohnehin und die Medien manipulieren und eine kleine, mutige Figur die Wahrheit ans Licht bringt. Immer wieder. Immer mit großem Pathos. Darin sind die Amis echt gut. Egal, wer da gerade regiert.

Das hinterlässt Spuren. Psychologisch gesehen ist unser Gehirn nicht besonders gut darin, zwischen Fiktion und Realität zu trennen, wenn die Geschichte gut erzählt ist. Das erleben wir in ganz neuen Dimensionen, wenn wir uns die Entwicklung und die Vereinnahmung von KI-Tools und ihren Möglichkeiten anschauen.

Und Hollywood versteht es meisterhaft, gewisse Urbilder zu bedienen: Gut gegen Böse, David gegen Goliath, Wahrheit gegen System. Je öfter wir diese Narrative konsumieren, desto stärker prägt sich die Idee ein, dass hinter der sichtbaren Welt noch etwas Unsichtbares lauert – und (womöglich), dass es unsere Aufgabe sei, es zu entlarven.

Die Psychologie der Verschwörung

Der Mensch liebt Ordnung. Er liebt Erklärungen. Und er verabscheut den Zufall – besonders dann, wenn er schmerzhaft oder ungerecht erscheint. Der plötzliche Tod eines Politikers, eine globale Pandemie, eine Häufung von Todesfällen nach Impfungen, der Zusammenbruch eines Bankensystems: All das schreit in uns nach einem Schuldigen, nach einem Plan.

Verschwörungstheorien bieten einfache Antworten in einer komplexen Welt. Das ist keine so neue Erkenntnis. Wir sollten diesen Selbstschutz mit unkontrolliertem Einfluss im Griff und Präsentation und Wirkung von Lügen im Internet längst durchschaut haben. Stattdessen wächst die Angst vor dem Einfluss von KI. Wirksame Methoden gegen Lug und Trug sind bekannt aber bislang unzureichend ausgeprägt. Ein Perpetuum Mobile unserer Zeit.

Wer glaubt, dass „die da oben“ alles steuern, der fühlt sich paradoxerweise weniger ohnmächtig als jemand, der anerkennen muss: Das Leben ist chaotisch. Ungerecht. Und manchmal einfach nur absurd.

Hinzu kommt etwas, das wir alle – bewusst oder unbewusst – ständig tun: Wir glauben lieber das, was zu unserer Meinung passt. Wenn dann ein Film läuft, der unser Misstrauen bestätigt und uns suggeriert, dass hinter allem eine geheime Wahrheit steckt, nicken wir innerlich zustimmend. Und irgendwann vielleicht sogar ganz offen.

Eine Kultur des Misstrauens

So wundert es nicht, dass wir heute in einer Gesellschaft leben, in der viele Menschen „den Medien“ nicht mehr glauben, aber jedem YouTube- oder TikTok-Video mit dramatischer Musik und einem finsteren Voiceover sofort Gehör schenken. Die Saat ist längst aufgegangen.

Die Filme waren dabei kein böswilliges Werkzeug – sie waren Spiegel, Seismograph und manchmal auch Ventil. Aber sie haben etwas freigesetzt, was sich schwer einfangen lässt: die Vorstellung, dass nichts ist, wie es scheint. Und dass jeder, der widerspricht, Teil des Spiels ist.

Was tun?

Vielleicht sollten wir anfangen, unsere Geschichten wieder differenzierter zu erzählen. Weniger Held, weniger Bösewicht. Mehr Zweifel, mehr Widerspruch – und ja, auch mehr Demut vor der Komplexität der Welt.

Denn nicht jede Wahrheit ist spektakulär. Und nicht jede Lüge kommt mit Sonnenbrille und schwarzen Limousinen.

Zwischen Reformwille und Realitätsverweigerung: Die Debatte um die Beamtenpensionen

Auch im heutigen Presseclub wurde Bas’ Vorschlag rasch als Versuchsballon abgekanzelt. Die CDU lehnt ihn rundweg ab – ohne jeden Ansatz, darüber überhaupt eine ergebnisoffene Debatte zu führen.

Dabei wäre genau das jetzt notwendig. Denn hinter dem Vorstoß steckt – unabhängig von seiner politischen Platzierung – ein Gedanke, der einen Nerv trifft: Müsste nicht endlich damit begonnen werden, die künftige Grundlage für ein solidarisches Rentensystem zu schaffen? Eine, die alle einbezieht – auch jene, die bislang durch Ausnahmen und Privilegien geschützt werden?

