Mit Abu Ghraib und Guantanamo ? fing alles an

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Ich erin­ne­re mich gut, wie die Nachrichten aus dem ira­ki­schen Gefängnis in Abu Ghraib uns geschockt haben. Das war im Mai 2004. Mancher hat sich sich viel­leicht damit «beru­higt», dass sich die USA im Krieg befanden. Es ging nicht um Verbrechen des Sadam Hussein – Regimes, die uns offen­bart wur­den, son­dern um Gräueltaten, die von…

Ich erin­ne­re mich gut, wie die Nachrichten aus dem ira­ki­schen Gefängnis in Abu Ghraib uns geschockt haben. Das war im Mai 2004. Mancher hat sich sich viel­leicht damit «beru­higt», dass sich die USA im Krieg befanden.

Es ging nicht um Verbrechen des Sadam Hussein – Regimes, die uns offen­bart wur­den, son­dern um Gräueltaten, die von Amerikanern ver­übt wurden.

Wir muss­ten ler­nen und ver­kraf­ten mit die­sen unmensch­li­chen Praktiken der Amerikaner klar­zu­kom­men, sie ein Stück weit sogar zu akzep­tie­ren. Der Kampf gegen den Terror war Entschuldigung und Motivation zugleich. Und schließ­lich waren es Muslime, die «ange­fan­gen» hatten.

Brutale, unvor­stell­bar grau­sa­me Vergehen gegen Menschen, lie­ßen unse­re bis dahin in Stein gemei­ßel­ten Gewissheiten in den Hintergrund tre­ten. Die Medien zeig­ten uns Dinge, die vie­le mit Abscheu und Ekel erfüllten.

Die Würde des Menschen ist unan­tast­bar. Sie zu ach­ten und zu schüt­zen ist Verpflichtung aller staat­li­chen Gewalt. § 1 Grundgesetz – Bundesrepublik Deutschland.

Zuerst hät­ten wir das kaum für mög­lich gehal­ten, aber nach und nach schenk­ten wir dem Geschwätz von Politikern Glauben, wenn sie von der Effektivität des Waterboardings und ande­ren Foltermethoden ame­ri­ka­ni­scher «Kriegsführung» schwärm­ten. Wahrscheinlich haben uns die dama­li­gen Bilder der Gräueltaten eben­so schnell abstump­fen las­sen wie die aktu­el­len Bilder von ertrun­ke­nen Flüchtlingen im Mittelmeer.

Allerdings haben die­se «Erfahrungen» den Glauben vie­ler an die eins­ti­ge Führungsmacht USA erschüttert.

Unter Präsident Obama wur­de das men­schen­rechts­wid­ri­ge Vorgehen gegen alle Kombattanten des isla­mis­ti­schen Terrors, die der Öffentlichkeit als Terroristen «ver­kauft» wur­den, viel­leicht redu­ziert; ein­ge­stellt wur­den sie nie. Die Toten, die die Amerikaner unter Obamas Regierung mit dem aus­ge­bau­ten Einsatz von Drohnen zu ver­ant­wor­ten haben, waren nicht nur Terroristen. Wie groß die Wirkung der Verbrechen (Kollateralschäden) im Hinblick auf die Rekrutierung neu­er Terroristen gewe­sen sein mag, weiß keiner.

Ich glau­be, Jürgen Todenhöfer hat mal geschrie­ben, dass die Zahl neu­er isla­mis­ti­scher Terroristen seit 2001 auf meh­re­re Zehntausend ange­wach­sen ist. Angesichts der vie­len Zivilisten, die in den von der west­li­chen Koalition bom­bar­dier­ten Regionen getö­tet wur­den, klingt das plausibel.

Die Attentate, die all die­se bru­ta­len Veränderungen im Denken und Handeln west­li­cher Regierungen (Lügen aus­drück­lich inbe­grif­fen!) aus­ge­löst haben, lie­gen vie­le Jahre zurück.

Der «Krieg gegen den Terror» hat, wie jeder sehen kann, so vie­le neue Terroristen kre­iert, dass der Dümmste kapiert haben soll­te, dass die­se Art von Kriegsführung (Auge um Auge, Zahn um Zahn) nicht nur archa­isch son­dern kurz­sich­tig und dumm ist. Die Menschen ver­ste­hen nicht, dass Gewalt immer nur zu neu­er Gewalt führt. Die Situation im Nahen Osten ist dafür ein schla­gen­der Beweis.

Im Westen wun­dern wir uns dar­über, wie sehr Hass und Verachtung der Muslime gewach­sen sind und wie leicht es ihren so genann­ten «geis­ti­gen Führern» fällt, «Rekruten» für mör­de­ri­sche Anschläge auf Ungläubige zu finden.

