Messer, Medien, Machiavelli – Wie mit Angst Politik gemacht wird

Ein kritischer Kommentar zum Netzpolitik-Interview mit Bärbel Frischmann über Angst, Medienmacht, Migration und politische Realitätsverweigerung.

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Angst, Kontrolle und mediale Verstärkung

In einem Interview auf netzpolitik.org spricht die Philosophin Bärbel Frischmann über die Rolle von Angst in der Gesellschaft und ihre Verbindung zu Überwachung und Kontrolle.

Sie legt dar, dass Angst oft nicht auf realen Bedrohungen basiert, sondern auf Projektionen, die die Wahrnehmung von Gefahr verstärken. Politische und mediale Strategien würden diese Ängste gezielt nutzen, um Einfluss auszuüben. Frischmann warnt vor einer Überbewertung spezifischer Gefahren wie Terrorismus im Vergleich zu alltäglichen Risiken wie etwa Verkehrsunfällen. Maßnahmen wie erhöhte Polizeipräsenz könnten das Gefühl von Unsicherheit sogar verstärken, anstatt es zu mindern. Sie plädiert dafür, Ängste nicht reflexhaft zu verdrängen, sondern ihnen Raum zu geben – und fordert zugleich mehr politische Unterstützung für Menschen mit psychischer Belastung.

Auch die Rolle der Medien bei der Verbreitung von Angst thematisiert sie kritisch. Dabei betont sie die Wichtigkeit, trotz realer Gefahren die Freiheit zu wahren – insbesondere im Hinblick auf große Herausforderungen wie den Klimawandel.

Ein irritierender Vergleich

Diese Positionen wirken zunächst nachvollziehbar. Ein Satz zu Beginn des Interviews, der allerdings von der Redaktion stammt und nicht von Frau Frischmann selbst, hat bei mir Irritation ausgelöst:

„2024 wurden in Deutschland 17 Menschen bei Terroranschlägen getötet. Im gleichen Zeitraum starben 2.780 bei Unfällen im Straßenverkehr. Trotzdem werden die möglichen Maßnahmen gegen Attentäter viel heißer diskutiert als die gegen Autofahrer*innen. Was ist da los?“

Diese Gegenüberstellung wirkt auf den ersten Blick logisch, blendet jedoch eine entscheidende Dimension aus: die psychologische Wirkung gezielter Gewaltakte auf die Bevölkerung. Terroranschläge, Gewalttaten oder sexualisierte Gewalt durch Fremde erzeugen eine tiefere Verunsicherung als Unfälle, selbst wenn letztere statistisch häufiger auftreten. Das liegt nicht nur an ihrer medialen Aufbereitung, sondern an der Natur der Tat – sie erscheinen willkürlich, bedrohlich und schwer kontrollierbar.

Gewaltwahrnehmung und Statistik

Laut Statistik kam es im Jahr 2024 zu rund 29.000 polizeilich erfassten Messerangriffen – ein starker Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren. In der öffentlichen Debatte bleibt die Frage nach den Ursachen dieser Entwicklung oft unterbelichtet. Auch wenn verzerrende Faktoren – wie etwa die unterschiedliche Anzeigebereitschaft oder Polizeikontrolle – eine Rolle spielen, bleibt der überproportionale Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger auffällig.

Eine differenzierte Analyse, wie sie der Mediendienst Integration bietet, zeigt: Die Gründe für diese Überrepräsentation sind nicht ethnischer, sondern sozialer Natur. Armut, Bildungsferne, prekäre Lebenslagen, traumatische Erfahrungen und rigide Männlichkeitsbilder fördern kriminelles Verhalten – und betreffen Zugewanderte häufiger als Einheimische.

Zwischen legitimer Sorge und medialer Inszenierung

Trotzdem bleibt die gesellschaftliche Wahrnehmung von Gewalt durch Zugewanderte eine Realität, der man nicht ausschließlich mit statistischer Relativierung begegnen kann. Sicherheitsmaßnahmen sind in diesem Kontext nicht zwangsläufig Freiheitsbedrohung, sondern auch Ausdruck staatlicher Fürsorgepflicht.

Insgesamt hinterlässt das Interview bei mir den Eindruck, dass bestimmte Problemlagen – insbesondere im Zusammenhang mit Migration – allzu schnell in einen Diskursrahmen von „medial erzeugter Angst“ gestellt werden. Die politische Zurückhaltung gegenüber klaren Maßnahmen könnte das Sicherheitsgefühl vieler Bürgerinnen und Bürger untergraben. Auch wenn berechtigte Kritik an populistischen Ängsten und medialer Dramatisierung notwendig ist, sollte dies nicht dazu führen, reale Probleme zu ignorieren.

Freiheit braucht Vertrauen – und klare Antworten

Freiheit und Sicherheit stehen nicht zwangsläufig in Widerspruch – sie bedingen einander in funktionierenden Gesellschaften. Die Herausforderung besteht darin, zwischen überzogenen Ängsten und legitimen Sorgen zu unterscheiden – und auf beides angemessen zu reagieren.

Horst Schulte

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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Schlagworte: Medienkritik Migration Überwachung

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