Christoph Ahlhaus, Vorsitzender des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft und CDU-Politiker, hält den Vorschlag von Bas dem Blatt zufolge für »populistischen Unfug«, der kein einziges Problem der Rente langfristig löse. »Selbstständige brauchen Entlastung, keine Zwangsmitgliedschaft in einer sturmreifen Staatsrente. Wirtschaftswende geht anders. Der Kanzler sollte das von Anfang an klarstellen«, fordert Ahlhaus.

Quelle

Natürlich, die heutigen Verpflichtungen, insbesondere die Pensionsansprüche von Beamtinnen und Beamten, sind gewaltig. Zum 1. Januar 2024 bezogen rund 1,4 Millionen ehemalige Staatsdiener ein Ruhegehalt – durchschnittlich 3.240 Euro brutto im Monat. Weitere 380.100 Hinterbliebene erhielten Versorgungsleistungen. Die Gesamtausgaben für Pensionen beliefen sich im Jahr 2023 auf 54,8 Milliarden Euro, hinzu kamen 8,6 Milliarden Euro für Hinterbliebenenversorgung – zusammen rund 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Quelle: destatis.de

Und es geht so weiter: Bis 2025 sollen die Pensionsausgaben auf 81 Milliarden Euro steigen – fast 24 % mehr als heute. Langfristig könnte die Marke von 100 Milliarden Euro überschritten werden. Ein großer Teil davon liegt auf den Schultern der Länder, die rund 70 % aller Beamten beschäftigen.

Wir wissen längst, dass die Rückstellungen dafür nicht annähernd ausreichen. Die gebildeten Reserven würden die jährlichen Versorgungsausgaben bestenfalls für ein Jahr decken. Nur fünf Bundesländer sind derzeit überhaupt in der Lage, die Kosten für ihre Pensionäre zu tragen. Alle anderen leben von der Hoffnung auf das Morgen – und auf Steuerzahler, die die Zeche weiter begleichen.

In dieser gigantischen Rechnung sind freilich die Freiberufler, die künftig ebenfalls in eine gemeinsame Rentenkasse einzahlen sollen, noch gar nicht enthalten. Mit ihrer Einbeziehung würde also nicht nur mehr Geld in das System fließen – es müssten auch immense Summen abgedeckt werden, die aus früheren Versäumnissen resultieren.

Sahra Wagenknecht wird von Medien wie Springer für ihre Haltung zur Rentenfrage derweil des Populismus geziehen. Sie fordert ein solidarisches Rentensystem, in das alle einzahlen – auch Beamte, Politiker, Selbstständige. Diese Forderung überrascht nicht, doch die Vorwürfe wiegen schwer: populär, aber wissenschaftlich eher dünn. Dabei hat sie promoviert – magna cum laude in Volkswirtschaftslehre. Man kann also getrost davon ausgehen, dass sie die wirtschaftlichen Implikationen kennt. Quelle u. a.: derwesten.de

Andererseits wird Bas’ Vorschlag von Verena Bentele, Präsidentin des VdK, ausdrücklich begrüßt. Sie lobte deren »mutigen Start ins Ministeramt« und betonte, es sei »aus der Zeit gefallen«, dass sich Beamtinnen, Beamte sowie Politikerinnen und Politiker der solidarischen Rentenversicherung entzogen.

Vielleicht ist es tatsächlich an der Zeit, dass ein Neuanfang gewagt wird. Man muss nicht warten, bis eine Kommission jahrelang berät, um kluge, zukunftsgewandte Vorschläge zu machen. Aber es ist erschütternd, wie unterschiedlich die Öffentlichkeit reagiert – und wie reflexhaft die politische Gegenseite blockiert.

Die CDU lässt erkennen, dass sie unter Reform immer noch zuerst Einschnitte bei den Schwächeren versteht – nie bei den Besitzständen der eigenen Klientel. Dass auch die Behandlung von Beamtenpensionen zur Disposition stehen sollte, wird schlicht ignoriert. Eine Haltung, die Tradition hat.

Ich hoffe, dass es so nicht weitergeht. Und ich hoffe auch, dass die von Friedrich Merz angekündigte »Agenda 2030« kommende Woche kein Deckmantel für weiteren Sozialabbau sein wird. Ich erwarte von dieser Bundesregierung, dass sie die Kraft findet, wirklich zu gestalten. Und ich nehme mir selbst vor, mit meiner Kritik nicht in den Chor der ewigen Empörung einzustimmen.

Denn wir haben doch »alle« gegen die Ampel gewettert und sollten uns fragen, welche Motivation dahintersteckt. Politikverdrossenheit mag angesichts so mancher Fehlleistung nachvollziehbar sein, sie hilft nicht bei dem, was wir eigentlich dringend brauchen: Optimismus und den Willen, dass es wieder besser wird.

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