Kommentar zur Debatte über Israels Gaza-Offensive und die Rolle Deutschlands
…wir mahnen einen menschenwürdigen Umgang mit den Menschen im Gazastreifen an, vor allem mit den Frauen, den Kindern und den Älteren.
sagte Merz – während von der israelischen Armee Menschen beim Kampf um Essen getötet werden.
Die Sendung im Überblick
In einer aktuellen politischen Diskussionssendung trafen der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter1 und die Nahost-Expertin Kristin Helberg aufeinander. Thema war der Krieg in Gaza – insbesondere die Frage, inwieweit die israelische Militärstrategie gegen die Hamas noch mit dem Völkerrecht vereinbar ist, und welche Verantwortung Deutschland trägt. Während Helberg mit klaren, dokumentierten Aussagen über die katastrophale humanitäre Lage aufwartete, bemühte sich Kiesewetter um Verständnis für Israels Handeln – bis hin zur Relativierung von zivilen Opfern.
Helbergs Position: Faktische Anklage – ohne ideologische Schlagseite
Kristin Helberg schilderte detailliert und gut belegt die dramatische Lage im Gazastreifen: Hunger, gezielte Tötungen von Kindern, die Zerstörung von Krankenhäusern, Schulen und Universitäten. Sie warf der israelischen Regierung vor, nicht nur gegen die Hamas zu kämpfen, sondern die gesamte palästinensische Zivilbevölkerung zu bestrafen. Die These einer ethnischen Säuberung sei angesichts der dokumentierten Strategie, Menschen in den Süden zu drängen und zugleich Hilfslieferungen zu blockieren, durchaus plausibel – das sagen auch renommierte Holocaust- und Völkerrechtsforscher.
Zentraler Punkt: Die Hamas ist ein brutales Regime – aber Israel handelt längst nicht mehr nur gegen die Hamas. Vielmehr wird kollektive Bestrafung betrieben, so Helberg. Humanitäre Hilfe wird als Kriegsinstrument missbraucht. Kinder sterben täglich – nicht als Kollateralschäden, sondern als kalkulierter Preis.
„Israel tötet statistisch eine Schulklasse Kinder – jeden Tag.“
Kiesewetters Position: Verteidigung mit doppeltem Maß
Roderich Kiesewetter hingegen blieb seiner Rolle innerhalb der CDU treu – und rechtfertigte Israels Vorgehen mit dem Verweis auf die Hamas, den Iran, die eigene Bedrohungslage und das Recht auf Selbstverteidigung. Auffällig war, dass Kiesewetter Begriffe wie „Kriegsverbrechen“ oder gar „Verhältnismäßigkeit“ im Zusammenhang mit Israels Vorgehen strikt vermied.
Er wiederholte das israelische Narrativ: Die Hamas benutze die Bevölkerung als Schutzschild. Wer hungert oder stirbt, ist letztlich Opfer der Hamas, nicht der israelischen Armee. Selbst die gezielte Tötung von 30 bis 40 Unbeteiligten zur Ausschaltung eines Hamas-Mitglieds rechtfertigte Kiesewetter erneut – trotz Nachfrage und Konfrontation mit völkerrechtlichen Grundsätzen.
„Ich stehe zu dieser Einschätzung.“
Kiesewetter gestand zwar ein, dass Israel mit einer rechtsradikalen Regierung agiert, sah darin aber keinen Anlass, die Waffenlieferungen Deutschlands infrage zu stellen oder gar politischen Druck aufzubauen. Auch der Begriff „Genozid“ sei für ihn nicht zutreffend – entgegen der Einschätzung vieler Experten.
Der sprachliche Offenbarungseid
Die Sendung offenbarte mehr als nur Meinungsverschiedenheiten. Sie zeigte, wie Sprachpolitik zur politischen Strategie wird. Während Helberg schmerzhaft konkret war, verlor sich Kiesewetter in diplomatischen Worthülsen und wohlfeilen Appellen. Die Sprachlosigkeit deutscher Außenpolitik spiegelt sich in Bundeskanzler Merz’ Satz:
„Wir mahnen einen menschenwürdigen Umgang mit den Menschen in Gaza an.“
Eine Mahnung, während Kinder mit Kopfschüssen getötet werden? Während Minister Netanyahus Koalitionspartner zur „Vernichtung Gazas“ aufrufen? Während Menschen im Kampf um Brot erschossen werden?
Diese Sprache ist keine Mahnung – sie ist Beschwichtigung. Sie ist Beihilfe durch Wegschauen. Und sie ist Ausdruck einer politischen Feigheit, die sich nicht traut, israelische Kriegsverbrechen klar zu benennen.
Die moralische Verwahrlosung der deutschen Debatte
Die Sendung zeigte ein zutiefst gespaltenes Bild deutscher Politik und Gesellschaft: Auf der einen Seite eine Stimme wie Helbergs, faktenbasiert, mutig, moralisch unmissverständlich. Auf der anderen Seite ein Vertreter einer christdemokratischen Außenpolitik, die sich hinter Schuld und Staatsräson verschanzt – und dabei Menschlichkeit vergisst.
Es reicht nicht, zu „mahnen“. Wenn 15.000 Kinder getötet werden, wenn Hunger als Kriegswaffe eingesetzt wird, wenn Krankenhäuser bombardiert und Ärzte mundtot gemacht werden, dann ist Mahnen nichts anderes als Schweigen zur Unzeit.
- Seit dem 24. März 2022 ist er stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Am 4. Juni 2025 wurde bekannt, dass Kiesewetter dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht mehr angehören wird, was ein Wunsch des Bundeskanzlers Friedrich Merz gewesen sein soll. Kiesewetter erklärte dazu: „Das ist der Preis, wenn man eine Haltung hat.“ Stattdessen soll Kiesewetter Obmann im Auswärtigem Ausschuss werden. ↩︎
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