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Zwischen Rufmord und Rechtsstaat: Die rechts-​konservative Kampagne gegen Brosius-Gersdorf

Ein Fall, der weit über Karlsruhe hinausstrahlt

Die geschei­ter­te Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht ist weit mehr als ein Personalstreit. Sie ist ein Menetekel für die poli­ti­sche Kultur unse­rer Zeit, ein Seismograph für die Kräfte, die am Fundament unse­rer Demokratie zer­ren. Was hier sicht­bar wur­de, ist eine per­fi­de Allianz aus Stimmungsmache, Missgunst und stra­te­gi­schem Zögern – und ein Versuch, eine bril­lan­te Juristin durch den Dreck zu zie­hen, weil sie für Prinzipien steht, die man­cher Partei unbe­quem gewor­den sind.

Der Ablauf: Chronologie einer gezielten Eskalation

Am 7. Juli 2025 nomi­nier­te der Wahlausschuss des Bundestags die renom­mier­te Staatsrechtlerin gemein­sam mit zwei wei­te­ren Kandidaten für das höchs­te deut­sche Gericht. Die nöti­ge 2/​3‑Mehrheit wur­de erreicht! Brosius-Gersdorf, SPD-​Vorschlag, erfüllt fach­lich alle Kriterien. Doch schon kurz nach Bekanntwerden ihres Namens begann eine orches­trier­te Welle von Angriffen – teils aus kon­ser­va­ti­ven Medien, teils aus ein­schlä­gi­gen Online-​Foren und rech­ten Netzwerken. Aus mei­ner per­sön­li­chen Perspektive will will ich NIUS, den Focus und Tichys-​Einblick her­aus­stel­len. „Ekelhafte Meinungsmache“ – so lau­tet mein Urteil über die rech­te Propaganda. Ebenso schlimm fand ich die Einlassungen des Bamberger Erzbischofs. 


Am Sonntag beim Heinrichsfest bezeich­ne­te Gössl die Haltung von Brosius‑Gersdorf zum Lebensrecht unge­bo­re­ner Kinder als „innen­po­li­ti­schen Skandal“. Er warn­te ein­dring­lich, man kön­ne „in wel­chen Abgrund der Intoleranz und Menschenverachtung wir glei­ten“, wenn Verantwortung vor Gott aus dem Bewusstsein ver­schwin­de – was Schwächere, Ungeborene oder Pflegebedürftige stumm mache

Quelle: ZDF

Die ers­ten öffent­lich lau­ten Vorwürfe rich­te­ten sich nicht etwa gegen ihre juris­ti­sche Kompetenz, son­dern gegen ihre angeb­li­che Haltung zur Abtreibung. Man dich­te­te ihr die Position an, Schwangerschaftsabbrüche „bis zur Geburt“ zu befür­wor­ten – eine gro­tes­ke Verzerrung. Es folg­ten Hinweise auf frü­he­re Aussagen zur Impfpflicht, zu einem AfD-​Verbotsverfahren. Und schließ­lich die Keule: Stefan Weber, selbst­er­nann­ter Plagiatsjäger, mel­de­te Zweifel an ihrer Dissertation an.

Tichy lob­te, dass Union und AfD gemein­sam eine „ver­steck­te lin­ke Machtübernahme“ ver­hin­dert hät­ten, indem sie die Wahl blo­ckier­ten. Er sah dar­in eine „Sternstunde des Parlaments“ – also nicht nur Ablehnung Brosius‑Gersdorfs, son­dern eine Abwehr einer struk­tu­rel­len Gefahr.
Er prä­sen­tiert sich in die­ser Debatte als Vorkämpfer gegen „lin­ke Gesinnungsrichter“ und als Kritiker der Union dafür, dass sie dem Druck nicht mit stär­ke­rer Gegenwehr begegnet. 

Er wirft Brosius‑Gersdorf vor, ideo­lo­gisch gepräg­te Aktivistin zu sein und ihr Auftreten geschei­tert – zugleich fei­ert er das Parlamentsvotum als demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Abwehrreaktion gegen eine ver­meint­li­che lin­ke Dominanz. 

In einem Kommentar zum TV-​Auftritt bei Markus Lanz kri­ti­sier­te Tichys Einblick die defen­si­ve Haltung von Brosius‑Gersdorf scharf. Sie erschei­ne als „Opferrolle rück­wärts“, reagie­re gekränkt und unsach­lich auf die Debatte und ver­schär­fe damit ihr Imageproblem. Mich wun­dert, dass in der öffent­li­chen Debatte die­se ein­deu­tig kam­pa­gnen­ar­ti­gen Vorgänge nicht als sol­che beschrie­ben wer­den. Das, mei­ne Damen und Herren im rech­ten poli­ti­schen Spektrum, ist wesent­lich schlim­mer, nein ekel­haf­ter!, als die angeb­lich poli­tisch agi­tie­ren­den NGO’s, die von Leuten wie Reichelt, Tichy, Fleischhauer, Reitz (Focus) und wie sie alle hei­ßen mögen, nega­tiv ins Feld geführt werden.

Am 11. Juli, nur drei Tage nach der Nominierung, blies die CDU/​CSU die geplan­te Bundestagsabstimmung zur Wahl der Verfassungsrichter kur­zer­hand ab.