Dass die­se sich auch unter Flüchtlingen befin­den, die seit 2015 nach Europa migriert sind, ist auf­grund der Entwicklung der letz­ten Jahrzehnte weni­ger auf die offe­nen Grenzen zurück­zu­füh­ren, son­dern selbst­ver­ständ­lich. Der Terror hat sei­ne Gesetze, er lässt nicht von Grenzen nicht aufhalten.

Aber die Rechten tun halt lie­ber so, als hät­ten die Terroranschläge mit Merkels Verhalten im Sommer 2015 zu tun.

Ich sehe förm­lich, wie ange­sichts eines sol­chen Textes Wut bei man­chen LeserInnen auf­steigt. Er wird, was sonst, so aus­ge­legt, als sol­le man Verständnis für die Täter haben. Das ist mit­nich­ten der Fall. Aber egal.

Es geht mir nicht dar­um, die Schuld der Islamisten für ihre Mordtaten und Verbrechen zu rela­ti­vie­ren, son­dern den erneu­ten Versuch zu unter­neh­men, den Ursachen für die welt­wei­te Zunahme von isla­mi­schen Anschlägen nach dem 11. September 2001 ein Stück näher zu kom­men und mit­hil­fe mög­li­cher Erkenntnisse die Lage nicht noch wei­ter zu ver­schlim­mern. Ich weiß, das ist nicht ori­gi­nell aber nichts­des­to­we­ni­ger drin­gend geboten.


Wir leben in Deutschland mit 4 bis 5 Millionen Muslimen zusam­men. Ich habe hier schon oft danach gefragt, wie die­se Menschen sich ange­sichts der eska­lie­ren­den Lage wohl füh­len mögen. Bei der gro­ßen Gruppe der Türken anti­zi­pie­ren wir, wie sie über uns, ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger den­ken, frei­lich ohne es so genau zu wis­sen. Ein gutes Gefühl ist das nicht. Aber wie ver­hält es umgekehrt?

Unabhängig davon, was man von Präsident Erdogan hal­ten mag, neu­tral ver­hält sich die Masse der Deutschen in die­ser Frage nicht. Das kann man an ver­schie­dens­ten Umfragen zum Verhältnis zwi­schen Türken und Deutschen leicht able­sen. Ich bin sicher, dass die gegen­sei­ti­gen Vorbehalte viel län­ger bestehen als die Verschlechterung der offi­zi­el­len Beziehungen es ver­mu­ten lässt. Nur so ist zu erklä­ren, wie vul­gär und hass­erfüllt man­che der offen­ge­leg­ten Dialoge zwi­schen Deutschen und Türken geführt wer­den – wenn sie über­haupt statt­fin­den. Das ist eine dau­er­haf­te Belastung für unser Land, über deren Folgen sich die meis­ten (auch in der Politik) noch gar nicht klar sind.


Wenn eine Regierung so etwas wie den «Patriots Act» inklu­si­ve einer ganz neu­en Definition von Ausstattung und Vollmacht irgend­wel­cher Sicherheitsbehörden gegen­über allen BürgerInnen eta­blie­ren kann, dann sind die­se «Veränderungen» genau­so in Deutschland oder Europa denkbar.

Artikel 104 unse­res Grundgesetzes, Absatz 1, Satz 2 sagt fol­gen­des: «Festgehaltene Personen dür­fen weder see­lisch noch kör­per­lich miss­han­delt wer­den.» Die Frage, ob das nur auf deut­schem Boden gilt, wur­de durch den Fall Murat Kurnaz beantwortet.

Abgesehen davon hat unse­re Regierung die Maßnahmen der USA-Amerikaner unter­stützt. § 1 unse­res Grundgesetzes gilt also nicht für alle Menschen?!

Allzu vie­le Grundgesetzänderungen hat es in der Geschichte der Bundesrepublik nicht gege­ben. So um die 60 sind es gewe­sen. Aber es gab immer Zeiten, in denen die Politik vor Änderungen nicht zurück­ge­schreckt ist. Ich erin­ne­re mich an die Änderung des Asylrechts Anfang der 90er Jahre. Dieser kam in einer Lage zustan­de, die bei wei­tem nicht so bri­sant war wie 2015.


Meine Sorge ist, dass die ter­ro­ris­ti­schen Angriffe von mus­li­mi­schen Extremisten zu Reaktionen füh­ren könn­ten, die sich an den Verhältnissen in den Vereinigten Staaten orientieren.

Die Einschränkungen bei den Bürgerrechten wür­den in einem sol­chen Szenarium im Vergleich, so schät­ze ich den «deut­schen Michel» ein, rela­tiv klag­los hin­ge­nom­men wer­den. Wie aber wür­de sich das Zusammenleben mit Muslimen in einem sol­chen Fall darstellen?

Schon jetzt spürt man bei vie­len Diskussionen die gegen­sei­ti­gen Vorbehalte deut­lich. Wer oder was wäre über­haupt in der Lage, die­se Entwicklung zu deeskalieren? 

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