Idiotischerweise warte ich darauf, dass sich die Wogen glätten und die Wahlen der nominierten Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht noch vonstattengehen könnten. Lars Klingbeil, SPD, versteht schließlich die Plagiatsvorwürfe als entkräftet, obwohl der „Tagesspiegel“ und sicher auch noch andere vom Stamme „Hört her, ich weiß was“ mit Stimmen aufwarten, die das von Frau Brosius-Gersdorf in Auftrag gegebene Gutachten „entkräften“. Es bleibt eben immer etwas hängen.
Die Rechtschaffenen im Land, die ich hier einmal einfachheitshalber als Rechte bezeichne, arbeiten schon eine Weile daran, den Rufmord an der zweiten vorgeschlagenen Richterin, Ann-Katrin Kaufhold, vorzubereiten. Es riecht schon gewaltig. Der „Vorwärts“ von der SPD beschrieb das gestern so: Verschobene Richterwahl: Hetzkampagne, Klappe die zweite?
Einen wichtigen Effekt hat die Diskussion um die Besetzung, vor allem auch der künftigen, des Bundesverfassungsgerichtes auf jeden Fall. Die Rechten haben es nämlich aus meiner Sicht vermocht, für künftige Auswahlverfahren neue Standards zu setzen.
Wer wird sich anhand der Erfahrungen noch als Kandidat/in zur Verfügung stellen, wenn damit das Risiko eines ruchlosen Rufmordes verbunden ist und die berufliche und persönliche Reputation in den Augen dieser ganzen Menschen mit dem legendären „gesunden Menschenverstand“ steht?
Wenn ich mir allein die Lüge der Frau von Storch, AfD, als Ausgangspunkt der Kampagne vor Augen halte, fragt man sich, wie es sein kann, dass in den asozialen Netzwerken die gleichen verlogenen „Argumente“ immer noch umherschwirren. Wie verblödet muss diese Community gleichgesinnter Vollidioten eigentlich sein, wenn man nicht einmal mehr in der Lage ist, einfache neue Erkenntnisse zu verarbeiten oder in seinem Kopf zu ordnen?
Frau von Storch setzte ihre Lügen im Bundestag locker, flockig in Szene. Sie konstruierte Zusammenhänge, die nicht nur unlogisch, sondern offensichtlich gelogen waren. Faktenfreies Geplärre zählt nun einmal zum Handwerkszeug von AfD-Abgeordneten. Das ist längst bekannt. Das bringt die Wähler dieser Leute bekanntlich nicht dazu, deren idiotische Ansichten zu hinterfragen. Die checken nix! Noch schlimmer: Die AfD weiß, dass ihre Schäfchen ihnen diesen Dreck abnimmt und mit eigenen Empfindungen und Erfindungen anreichert. Darin sind sie begnadet!
Frau Storch log im Bundestag zurecht, dass Frau Brosius-Gersdorf als Richterin am Bundesverfassungsgericht im Sinne der mit Lügen aufgemotzten und vermeintlich (nur) linken Agenda (Abtreibung bis zum 9. Monat) Einfluss auf die Entscheidungen des Gerichts nähme. Dabei ist der 2. Senat des Verfassungsgerichts für Fragen um das Abtreibungsrecht gar nicht zuständig. Frauke Brosius-Gersdorf wäre nicht im Ersten, sondern im Zweiten Senat tätig gewesen. Entscheidungen zu § 218 StGB – etwa im Rahmen von Verfassungsbeschwerden – fallen typischerweise in die Zuständigkeit des Ersten Senats.
Die polemische Behauptung, Brosius-Gersdorf würde aktiv Einfluss auf das Abtreibungsrecht nehmen, entbehrt daher jeder sachlichen Grundlage – sowohl was die Senatszuständigkeit als auch ihre richterliche Rolle betrifft.
Das hätte sie als Bundestagsabgeordnete, die sich allerlei Wissen über dieses Themenfeld zutraute, wissen können und müssen. Zudem wird eine Person in diesem Gremium von 8 Richter/innen keineswegs diese Art von Einfluss haben. Nun, das sind zwei einfache Sachverhalte, die natürlich bei den Allesfressern von rechts keine Bedeutung haben. Der Kulturkampf gegen Links hat höhere Priorität als verantwortungsvolles Handeln. Das macht die AfD in den Parlamenten täglich vor.
Über allem steht ein Schaden für unsere Demokratie. Denn nebenbei attackieren rechte Gesinnungsjournalisten die seit Jahrzehnten bestehende Praxis des Besetzungsverfahrens unseres Bundesverfassungsgerichtes. Da wird von sogenannten Journalisten, also Leuten, die es durchaus besser wissen könnten, von Hinterzimmer-Deals palavert und davon, dass die Personalauswahl durch kein demokratisches Verfahren legitimiert sei. Das ist nicht nur haarsträubend falsch, es ist schlicht gelogen!
Eine Zweidrittelmehrheit ist seit 1951 sowohl für den Bundestag (dort war in den Anfangsjahren sogar eine Dreiviertelmehrheit notwendig) als auch für den Bundesrat im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht gefordert. Diese Vorgabe hat sich nach übereinstimmender Auffassung in besonderem Maße bewährt.
