In seinem lesenswerten Artikel „Early Adopter – Late Adopter“ denkt Boris über die digitale Kluft nach, die sich durch unsere Gesellschaft zieht. Er beschreibt eindrucksvoll, wie selbstverständlich ihm Technologien wie das Internet oder das Smartphone geworden sind – und wie viele Menschen seiner Generation (60–70 Jahre) noch immer zögern, diesen Schritt in die digitale Welt zu gehen. Diese Beobachtung kann ich, selbst 71 Jahre alt, aus eigener Erfahrung nur bestätigen.

Boris hebt hervor, dass es meist keine grundsätzliche Ablehnung ist, die Menschen fernhält, sondern schlicht mangelndes Interesse oder fehlende Gewöhnung. Seine Warnung, dass diese Zurückhaltung in die digitale Isolation führen kann, ist berechtigt. Umso wichtiger ist es, mit Empathie, Geduld und Ermutigung Brücken zu bauen – zwischen den Generationen, zwischen Technik und Mensch. Dem kann ich mich mit vollem Herzen anschließen!
Ich nutze diesen Moment, um eine kleine Begebenheit zu erzählen – eine liebevolle Erinnerung, die ich meiner 2022 im Alter von 98 Jahren verstorbenen Schwiegermutter widmen möchte:
Mutter liebte es, zu lesen. Besonders gerne tat sie das auf unserem Balkon, das Gesicht in die Sonne gewandt, ein Buch in der Hand – und ihre riesige Lupe griffbereit. Die Brille mochte sie nicht so recht. Wenn ich sie so sah, ganz versunken in ihre Lektüre, dachte ich oft: Entspannter kann ein Mensch kaum sein.
Mit technischen Geräten stand sie nie auf Du und Du – aber auch nicht auf Kriegsfuß. Sie begegnete ihnen mit stiller Neugier, nicht mit Abwehr. Ihr Hörgerät und ihr Gebiss bildeten da eine Ausnahme. Die morgendlichen Brötchen waren manchmal einfach zu hart, also ging meine Frau zum Zahnlabor. Die kannten uns schon.
Fürs Fernsehen reichte das Hörgerät oft nicht aus. Also bekam sie einen ordentlichen Kopfhörer von Sennheiser. Klanglich top, aber nicht ganz störungsfrei. Wenn der Ton mal wieder ausfiel, gab’s Diskussionen – ich konnte den Fehler nicht reproduzieren, was die Sache nicht besser machte. Aber meistens funktionierte alles zur Zufriedenheit.
Wenn das Hörgerät komplett versagte – manchmal war einfach eine Reinigung beim Akustiker überfällig – mussten wir improvisieren. Ich schrieb ihr dann einfach alles auf mein iPad. Sie las, grinste und gab mir ihre Antwort. Es funktionierte besser, als ich erwartet hätte.
Einmal – und das kam wirklich selten vor – gingen ihre heiß geliebten Romänchen aus. Natürlich passierte das an einem Sonntag. Also wagte ich ein Experiment: Ich bestellte einen Roman bei Amazon, zeigte ihr mein „Kindl“, erklärte die wichtigsten Gesten – Blättern, Vergrößern, Lesezeichen setzen. Und siehe da: Sie kam bestens zurecht. Sie las den ganzen Roman digital. Danach kehrten wir zwar zur gedruckten Ausgabe zurück, aber dieser kleine digitale Ausflug blieb in liebevoller Erinnerung.
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