Armes Deutschland?

Vom Aus­land wird die Poli­tik unse­rer Regie­rung gelobt, von man­chen inlän­di­schen Jour­na­lis­ten gemobbt. Beson­ders her­vor tun sind dabei die deut­schen Jour­na­lis­ten, die für die NZZ schrei­ben. Aus der Schweiz tun sie sich viel­leicht leich­ter, das eige­ne Nest zu beschmut­zen. Oder stimmt es, dass ihre Arti­kel hier nicht ver­öf­fent­licht werden?

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Wenn es um die Kri­tik an der deut­schen Regie­rung oder dem lin­ken Main­stream-Wahn­sinn im All­ge­mei­nen geht, benut­zen rech­te Schrei­ber auch gern mal Wahr­hei­ten, die über­haupt nicht mehr neu und die eigent­lich sogar lin­ke The­men sind. 

So echauf­fiert sich Wolf­gang Bok in sei­nem Gast­bei­trag für die NZZ dar­über, dass sich in Deutsch­land erst mit der Coro­na­kri­se offen­ba­ren wür­de, wie es um den ver­meint­li­chen Wohl­stand im Land bestellt ist. Er ent­larvt damit auch das dum­me Wahl­kampf­mot­to „Deutsch­land geht es gut“ als Lüge. So eine Über­ra­schung! Die­se „Unge­heu­er­lich­keit“ schiebt er qua­si schrift­lich via NZZ-Arti­kel rüber nach Deutsch­land. Abge­fah­ren – nicht? Dafür muss man die NZZ kau­fen, um das zu erfah­ren. Nee, falsch!, muss man nicht, denn der Arti­kel steckt (im Moment) noch nicht hin­ter einer Paywall.

Und dabei hat­te ich eben erst (woan­ders natür­lich) gele­sen, wie toll Deutsch­land ist und wel­che Vor­zü­ge unser angeb­lich doch so schlech­tes Gesund­heits­sys­tem und (ja – man fasst es kaum), sogar unse­re Mer­kel-Regie­rung) gegen­über den Ange­bo­ten in ande­ren Län­dern zu bie­ten hat. In der NZZ ist zu lesen, wie sich aus die­ser Kri­se her­aus ein armes Land entpuppt. 

Bis­her, sug­ge­riert Bok, woll­te kei­ner wis­sen, dass die Bevöl­ke­rung in Deutsch­land im Ver­gleich zu ande­ren euro­päi­schen Län­dern (im Süd und Osten) sozu­sa­gen ohne not­wen­di­ge Reser­ven in der Kri­se dasteht. Bok führt die seit Jahr­zehn­ten schlech­te Eigen­tü­mer­quo­te Deutsch­lands als Beweis an. Letzt­lich macht er das, um damit Stim­mung gegen die Coro­na-Bonds und die EU zu machen.

Endlich sagt das mal einer

All­ge­mein Bekann­tes, wie bei­spiels­wei­se die Tat­sa­che, wer wirk­lich vom wirt­schaft­li­chen Auf­schwung Deutsch­lands pro­fi­tiert hat, wird zum schar­fen Argu­ment gegen die gesam­te Poli­tik der Bun­des­re­gie­rung: Deutsch­land ist nicht das Land, das ande­re in uns sehen, Deutsch­land ist ein armes Land und jetzt sieht es end­lich auch jeder, so sieht das jeden­falls der Jour­na­list Wolf­gang Bok.

Link: Arno Orz­es­sek – Die NZZ und die Mainstream-Phobie

Bok, ein Natio­nal-Kon­ser­va­ti­ver, der für Cice­ro und Tichys Ein­blick erklärt dem Publi­kum der schwei­ze­ri­schen NZZ, dass „der Deut­sche“ erst in der Coro­na-Kri­se tat­säch­lich kapiert, dass der all­ge­mei­ne Wohl­stand nur eine Fik­ti­on sei, ein Pro­dukt der Regierungspropaganda. 

Er tut so, als wüss­ten die Men­schen und vor allem die Aber­tau­sen­den von Nied­rig­löh­nern im Land nicht längst, was in die­sem Land falsch läuft und was es heißt, wenn behaup­tet wird: Deutsch­land geht es gut.

Neben­bei wie­der­ho­le ich gern mei­ne bei­na­he schon unver­meid­li­che Fra­ge: War­um schreibt Bok sei­nen Text nicht für eine deut­sche Zei­tung, son­dern in Maa­ßens „West­fern­se­hen“?
Leu­te wie er schrei­ben wohl auch des­halb gern für die NZZ, weil sie damit nicht nur einen Kon­tra­punkt zum deut­schen Main­stream set­zen kön­nen, son­dern auch, um Deutsch­land einen Tritt in die Eier zu ver­pas­sen. Ich emp­fin­de sol­che Tex­te als vor­lau­tes und unge­rech­tes Geplär­re zu Las­ten Deutschlands.

Armes Land, arme Journalisten

Oder er sagt viel­leicht, dass Deut­sche Medi­en an sei­nem Text kein Inter­es­se gehabt haben? Ich wür­de klat­schen, wenn es so wäre.