1951 hat man die 2/3‑Mehrheit bei den Wahlen zum Bundesverfassungsgericht eingeführt. Diese erforderliche Mehrheit sorgte auch dafür, dass die Abstimmung der im Parlament vertretenen, also vom Volk gewählten Abgeordneten erforderlich ist. In Zeiten wie diesen mit wackligen Mehrheiten, die wir über viele Jahrzehnte nicht kannten, sind solche Abstimmungen unter demokratischen Parteien umso wichtiger. Das ist der AfD naturgemäß ein Dorn im Auge. Schon deshalb stänkert die Partei sowie die sie unterstützenden Medien gegen angebliche Hinterzimmer-Absprachen. Alles ist für diese Leute gut, das gegen die Institutionen unserer Demokratie gerichtet ist. Dass die Wähler und Sympathisanten diese Sauerei mitmachen, ist ekelhaft und zeigt leider, in welche Richtung wir uns entwickeln.
Vielleicht ließe sich das Verfahren verbessern, in dem man die Zwischenstufe des Wahlausschuss-Gremiums überspringen würde? Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß referierte kürzlich bei Markus Lanz darüber, dass die Debatten (so nannte er die Rufmordkampagne gegen Brosius-Gersdorf!) ein Anzeichen für eine lebendige Demokratie sei. Ich teile diese Sichtweise natürlich nicht. Das wäre der Fall gewesen, wenn nicht diese Schmutzkampagne von rechten Kreisen im Land initiiert und gnadenlos durchgezogen worden wäre. Selbstverständlich sollte es möglich sein, Kandidaten nicht zu wählen. Das ist in der Praxis bereits so geschehen. Allerdings blieben diese Abwägungen im parlamentarischen Raum und wurden nicht für hinterlistige parteipolitische und demokratiefeindliche Kampagnen missbraucht.
Wahlverfahren
Im Bundestag: Wahl durch ein zwölfköpfiges Wahlausschuss-Gremium mit Zweidrittelmehrheit.
Im Bundesrat: Wahl mit Zweidrittelmehrheit der Stimmen der Länder.
Ich habe einmal heraussuchen lassen (ChatGPT), welche Verfahren in anderen Ländern für diese Aufgabe gewählt wurden. Die Unterschiede sind in demokratischen Ländern nicht zwingend demokratischer als das hier in Deutschland verwendete Verfahren.
Übersicht der Gremien, die über die personelle Besetzung der höchsten Gerichte in den USA, Kanada, China, Russland, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und auf EU-Ebene bestimmen:
Land | Höchstes Gericht | Berufungs-/Ernennungsgremium |
---|---|---|
USA | Supreme Court | Präsident nominiert, Senat bestätigt Im Senat haben die Republikaner derzeit die Mehrheit. |
Kanada | Supreme Court of Canada | Premierminister nominiert, formal vom Generalgouverneur ernannt (eigene Kenntnis, nicht in Quellen enthalten, Prozedere ist transparent und dokumentiert) |
China | Oberster Volksgerichtshof | Nationaler Volkskongress (NVK) wählt Präsident, übrige Richter meist vom Ständigen Ausschuss des NVK (eigene Kenntnis, basiert auf Verfassungsgrundlagen; nicht in Treffern explizit genannt) |
Russland | Oberstes Gericht der Russischen Föderation | Präsident schlägt Kandidaten vor, Föderationsrat (Oberhaus des Parlaments) bestätigt (eigene Kenntnis, basierend auf russischer Verfassung; im Kontext nicht explizit enthalten) |
Deutschland | Bundesverfassungsgericht | Je Bundestag und Bundesrat wählen je zur Hälfte die Richter (eigene Kenntnis, prominentes und etabliertes Verfahren) Wahl mit 2/3 Mehrheit im Bundestag, Auswahl mit 2/3 Mehrheit in Bundestag und im Bundesrat. |
Frankreich | Conseil constitutionnel | Präsident der Republik, Präsident der Nationalversammlung und Präsident des Senats ernennen je 3 Mitglieder (eigene Kenntnis) |
Italien | Corte Costituzionale | Je 5 durch Staatspräsident, Parlament und höchste ordentliche Gerichte (eigene Kenntnis) |
Spanien | Tribunal Constitucional | Ernennung durch König auf Vorschlag von Regierung, Senat, Kongress und Richterratsgremium (eigene Kenntnis) |
EU | Europäischer Gerichtshof | Regierungen der Mitgliedstaaten ernennen einvernehmlich die Richter |
Hinweise zu einzelnen Ländern:
- USA: Der Präsident nominiert, der Senat bestätigt alle Supreme-Court-Richter; es gibt keine feste Amtszeit, sie bleiben auf Lebenszeit im Amt.
- EU: Jeder Mitgliedstaat entsendet ein Mitglied in den EuGH. Die Ernennung erfolgt durch die Regierungen der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen für jeweils sechs Jahre.
- In anderen großen Ländern erfolgt die Ernennung der Richter meist entweder durch das Staatsoberhaupt allein (Russland, China), eine Kombination von Regierung, Parlament und Justiz (Deutschland, Italien, Spanien) oder mehrere unabhängige Akteure (Frankreich).
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