Western im Wandel: Von der klassischen Heldenverehrung zu brutaler Realität

Eine kur­ze Kri­tik der Serie „Yel­low­stone“, ihrer kom­ple­xen Cha­rak­te­re und der ambi­va­len­ten Dar­stel­lung von Gewalt und Männ­lich­keit. Der Arti­kel dis­ku­tiert, war­um die Serie trotz oder gera­de wegen ihrer pro­ble­ma­ti­schen Ele­men­te fesselt.

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Ver­mut­lich habe ich kei­ne Bonan­za-Fol­ge ver­passt. Ich war noch ein Jugend­li­cher und befand mich mit mei­nem Vater in einem fast ste­ti­gen Kampf um die Hoheit über das TV-Gerät. Am Sonn­tag­abend war er meis­tens ein­sich­tig. Wohl auch, weil er mein Geze­ter leid war. Die Kon­kur­renz lief im ZDF und nann­te sich, glau­be ich, Sport­re­por­ta­ge oder so ähn­lich. Er ver­säum­te sie zu mei­nen Guns­ten. Die Sen­de­zei­ten über­schnit­ten sich.

Er war ziem­lich kri­tisch mit dem ame­ri­ka­ni­schen Mist, wie er die dama­li­gen Seri­en gern her­un­ter­mach­te. Aber lag er damit falsch? Ich war nicht sei­ner Mei­nung. Heu­te wür­de ich das anders sehen, ver­mu­te ich. 

Gegen­wär­tig sehe ich „Yel­low­stone“. Die bei­den Pre­quels hat­te ich – auch schon mit etwas Ver­zö­ge­rung – geschaut. Letzt­lich waren sie der Grund, dass ich auch bei „Yel­low­stone“ mal hin­ein­ge­se­hen habe. Als Wes­tern gehen die­se Geschich­ten bei mir durch. Ich mei­ne, wenn die in der „rich­ti­gen“ Zeit spie­len, kom­me ich damit klar. Auch, wenn ich nicht unbe­dingt ein gro­ßer Wes­tern-Fan bin. „Yel­low­stone“ spielt im Hier und Jetzt und hat in mei­nen Augen einen Hang zum Reak­tio­nä­ren. Ande­rer­seits ist die Serie span­nend und gut besetzt. Die Cha­rak­te­re sind inter­es­sant, weil viel­schich­tig, die Geschich­te lei­det für mei­ne Begrif­fe aber unter dem schwer zu ertra­gen­den, Wes­tern-typi­schen Pathos. 

Allein schon der gera­de­zu selbst­ver­ständ­lich gepfleg­te Männ­lich­keits­wahn geht mir auf die Ner­ven. Dar­an ändert auch nicht, dass es ein paar Frau­en (Cow­girls) im Plot gibt, die die Jungs ganz schön aufmischen. 

Dass in die­ser Serie gemor­det wird als gehör­ten Mor­de zum Life­style moder­ner Ran­ches in Mon­ta­na und Schlä­ge­rei­en in aller Bru­ta­li­tät gezeigt wer­den, die fried­lie­ben­de Men­schen wie mir auf den Magen schla­gen, gehört zu den „Beson­der­hei­ten“ der Serie. In der zwei­ten Serie war die Abfol­ge gran­dio­ser Grau­sam­keit und Bru­ta­li­tät viel­leicht der Grund­stein auch für ihren gro­ßen Erfolg hier bei uns. 

Jetzt weiß ich, wes­halb die Ame­ri­ka­ner ihre Waf­fen benö­ti­gen. Die Aggres­si­vi­tät der Men­schen auf dem Land scheint der in den US-Groß­städ­ten ins Nichts nachzustehen. 