Eine Wahr­heit ist jeden­falls, dass das Kal­kül der Chef­re­dak­ti­on der NZZ auf­geht. Es ist näm­lich nicht nur so, dass ers­tens vie­le Schwei­zer es gern lesen, wenn Deut­sche sich an Deutsch­land abar­bei­ten. Dabei fin­de ich es ganz inter­es­sant, dass die schwei­ze­ri­sche in vie­len Details der deut­schen Poli­tik sehr ähn­lich ist. Dar­an ändert auch die star­ke Prä­senz der SVP und ihrer Pro­pa­gan­dis­ten nichts. Die Gesell­schaft ist anders aber nicht so grund­le­gend, wie man­che es gern aus­se­hen las­sen möchten. 

Das ist eine die­ser simp­len Wahr­hei­ten – von der bestimmt die Wenigs­ten bis­her etwas gehört oder mit­ge­kriegt haben dürf­ten [/​IRONIE OFF]

Was der SPD-Poli­ti­ker ver­schweigt: Die «schwar­ze Null» wur­de auf Kos­ten der Bür­ger erreicht. Ers­tens, weil die Null­zins­po­li­tik die Schul­den­last von Bund, Län­dern und Gemein­den stark gedrückt hat, der­weil der klei­ne Spa­rer ins­ge­heim ent­eig­net wurde.

Coro­na­vi­rus: Die Deut­schen erwa­chen aus der Wohl­stands- Illusion

Linke Positionen von rechts-nationaler Seite

Bok hat also erkannt, dass es mit dem Wohl­stand in Deutsch­land nicht so weit her ist und dass vie­le Solo-Selb­stän­di­ge und Klein­un­ter­neh­mer nicht gut durch die Kri­se kom­men. Auch nicht mit­hil­fe einer nur vor­geb­lich „unend­li­chen Liquidität“. 

Boks nega­ti­ve Dar­stel­lung der Euro­päi­schen Uni­on ist auch nicht neu. Sie kom­bi­niert aber in sei­nem Arti­kel für die NZZ ganz wun­der­bar mit der eines ver­mut­lich nicht gera­de klei­nen Teils der Schwei­zer. Die Pro­gram­ma­tik der SVP passt dazu bestens.

Boks Arti­kel liest sich in Tei­len fast wie ein Plä­doy­er für eine gerech­te­re lin­ke Poli­tik. Zu vie­le Men­schen in Deutsch­land sind arm und ver­fü­gen nicht über finan­zi­el­le Reserven. 

Die schlech­te Poli­tik der Bun­des­re­gie­run­gen hat nach Bok bewirkt, dass die Deut­schen im Ver­gleich zu ande­ren, vor allem süd­li­chen EU-Län­dern, weni­ger Eigen­tum gebil­det haben und das der Bil­lig­lohn­be­reich so gewach­sen ist. Was für eine Erkennt­nis für einen kon­ser­va­ti­ven Jour­na­lis­ten! Kennt er unse­re Geschich­te so wenig?

Rechte Gesinnung vs. internationale Zusammenarbeit

Dass der Mann ein Pro­blem mit der EU hat, ist anhand sei­ner rech­ten Gesin­nung eben­so unver­meid­lich wie unüber­seh­bar. Er ist ein Natio­na­list, der auch nicht auf Fach­leu­te wie Prof. Hüt­her vom IW in Köln hören wür­de, weil dies sein natio­nal­kon­ser­va­ti­ves Welt­bild nicht zulässt. In der Schweiz gibt es vie­le die mit der EU nichts am Hut haben und die deutsch­na­tio­na­len Stamm­le­ser der NZZ wer­den die Sicht­wei­se Boks wohl ganz töf­te finden. 

Dabei hat er nicht eine Neu­ig­keit ver­kün­det, son­dern nur Alt­be­kann­tes wie­der­ge­käut. Alt­be­kann­tes, das in unse­rem Land immer wie­der dis­ku­tiert wird. Für sowas muss man sich nicht als Schreibs­öld­ner im Aus­land verdingen.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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2 Gedanken zu „Armes Deutschland?“

  1. Gerhard 246 17. April 2020 um 12:47

    Ja, fei­ner Artikel.

    Wenn ich mir einen Arti­kel anse­he, des­sen Autor ich nicht ken­ne, muss ich und das ist mei­ne Pflicht neu­er­dings, ihn zumin­dest etwas zu ver­or­ten suchen.
    Manch­mal stel­le ich bei mei­ner Recher­che fest: Den Arti­kel selbst WILL ich schon gar­nicht mehr lesen.
    Was mich an man­chen neu­en Medi­en, die jetzt unnö­tig wie Pil­ze aus dem Boden zu schies­sen schei­nen, ver­wun­dert, ist, daß sie man­che Schrei­ber bei sich unter­kom­men las­sen, wo doch vor­her all­seits ange­se­he­ne Schrei­ber schrie­ben – oder seh ich das falsch?

    Aber viel­leicht ist das alles Poli­tik. Man lockt zunächst mit Grös­sen der Sze­ne und streut dann all­mäh­lich ande­re ein.

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