Es ist so lange her.
1980 veröffentlichte der niederländische Liedermacher Robert Long das deutschsprachige Album Homo Sapiens steht bei mir im Keller – umgeben von Hunderten anderer Langspielplatten. Eine stille Schar aus Vinyl, staubumsäumt und vergessen. Musik gewordene Zeitzeugen. Hüter einer Epoche, die in uns weiterklingt – wenn wir sie denn noch hören könnten.
Doch der Plattenspieler ist längst verstummt. Und ohne ihn ergibt es wenig Sinn, mit diesen teilweise wohl inzwischen ganz schön wertvollen Exemplaren Platz in der Wohnung zu »verschwenden«. So denken wir heute – effizient, pragmatisch, nüchtern. Der Zeitgeist flüstert: Digital ist genug.
Und doch spüre ich: Da ist mehr.

Ich erinnere mich noch gut an die ersten Begegnungen mit seinen Liedern. Robert Long, das war nie nur Musik – das war Haltung. Ein leiser Protest gegen die Grobheiten der Welt, verpackt in feine Melodien. Ein mutiger Sänger, der der Moralpredigt die Menschlichkeit entgegensetzte. Seine Texte: unbequem, ehrlich, poetisch. Und manchmal: so voller Wärme, dass man sich darin verlieren konnte.
Manchmal suche ich heute noch im Netz – vorzugsweise bei Spotify – nach seinen Titeln. Das Angebot ist leider dürftig. Meist stößt man auf niederländische Aufnahmen, selten auf die deutschsprachigen Perlen. Das erwähnte Album Homo sapiens erschien in beiden Sprachen, was seine Botschaften umso zugänglicher machte.
Es lohnt sich, die Trackliste von Homo sapiens durchzugehen. Jeder Titel ein Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse – und doch irgendwie zeitlos. Vielleicht sogar aktueller denn je?

Lohnt sich das?
Bei Amazon werden für einzelne Alben ganz schön happige Preise aufgerufen. Vielleicht sollte ich mal ernsthaft darüber nachdenken, die etwa 600 Langspielplatten nach potenziell höherem Wert zu durchforsten. Wer weiß, vielleicht schlummert zwischen Santana, Deep Purple, Chicago und Emerson, Lake & Palmer ein kleines Vermögen?
Aber Hand aufs Herz: Würde sich das lohnen? Wahrscheinlich nicht. Schließlich gibt es auch »normale« Angebote. Und was wäre das schon – ein paar Euro mehr auf dem Konto, dafür aber ein Regal voller Erinnerung weniger?
Manchmal sind es nicht die Dinge, die wir besitzen – sondern die, die wir behalten, obwohl sie längst überholt sind. Und genau das ist vielleicht ihre eigentliche Kostbarkeit.
Eine bessere Welt?
Wenn ich Robert Long heute höre, denke ich oft an eine Welt, die es so vielleicht nie wirklich gegeben hat. Und doch haben wir sie gespürt – in Momenten der Jugend, in Sommern mit offenen Fenstern, in dem Gefühl, dass man die Welt mit Liedern verändern kann.
Vielleicht war das naiv. Vielleicht war es auch einfach nur menschlich.
Damals glaubten wir an Fortschritt, an Frieden, an Vernunft. Heute wankt vieles, was uns selbstverständlich erschien. Aber in Longs Liedern lebt dieses Ideal weiter – trotzig, zart, unbeirrbar.
Manchmal wünsche ich mir, dass mehr Menschen ihm zuhören würden. Nicht nur, um zu verstehen, was war – sondern auch, was sein könnte.
Zum Glück: YouTube
Zum Glück gibt es ja YouTube. Dort habe ich eine Reihe von Robert-Long-Titeln gefunden, die ich mir in stillen Momenten anhöre. Zwei meiner Lieblingslieder verlinke ich hier – vielleicht entdeckt sie jemand neu, vielleicht erinnert sich jemand.

Ausschnitt aus dem Lebenslauf von Robert Long
Robert Long (eigentlich Jan Gerrit Bob Arend Leverman) wurde am 22. Oktober 1943 in Utrecht, Niederlande, geboren und wuchs in einem streng christlichen Umfeld auf – ein Kontrast, der später oft in seinen Liedern aufblitzte, mal zornig, mal zärtlich, aber immer mit Tiefe.
In den 1960er-Jahren begann er seine künstlerische Laufbahn zunächst auf Englisch, doch bald erkannte er, dass die eigene Sprache auch das eigene Herz besser trägt. So wandte er sich dem Niederländischen zu – und fand seine Stimme als Liedermacher, der mit Witz, Verstand und Mut gesellschaftliche Missstände anprangerte. Themen wie Religion, Homosexualität, Rassismus oder Politik – bei Long blieben sie nicht im Schatten. Er holte sie ans Licht, oft mit einer Melodie, die sich einschmeichelte, während die Worte scharf wie Klingen waren.
Sein Durchbruch kam 1974 mit dem Album “Vroeger of Later” – ein Klassiker, der sich tief ins kulturelle Gedächtnis der Niederlande eingebrannt hat. Robert Long war nicht nur Musiker, sondern auch Fernsehmoderator, Schriftsteller und ein offener Vertreter der LGBTQ+-Community – ein Pionier, der privat wie öffentlich Haltung zeigte.
2005 heiratete er seinen langjährigen Lebenspartner, nachdem die Niederlande die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt hatten – ein Moment, in dem persönliches Glück und gesellschaftlicher Fortschritt sich die Hand reichten.
Robert Long verstarb am 13. Dezember 2006 an den Folgen einer Krebserkrankung. Doch sein Vermächtnis lebt weiter – in Liedern, die nachhallen, in Worten, die noch heute aufrütteln, und in einem Mut, der ansteckt.
Oh, Robert Long hatte ich in der Tat ganz vergessen, obwohl ich »Jos« und anderes auch rauf & runter gehört habe: in einer sehr anderen Zeit. – Danke für die Erinnerung!
[…] von Hanjo am Dienstag, 22. April 2025 Bei Horst Schulte Erinnerung an Robert Long. Kategorien: Gelesen | 0 Kommentare Tags für diesen Artikel: musik, robert longArtikel mit […]
@Hanjo: Sehr gern. Wir haben uns ja gemeinsam erinnert.