Die Union laviert, die Demokratie verliert

Dass die Union die­sen Schritt mit dem Verweis auf „Unklarheiten“ und den „ver­lo­re­nen Vertrauensschutz“ recht­fer­tig­te, wirkt im Lichte der Gesamtumstände wie eine Nebelkerze. Denn der Ablauf und die Geschwindigkeit der Vorwürfe las­sen kaum Zweifel dar­an: Brosius-Gersdorf wur­de Ziel einer Kampagne. Dass sich die Union nun bemüht, nicht als ihr Opfer oder Werkzeug dazu­ste­hen, ist poli­tisch durch­schau­bar. Sie will nicht als Getriebene rech­ter Kreise erschei­nen – ist es aber längst.

Statt sich dem Angriff auf eine ver­fas­sungs­treue Juristin ent­ge­gen­zu­stel­len, hat man sich wil­lig zum Werkzeug gemacht. Ein pein­li­ches Signal, auch an die vie­len Juristinnen und Juristen, die seit­her in offe­nen Briefen gegen die­se Entgleisung protestieren.

Was der Fall atmosphärisch offenbart

Die Affäre ist Ausdruck eines ver­gif­te­ten poli­ti­schen Klimas, in dem die AfD längst nicht nur in Wahlumfragen Einfluss gewinnt, son­dern auch dis­kur­siv: Ihre Begriffe, Narrative und Dämonisierungen sickern in die Mitte der Debatte ein.

Der Bundestag, der Ort gesetz­ge­be­ri­scher Verantwortung und demo­kra­ti­scher Reife, wirkt in sol­chen Momenten wie ein schwan­ken­des Schiff. Die Polarisierung hat längst das Herz der Institutionen erreicht. Und die Angst, öffent­lich als „links“ zu gel­ten, hat den Mut zum Rückgrat vie­ler Entscheidungsträger erlah­men lassen.

Die Debatte um Abtreibung: Ein Scheingefecht

Die Verteufelung von Brosius-Gersdorf in der Abtreibungsfrage steht exem­pla­risch für die Rückkehr mora­lisch auf­ge­la­de­ner Kontrollrhetorik. Dabei zei­gen Umfragen seit Jahren ein recht kon­stan­tes Bild:

Mehr als zwei Drittel der Deutschen spre­chen sich laut Statista für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen aus – zumin­dest inner­halb eines gere­gel­ten Zeitrahmens. Die brei­te Mehrheit ist weder radi­kal pro-​life noch gedan­ken­los per­mis­siv. Sie ist ver­nünf­tig, mit­füh­lend, abwä­gend. Ganz ähn­lich wie die Haltung, die Brosius-Gersdorf selbst in der Öffentlichkeit formulierte.

Sie sag­te nie, was ihr unter­stellt wur­de. Aber sie wur­de vor­ver­ur­teilt, weil man wuss­te: Wenn man die­ses Thema falsch zuspitzt, reicht es für einen media­len Aufschrei.

Warum diese Kampagne uns alle betrifft

Es geht hier nicht um Sympathie für eine Juristin. Es geht um die Integrität von Verfahren, um die Wahrhaftigkeit im poli­ti­schen Raum und um den Schutz unse­rer Institutionen vor emo­tio­nal auf­ge­la­de­nem Missbrauch. Wenn ein­fluss­rei­che Fraktionen sich dazu her­ge­ben, aka­de­mi­sche Lebenswerke im Eilverfahren zu zer­schie­ßen – ohne Beweise, ohne Würde –, dann muss man nicht nur von einem per­sön­li­chen Angriff spre­chen. Dann ist es ein Angriff auf die Idee von Demokratie selbst.

Und es ist kein Zufall, dass sich gera­de Frauen häu­fi­ger die­sen Angriffen aus­ge­setzt sehen, sobald sie im Zentrum der Macht ste­hen. Brosius-Gersdorf ist kei­ne Aktivistin, kei­ne poli­ti­sche Provokateurin. Sie ist eine sach­li­che, sorg­fäl­ti­ge, ver­fas­sungs­na­he Juristin. Genau das macht sie für radi­ka­li­sier­te Akteure zur Gefahr.

Ein Ruf nach Rückgrat

Brosius-Gersdorf hat sich trotz des Trommelfeuers nicht ver­bo­gen. Sie bleibt ruhig, reagiert juris­tisch, nicht pole­misch. Sie ver­weist auf Fakten. Und sie will das Vertrauen in rechts­staat­li­che Verfahren schüt­zen – mehr als ihre eige­ne Karriere.

Diese Haltung ist nicht nur acht­bar. Sie ist not­wen­dig. Für uns alle. Für das, was bleibt, wenn der Lärm der Skandale ver­klun­gen ist: Vertrauen in die Demokratie.

Noch ein Bonmot am Schluss. 

„An die­sem Gericht müs­sen die Richter wirk­lich über jeden Zweifel erha­ben sein.“

Das kam von Marc Felix Serrao, Deutschlandchef der NZZ. Einer – war­um auch immer –, der von Lanz als kon­ser­va­ti­ver Gegenpol zu Anna Lehmann (TAZ) ins Studio geholt wur­de. Der Mann also, der als deut­scher Söldner für die NZZ stän­dig über alles mault, alles nur Erdenkliche mies­macht, was in Deutschland aus Sicht sei­ner rech­ten Klientel nicht rund­läuft. Ich fin­de, das grenzt gefühlt schon an Landesverrat. Aber Eric Gujer gefällt’s. Schließlich geht es ja gegen Deutschland. 


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