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Schweigen aus Angst: Warum deutsche Medien im Nahostkonflikt so leise sind

Deutschlands Medien berich­ten vor­sich­tig über Gaza. Kritiker wie Lüders blei­ben rand­stän­dig. Die Vergangenheit wirkt nach – laut und unausgesprochen.

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Wenn in Gaza Bomben fal­len, wird es in deut­schen Redaktionen still. Nicht still vor Erschütterung, son­dern still vor Angst, das Falsche zu sagen. Der Nahostkonflikt ist nicht nur ein poli­ti­sches Minenfeld – er ist ein Spiegel. Einer, in dem wir die Schatten unse­rer eige­nen Geschichte erken­nen. Und so schwei­gen vie­le, wo sie spre­chen soll­ten. Oder sie reden – und sagen doch nichts.

Zwischen Anspruch und Ausflucht

Übermedien steht für Transparenz, Selbstkritik, Unabhängigkeit. Keine Werbung, kein Clickbait, kein Konzern im Nacken. Und doch: Beim Thema Nahost geriet auch dort der hohe Anspruch ins Wanken. Der Vorwurf: Man kam zu spät. Zu spät mit der Analyse, zu zöger­lich mit der Kritik. Die Redaktion räumt das ein – ehr­lich, aber auch hilf­los. Als hät­te der Wunsch, „das gro­ße Ganze“ zu ver­ste­hen, die Fähigkeit zur kla­ren Analyse erstickt. Man kennt das: Der Kopf sucht nach Ordnung, wäh­rend das Herz längst brennt.

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Michael Lüders und das mediale Vakuum

In die­sem Klima der Zurückhaltung sticht eine Stimme her­aus: Michael Lüders, Nahost-​Kenner, unbe­quem, ana­ly­tisch – und auf­fäl­lig oft nicht ein­ge­la­den, wenn gro­ße Medien über Gaza reden. Zu „umstrit­ten“, heißt es dann wohl. Ein Wort, das so prak­tisch wie ent­lar­vend ist. „Umstritten“ meint oft: Er sagt Dinge, die wir lie­ber nicht hören wol­len. Zum Beispiel, dass Israels Regierungspolitik nicht über jede Kritik erha­ben ist. Oder dass Palästinenser nicht nur Opfer der Hamas, son­dern auch einer gewis­sen west­li­chen Gleichgültigkeit sind. Dieses Video habe ich mir heu­te ange­se­hen. Die meis­ten Videos der letz­ten Zeit habe ich mir ange­schaut. Es ist immer wie­der erschüt­ternd, was Lüders in der ihm eige­nen Klarheit beschreibt. Dass er manch­mal viel­leicht etwas zu ein­sei­tig argu­men­tiert, fin­de ich bes­ser, als das Thema und die Kritikansätze auszusparen. 

Die Last der Geschichte

Natürlich spielt die deut­sche Vergangenheit hier mit. Wie könn­te es anders sein? Der Holocaust ist ein dunk­ler Fixstern unse­rer Identität. Und aus die­ser Geschichte erwächst Verantwortung – zu Recht. Doch Verantwortung bedeu­tet nicht, sich blind an die Seite einer Regierung zu stel­len, son­dern das Menschliche im Politischen zu suchen. Auch – und gera­de – dann, wenn es unbe­quem ist.

Stattdessen sehen wir ein ande­res Phänomen: vor­aus­ei­len­de Loyalität, als jour­na­lis­ti­sche Tugend getarnt. Kritik wird ver­mie­den, Worte wer­den weich­ge­spült. Tote Kinder in Gaza wer­den zu „Kollateralschäden“. Bombardements hei­ßen „geziel­te Maßnahmen“. Es ist, als wür­de man durch Watte berich­ten. Keiner will in die »intel­lek­tu­el­len Fußstapfen« der AfD tre­ten. Aber die­se Kritik darf man unse­ren Medien nicht ersparen!

Übermedien, Überforderung

In einer aus­führ­li­chen Recherche hat Übermedien genau das sicht­bar gemacht: die dop­pel­ten Standards, die Sprachakrobatik, die emo­tio­na­le Schieflage vie­ler Redaktionen. 15 Beiträge seit dem 7. Oktober, vie­le davon klug, wich­tig, mutig. Und doch bleibt ein Rest von Scham: Warum hat es so lan­ge gedau­ert? Warum sind man­che Fragen immer noch unge­stellt? Warum fehlt der Blick über den Tellerrand – etwa auf die muti­ge­re, freie­re Berichterstattung aus ande­ren Ländern?

Journalismus zwischen Mut und Müdigkeit

Es wäre zu ein­fach, den Vorwurf der Feigheit zu erhe­ben. Der Job ist hart gewor­den. Wer heu­te dif­fe­ren­ziert über Gaza spricht, ris­kiert Shitstorms, Denunziation, mora­li­sche Aburteilung. Und doch: Es gibt Momente, in denen Journalismus nicht nur spie­geln darf, son­dern for­dern muss. Wo er nicht der Angst nach­ge­ben darf, son­dern dem Zweifel.

Was uns fehlt, ist Mut zur Ambivalenz. Die Fähigkeit, zwei Dinge gleich­zei­tig wahr­zu­neh­men: das Trauma Israels und das Leid in Gaza. Die Angst der Juden in Berlin – und die Tränen der Mütter in Rafah.

Der leise Ruf nach Lautstärke

Vielleicht ist genau das die Aufgabe, die jetzt ansteht: Nicht nur schnel­ler und fun­dier­ter zu berich­ten – son­dern tie­fer. Fragen zu stel­len, die weh­tun. Quellen zu hin­ter­fra­gen, auch wenn sie ver­traut wir­ken. Sprache zu ent­lar­ven, wenn sie ver­schlei­ert statt aufklärt.

Denn eines ist sicher: Wer schweigt, aus Angst, das Falsche zu sagen, sagt am Ende gar nichts. Und das – so lehrt uns die Geschichte – war nie eine gute Idee. Leider trifft das nicht bloß auf Gaza zu und die­sen grau­sa­men und men­schen­ver­ach­ten­den Krieg der rechts­ra­di­ka­len israe­li­schen Regierung. Es gibt ande­re Herde der Unmenschlichkeit, die wir aus ähn­li­chen Gründen nicht sehen oder viel­leicht auch nur des­halb igno­rie­ren, weil wir so viel Leid ein­fach nicht bewäl­ti­gen kön­nen. Selbst, wenn wir »nur« davon hören oder sehen. 


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