Till Lindemann und Rammstein sagen mir fast nichts. Nicht meine Musik! Ich kenne das eine oder andere Stück. Gefallen hat mir nichts davon. Die abstoßende Anmutung der Rammstein-Auftritte entlarven mich auch auf diesem Feld als konservativ. Ich mag es harmonisch. Smooth Jazz, Jazz überhaupt, wenn es kein Free Jazz ist.
Das mal vorab als kurze Standortbestimmung.
Obwohl ich keine Sympathie für Rammstein oder Lindemann habe, empfinde ich auf der anderen Seite Ekel gegen all die, die erneut, eine regelrechte, nur nicht regelkonforme, Hexenjagd ausgelöst haben. Lindemann als Kaspar Hauser. Wehe dem, der anders ist! Seine Outfits, sein Erscheinungsbild bieten sich für eine erfolgreiche Kampagne an.
Die armen Journalisten, vor allem natürlich die Journalistinnen, die sich mit solchen Enthüllungen herumzuschlagen haben, stöhnen, dass sie nicht genug Reddit gelesen hätten. Deshalb sind ihnen die angeblich seit Jahren bekannten obskuren Rekrutierungsmodelle Lindemanns und seiner Leute entgangen. Seine Helfershelfer haben sich, so die nahegelegte Schlussfolgerung, aus einem Pool geneigter Frauen bedient? Und die Musikjournalist/innen standen daneben, geblendet vom Erfolg und Charisma des großen Meisters? Was machen die uns weis?
Ich will mich damit eigentlich gar nicht befassen, fühle mich allerdings durch diesen Fall wieder an die Art und Weise erinnert, in der Rapper (auch eine Musik, die ich nicht mag!) ihr Frauen- und Menschenbild hinausschreien. Auch sie werden dafür nicht etwa kritisiert, sondern eher wird ihnen gehuldigt und es werden -was sonst in dieser Branche?- Preise vergeben. Gilt das auch für männliche Filmstars oder Sportler und andere prominente Männer (oh, Shit. Es gab/gibt doch MeToo, Horst!)?
Ist es die Aufgabe der Öffentlichkeit mithilfe der Presse, Menschen zu jagen, ohne dass es Gerichtsurteile oder Beweise für deren Vergehen gibt?
Vermutlich werden die allermeisten diese Frage mit NEIN beantworten. Trotzdem werden immer wieder Hexenjagden auf Menschen eröffnet, die moralisch sehr verwerfliche Dinge getan haben bzw. getan haben sollen.
Nicht missverstehen. Wenn es zu Nötigungen, Missbrauch oder zu Vergewaltigungen gekommen sein sollte, sind das Verbrechen, die von der Justiz geahndet werden müssen.
Menschen sollten jedoch nicht mit den widerwärtigen Methoden irgendwelcher Aktivistinnen und Pressefritzen gejagt werden. So wie wir dies vor allem von “BILD” oder anderen Boulevardblättern seit langen Jahren kennen. Menschen werden ins Unglück getrieben, und zwar ohne, dass ihre Schuld bewiesen wäre.
Keiner will Vorverurteilungen – jedenfalls nicht, wenn sie oder er einmal darüber nachgedacht haben. Warum passiert es trotzdem immer wieder?
Wenn ich die Artikel über Lindemann sehe und die Fotos der Artikelaufmacher, bekomme ich jedes Mal Magengrimmen. Ich räume ein: Lindemann ist ja selbst für sein Image verantwortlich. Warum sollten die Presseheinis also nicht Fotos seiner provokante Kostümierung den zivilisierteren Ausführungen vorziehen? Der Grund liegt allerdings auf der Hand. Er entlarvt den ekelhaften Teil der schlechten Absichten von Medienverantwortlichen über die Grenzen von Sendern und Redaktionen hinaus.
Ob ich mich nun darüber aufrege oder nicht, ändern wird sich am Verhalten der Medien nichts. Außer natürlich, dass die Zahl derjenigen, die skrupellos agieren, weiter steigt. Nur wird das die Arbeitsplätze, eure Arbeitsplätze!, auch nicht retten.
Aber das ist ein anderes Thema. Im Übrigen sage ich mal: Katharina Blum lässt grüßen.