Anfangs ist es gewöh­nungs­be­dürf­tig, die vie­len Pfer­de, das Tes­to­ste­ron, die schä­bi­gen Bars, in denen sich jeden Abend die Bier­fla­schen über den Kopf gezo­gen wer­den. Ande­rer­seits erfri­schend, ein schö­ner Kon­trast zu den vie­len Anwäl­ten, Busi­ness-Typen, Emi­lys in Paris und Car­rie Brad­shaws, die sonst so über die Seri­en­lein­wand spa­zie­ren. Die Macher*innen gel­ten eher als Demo­kra­ten, auch Kevin Cos­t­ner ist ein Trump-Geg­ner. Und „Yel­low­stone“ ist span­nend geschrie­ben, bie­tet Cha­rak­ter­tie­fe, wie man sie sonst nur in „Game Of Thro­nes“ oder „Suc­ces­si­on“ bekommt. Die Grau­tö­ne ste­hen im Vor­der­grund.

Quel­le

Die Serie dürf­te auf die Tei­le unse­rer woken Gesell­schaft befremd­lich wir­ken. Wenn selbst eher unkri­ti­sche TV-Kon­su­men­ten wie ich zumin­dest zeit­wei­se Pro­ble­me mit den Inhal­ten haben, ist das nicht wei­ter ver­wun­der­lich. Aber in der Kri­tik des BR wird nicht zu Unrecht auf die dif­fe­ren­zier­ten Bil­der hin­ge­wie­sen, die in der Serie vor­kom­men. Inwie­weit die Serie ins­be­son­de­re bei Rechts­kon­ser­va­ti­ven beson­ders beliebt wäre, kann ich nicht beur­tei­len. Der Autor von BR ver­wirft die­se Kri­tik deut­lich: „Das ist Unsinn.“

Mir hat die Serie bis­her nicht gehol­fen, mehr Ver­ständ­nis für die­sen Teil der ame­ri­ka­ni­schen Lebens­wei­se zu ent­wi­ckeln. Eher ist das Gegen­teil der Fall. Mei­ne Vor­ur­tei­le gegen eine Kul­tur vol­ler Gewalt und Aggres­si­on fin­de ich in die­sem Mikro­kos­mos des Ran­cher­le­bens bestä­tigt. Da kann man nur hof­fen, dass Mord und Tot­schlag dort nicht so nor­mal und ver­brei­tet ist, wie die­se Serie uns auf­tischt. Ande­rer­seits dürf­te man mit die­sem Kri­tik­an­satz ja über­haupt kei­ne Thril­ler- oder Kri­mi­se­rie mehr anschauen. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Gewalt Trump

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4 Gedanken zu „Western im Wandel: Von der klassischen Heldenverehrung zu brutaler Realität“

  1. Ab 1962 lief Bonan­za 13 Fol­gen lang im Ers­ten, wur­de dann wegen zu gro­ßer Bru­ta­li­tät (so hieß es sei­ner­zeit) abge­setzt. Ab 1967 lief sie mit über 400 Fol­gen im ZDF. Damals hat­te man dann doch noch sehr anhei­meln­de, gera­de­zu bie­der­mei­er­li­che Vor­stel­lun­gen davon, was Gewalt ist… Ich durf­te das sehen, wie auch etwas spä­ter dann „Die Leu­te von der Shi­loh Ranch“ und „Rau­chen­de Colts“. In bei­den Seri­en hat es deut­lich mehr „geraucht“ und mehr Fäus­te sind geflo­gen als in Bonanza.

  2. Ich habe die Serie auch gese­hen. Ich den­ke, es muss nicht alles inter­pre­tiert und ana­ly­siert wer­den, die Serie ist gut gemacht, span­nend, so eine Mischung zwi­schen Dal­las und Sons of Anarchy. 

    Beson­ders gut hat mir Kel­ly Reil­ly in der Rol­le der Beth Dut­ton gefal­len. Ein Biest wie es im Buche steht 🙂 Und – ein wenig Ver­ständ­nis konn­te ich für die Vor­stel­lun­gen der Cow­boys auf­grund der wirk­lich schö­nen Land­schafts­bil­der tat­säch­lich aufbringen.

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