„Wo die Misthaufen qualmen, da gibt’s keine Palmen.“ Der Spiegel greift also zum Äußersten. Eine Kolumne ($) arbeitet den Dorfbesuch auf, den der Autor im Wohnort von Kanzler Merz nur aus einem Grund aufgesucht hat: um dem geneigten Publikum die Provinzialität der Ansichten unseres Kanzlers vorzuführen – jener Ansichten, die ihn zu seinen umstrittenen Stadtbildäußerungen verleitet haben.

Merz, so der Tenor, sieht Deutschland durch die Brille des Sauerländers. Ein Mann vom Land, der die Großstadt nur bedingt kennt. Wie albern diese Vorstellung ist! Doch vielleicht liegt gerade darin seine Klarheit. Denn was er über das Stadtbild sagte, war keine Phantasie aus dem Hochsitz der Abgehobenheit, sondern eine nüchterne Beschreibung dessen, was viele auch spüren oder sogar am eigenen Leib erfahren.
Dass Merz mit seinen Stadtbild-Beobachtungen ins Schwarze traf, zeigen die Reaktionen – zustimmend wie empört. Die Diskussion läuft weiter, nicht zuletzt, weil er selbst „nachgelegt“ hat. Die Medien tun, was sie am besten können: dramatisieren. Doch im Kern geht es um eine einfache, unbequeme Frage – wie sehr sich das Gesicht unserer Städte verändert hat, und ob wir diesen Wandel noch verstehen oder nur verdrängen.
Laut aktuellen Umfragen (u. a. Ipsos-Sorgenbarometer) zählen Migration, Sicherheit und Ordnung zu den Top-3-Sorgen der Deutschen. Rund 35 % nennen Migration als eines ihrer Hauptthemen. Eine Mehrheit befürwortet konsequentere Grenzmaßnahmen, und viele teilen das Gefühl, dass sich das öffentliche Leben in manchen Innenstädten spürbar gewandelt hat.
Diese Wahrnehmung ist kein Ausdruck von Ressentiment, sondern ein Befund. Wer täglich unterwegs ist – in Berlin, Duisburg oder Frankfurt – sieht, dass Merz’ Worte nicht aus der Luft gegriffen waren. Man kann das Stadtbild beschreiben, ohne Menschen herabzuwürdigen. Genau das hat er getan.
Die Gegenreaktion kam prompt: Süddeutsche Zeitung, taz und andere warfen Merz Pauschalisierung und Spaltung vor. Dass er „das Problem im Stadtbild“ benannte, galt als Provokation. Dabei sagt die Empörung oft mehr über das Unbehagen der Kritiker aus als über Merz selbst. Auch innerhalb der CDU war die Resonanz gespalten. Der Sozialflügel der Partei mahnte, die Wortwahl sei unglücklich gewesen. Doch unglücklich ist eher die politische Sprachlosigkeit, die uns seit Jahren daran hindert, Missstände beim Namen zu nennen, ohne gleich in Lagerdenken zu verfallen.
Es hilft nichts, wenn die Großstadtromantiker aus den Redaktionen uns erklären, was „eigentlich“ gemeint war. Das Stadtbild spricht für sich. Wer hinsieht, erkennt: Ordnung, Sicherheit, Integration – all das sind Themen, die sich im öffentlichen Raum spiegeln. Und sie entscheiden darüber, wie wir uns als Gesellschaft fühlen.
Ich wohne selbst auf dem Land. Vielleicht verstehe ich Merz deshalb gut. Zwischen Dörfern und Städten liegen heute Welten, aber es existieren Spiegelbilder derselben Fragen. Meine Frau und ich waren schon über zehn Jahre nicht mehr in Köln oder Düsseldorf. Vielleicht sind es auch gerade die, die noch den Duft des Misthaufens kennen, die den klareren Blick haben.
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Ich wohne in einer Großstadt, man sieht in den Citys viele obdachlose Menschen, Wohnungsnot und zu teure Wohnungen, interessiert niemanden. Leerstände, vergammelnde Citys, Betonwüsten. Dazu kommen die vielen bettelnden Menschen (nicht nur deutsch aussehende), natürlich stört das, die Probleme sitzen aber tiefer, dafür interessiert sich niemand, dafür ist kein Geld da. Man kann es ja so wie Trump machen, alle Obdachlosen und ähnliche Menschen aus der Stadt karren … Dann sieht man sie nicht mehr.