Grabmale
Grabmale (c) Horst Schulte

Die Kosten des Abschieds: Ein Blick auf Bestattungskultur und Friedhofspflege

Dieser Artikel beleuch­tet die oft trau­ri­ge Realität von Gräbern ohne Pflege und Besuch. Er geht dar­auf ein, wie Gemeinden mit Bestattungen umge­hen, wenn kei­ne Angehörigen vor­han­den sind, und wel­che emo­tio­na­len Herausforderungen dies mit sich bringt.

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»Nichts im Leben ist umsonst, nur der Tod – und der kos­tet das Leben.« Diesen Spruch ken­nen immer noch vie­le, nur stim­men tut er längst nicht mehr. Das Bonmot soll aus dem 19. Jahrhundert stam­men. Ob er denn je zutref­fend gewe­sen ist?

Wenn Angehörige ster­ben und wir uns, trotz allem Kummer, um die Bestattung küm­mern müs­sen, ste­hen uns heut­zu­ta­ge Bestattungsunternehmen zur Seite. Nach eige­nen Erfahrungen machen die­se Menschen das sehr pro­fes­sio­nell und oft mit gro­ßer Hingabe. Es gehen mit dem Abschied gewöhn­lich hohe Kosten ein­her. Das weiß jeder und vie­le Menschen legen des­halb für ihre eige­ne Beerdigung Geld zurück. Das zählt wohl zu dem, was man als älte­rer Mensch „zu regeln“ hat. 

Sollten kei­ne Angehörigen vor­han­den sein, die die­se Kosten über­neh­men, küm­mert sich die Gemeinde um die Bestattung die­ser Menschen. Ich den­ke, dass das kon­kre­te Verfahren, vor allem, wenn man den Betroffenen kann­te, nicht nur posi­ti­ve Gefühl weckt. Wir hat­ten in unse­rem Bekanntenkreis kürz­lich einen sol­chen Fall. 

Geht man nach einer Weile auf den Friedhof (sofern der Mensch über­haupt auf einem beer­digt wur­de, denn heut­zu­ta­ge gibt es schließ­lich alle mög­li­chen Alternativen), erkennt man die Einsamkeit die­ses Menschen womög­lich an der voll­kom­men abwe­sen­den Grabpflege wie­der. Solche Gräber wir­ken trau­rig, ver­las­sen. Dass das auf Friedhöfen auch unter ande­ren Umständen oft der Fall ist, ist lei­der wahr.

Ich erin­ne­re mich, dass wir als Kinder mit den Eltern und Geschwistern mei­ner Mutter und deren Familien jedes Jahr an Allerheiligen auf unse­ren gro­ßen städ­ti­schen Friedhof gin­gen, um dort die Gräber der Familien zu besu­chen. Das Ritual war für uns Kinder mit­un­ter ein läs­ti­ges. Aber wir fügen uns. Ich trug, weil es an die­sem Tag häu­fig schon ziem­lich kalt war, eine mir von mei­ner Mutter ver­ord­ne­te Kappe mit Ohrschützern. Ich hass­te die­ses Teil. Mit Hüten, Mützen und der­glei­chen habe ich es bis heu­te nicht. Manchmal war ich aller­dings froh, sie auf dem Kopf zu haben, was ich nie zuge­ge­ben hätte.

Als die­ser wirk­lich schö­ne Friedhof dem Braunkohletagebau wei­chen muss­te, hat­te mein Vater als Leiter der Gartenkolonne der Stadt die Aufgabe, mit sei­nen Leuten die Toten von einem zu einem ande­ren, neu­en Friedhof umzu­bet­ten. Aus die­sem Anlass wur­den die Gebeine der Verwandten mei­ner Eltern in ein Grab gelegt. Ich weiß nicht, ob die Kosten für die­se Verlegung so vie­ler Gräber, also dem gesam­ten Friedhof, damals von der Stadt getra­gen wur­den oder ob sich Rheinbraun betei­ligt hat. Es gab auf dem neu­en Friedhof also nur noch ein Familiengrab für bei­de Familien. 

Ich weiß nicht mehr, wie hoch die Kosten für ein Grab damals waren. Heute wäh­len vie­le Menschen eine Urnenbestattung. Die Gräber sind kos­ten­güns­ti­ger als Sarggräber. Überdies gibt es eine ziem­lich gro­ße Auswahl an Bestattungsmöglichkeiten. Die Grabstätte wird (hier) für 25 Jahre gemie­tet. Solange dau­ert die soge­nann­te Ruhezeit. Man kann auch frü­her einen Antrag auf „Einebnung“ stel­len.

Mir fällt schon seit Jahren auf, dass die so frei­ge­ge­be­nen Grabplätze nicht mehr genutzt wer­den. Viele Stellen auf den diver­sen Friedhöfen (natür­lich auch außer­halb mei­ner Heimatstadt) blei­ben leer. Man könn­te die­se Beobachtung leicht fehl­in­ter­pre­tie­ren. Sterben weni­ger Leute? Natürlich liegt das an den vie­len ver­schie­de­nen Möglichkeiten, Menschen zu beer­di­gen. Viele wäh­len die deut­lich klei­ne­ren Urnengräber oder ande­re Möglichkeiten. Die Grabplätze lie­gen in Stelen, in Friedwäldern, in anony­men Gräbern etc. 

Es gibt Kulturen, in denen die Gräber ewig bestehen blei­ben. Im Judentum ist das so. Man wird dar­über unter­schied­lich den­ken, den meis­ten wird das egal sein, den­ke ich. Ich hal­te es für gut, wenn man einen Platz hat, an dem man Angehörige besu­chen kann. 

Das zu Beginn erwähn­te Familiengrab gibt es längst nicht mehr, die Grabstätten mei­nes Schwiegervaters und mei­nes Onkels (sie star­ben 1985 und 1986) eben­falls nicht. Wenn wir heu­te die jewei­li­gen Friedhöfe besu­chen, wis­sen wir, wo die Gräber einst waren. Es sind heu­te lee­re Grasflächen. Das Gras wuchert, die Friedhofspflege ist aber ein ande­res Thema. Auch dafür haben die Städte weder Finanzmittel noch Personal. 

Gestern kam ich auf einem Friedhof an einer etwas abseits gele­ge­nen Stelle vor­bei. Dabei ist das Beitragsfoto ent­stan­den. Ich emp­fand das als ein trau­ri­ges Bild. Und das, obwohl ich schon auf dem Friedhof war.


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