Asoziale Medien: Von Erwartungen, Echos und Exit-Illusionen

Trotz der Hoffnungen vieler Kritiker ist X (ehemals Twitter) nach Musks Übernahme nur leicht geschrumpft. Mastodon und Bluesky wachsen, aber weit unter den Erwartungen. Ein persönlicher Abschied von den „asozialen Netzwerken“ – und eine nüchterne Bestandsaufnahme.

abschied von den netzwerken
abschied von den netzwerken

Die große Abwanderung, die keine war

Es klang nach einem kleinen digitalen Exodus. Als Elon Musk Twitter übernahm, verwandelte sich das soziale Klima in eine Mischung aus Krawall, Kuriosität und kollektiver Panik. Viele im linken oder liberalen Lager witterten den Untergang der Diskurskultur, kündigten den Abschied an, zogen weiter nach Mastodon, Bluesky (um dort mit geänderten Vorzeichen genauso weiterzumachen) oder ins Schweigen.

Die Erzählung war mächtig: X (wie sich Twitter nun nennt) sei tot. Die Leute würden in Scharen fliehen, während der Milliardär sein Spielzeug in eine Bühne für Trolle verwandle.

Nur: Die Zahlen erzählen eine andere Geschichte.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Laut DataReportal lag die Werbereichweite von X im Januar 2025 bei rund 586 Millionen Nutzern – andere Quellen sprechen von etwa 600 Millionen monatlich Aktiven. Ein Rückgang, ja, aber kein Erdrutsch.

Und während sich in manchen Filterblasen der Abgesang auf Twitter als Gewissheit einbrannte, zeigt die Statistik: Die Plattform bleibt eine der größten Diskursmaschinen der Welt. Die Einbrüche sind messbar, aber klein – kein Kollaps, eher ein leichtes Zittern.

Die Alternativen dagegen?

  • Bluesky: zwischen 20 und 35 Millionen Registrierte, die aktiven Nutzer deutlich darunter.
  • Mastodon: rund 8 bis 9 Millionen Konten, viele davon brachliegend.

Die Euphorie, Musk damit ein Zeichen zu setzen, ist verständlich – aber bislang blieb sie symbolischer Natur. Die „Abwanderung“ existiert eher in der Vorstellung als in der Statistik.

Meine eigene Konsequenz

Ich habe gestern meinen Facebook-Account gelöscht. Nicht aus Trotz, eher aus Müdigkeit. Ich will kein Teil mehr dieser zersplitterten Empörungskultur sein. Geblieben ist nur Instagram, wo ich meine Fotos zeige – ohne politische Ambitionen.

WhatsApp für den Alltag, Flickr für die Bilder. Das war’s.

Ich nenne sie nicht mehr „soziale Netzwerke“. Zu viel davon ist längst asozial: die Selbstinszenierung, das Dauerrauschen, das Zerren am eigenen Nervensystem.

Was bleibt, ist die Ruhe nach dem Scrollen – und ein leises Staunen darüber, dass der große Bruch, von dem so viele träumten, gar nicht kam.

Vielleicht, weil der Mensch nicht dorthin zieht, wo es besser ist, sondern dorthin, wo noch jemand zuhört.


Entdecke mehr von Horst Schulte

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

hs010225 a

Mehr lesen aus dieser Kategorie

Medien, Macht und Misstrauen
medienvertrauen tendenzbetriebe

Medien

Medien, Macht und Misstrauen

Das Bundesverwaltungsgericht und die fast unmögliche Hürde
testbild schwarz weiss

Medien

Das Bundesverwaltungsgericht und die fast unmögliche Hürde

Medienkritik im Eigenversuch: Wie Elmar Theveßen die Kurve nicht bekam
markus lanz elmar thevessen medienkritik

Medien

Medienkritik im Eigenversuch: Wie Elmar Theveßen die Kurve nicht bekam

Bereits 80 Mal gelesen80 heute

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


2 Gedanken zu „Asoziale Medien: Von Erwartungen, Echos und Exit-Illusionen“

  1. Ich nutze in der Zwischenzeit auch nur noch Mastodon, Instagram und WhatsApp. Alles Andere wie BlueSky und auch Threads habe ich deaktiviert. Mastodon und Instagram dient mir als Infoquelle.

🕊️ Ein gutes Wort kann Wunder wirken.

Entdecke mehr von Horst Schulte

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen