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Ein Tag der Zweifel – Kanzlerschaft auf dünnem Eis

Der Hammer, dieser Tag! Ich finde es gut, dass die Abgeordneten im Bundestag einen Weg gefunden haben, den zweiten Wahlgang noch heute durchzuführen. Dass Grüne und Linke die Zweidrittel-Mehrheit sicherstellten, sollte für künftige Aufgaben als positives Zeichen gewertet werden. Allerdings frage ich mich, wie die Verantwortlichen sicher sein können, dass die Abtrünnigen sich dann loyal verhalten werden. Viele Fragen stellen sich bereits in der Startphase der künftigen Arbeit der »Großen Koalition« aus Union und SPD?

Denn was, wenn genau das nicht geschieht, wenn sich die Fraktionen nach innen und nach außen zerstritten sind oder Politikansätze unterschiedlich bewerten? Für die Arbeit der neuen Regierung ist diese Geschichte eine schwierige Hypothek.

Was, wenn diese knappe, beinahe peinliche Nichtwahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler kein Betriebsunfall, sondern ein vorsätzlich gesetzter Stolperdraht war? Ein Warnsignal aus den eigenen Reihen – oder schlimmer noch: der Auftakt zu einer innerparteilichen Revolte? Vielleicht haben wir heute nicht nur einen Moment parlamentarischer Spannung erlebt, sondern den ersten Akt einer kommenden Zerreißprobe.

Denkbar wäre, dass konservative Hardliner Merz nicht mehr für den richtigen Mann halten – zu weich für die einen, zu hart für die anderen, zu wenig Kanzlerformat für alle. Oder aber es rumort bei den Jüngeren, die längst einen Generationswechsel erzwingen wollen.

Und was, wenn in dieser Unsicherheit jemand anderes Profil gewinnt? Eine Söder-Karte? Ein Überraschungskandidat aus der zweiten Reihe? Nicht zu vergessen: Der Bundespräsident könnte im dritten Wahlgang plötzlich zum Königsmacher werden – mit völlig ungewissem Ausgang.

Vorstellbar wird auf diesem unsicheren Boden irgendwann ein Kanzler Jens Spahn. Gibt es in diesem Fall eine Koalition mit der AfD? Undenkbar ist das angesichts der Vorgänge in Berlin nicht mehr. Jedenfalls aus meiner Sicht.

Oder auch ein anderes, düsteres Szenario: Die Union zerfällt in Flügel, die einander blockieren. Inmitten einer internationalen Dauerkrise, innenpolitischer Dauererregung und wachsender Radikalisierung. Ein handlungsunfähiger Kanzler – oder gar keiner. Ein Neuwahlroulette. Ein Land in Wartestellung.

Was wir heute gesehen haben, war mehr als ein knapp verpasster Machtmoment. Es war ein Riss in der Fassade. Und durch diesen Riss dringt jetzt all das Licht, das zeigt, wie unsicher die Verhältnisse geworden sind. Vielleicht klappt es heute für Friedrich Merz. Das Land würde an einer sich verschärfenden Krise haarscharf vorbeikommen. Vielleicht!

Carsten Linnemann: Kein Ministeramt – aber ganz nah am Machtzentrum

Carsten Linnemann, einer der engsten Vertrauten von Friedrich Merz und lange als Favorit für das Wirtschaftsministerium gehandelt, hat sich bewusst gegen ein Ministeramt entschieden. Stattdessen will er als Generalsekretär den begonnenen Erneuerungsprozess der CDU weiterführen. In einem Video betonte Linnemann, dass sein „Bauchgefühl“ ihm zu dieser Entscheidung geraten habe – und er als Generalsekretär den Politikwechsel besser vorantreiben könne.

Was könnte hinter Linnemanns Entscheidung stecken?

Man darf sich nicht täuschen lassen: Die Entscheidung kam nicht aus heiterem Himmel, und auch nicht allein aus dem Bauch. Hinter den Kulissen war Linnemann sehr wohl interessiert an einem Ministeramt – insbesondere am Arbeits- und Sozialministerium, das nun an die SPD geht. Auch das Wirtschaftsministerium stand im Raum, doch für den bekennenden Mittelstandsfan und Wirtschaftsexperten Linnemann schien das nicht attraktiv genug zu sein.

Koalitionsarithmetik, nennt man so etwas nüchtern. Wer mitregieren will, muss nehmen, was übrig bleibt. Doch genau das wollte Linnemann offenbar nicht. Seine Entscheidung ist also mehr als nur Ausdruck innerparteilicher Demut – sie ist auch ein Ausdruck strategischer Klugheit.

Einfluss ohne Ministeramt

Denn während Minister kommen und gehen, bleibt der Generalsekretär. Linnemann sitzt künftig im Koalitionsausschuss – dort, wo die politische Linie verhandelt und verfeinert wird. Dort, wo Macht nicht inszeniert, sondern ausgeübt wird.

Mit anderen Worten: Er bleibt im Maschinenraum der Macht, wo die eigentlichen Weichen gestellt werden. Nicht im gleißenden Scheinwerferlicht eines Ressorts – sondern als Architekt im Schatten, wo Pläne geschmiedet und Mehrheiten geformt werden.

Reaktionen: Lob, Irritation und strategische Deutung

Innerhalb der CDU wird dieser Schritt weitgehend begrüßt. Parteichef Merz freut sich über die Entscheidung seines Vertrauten, und auch Jens Spahn spricht von einer „echt guten Nachricht“. Die CDU sendet damit ein Signal der Selbstbehauptung: Wir sind nicht bloß Teil der Regierung, wir haben einen Plan.

Doch außerhalb der Partei sorgt der Schritt für Stirnrunzeln. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann fragt, was denn da bei der CDU los sei, wo sich doch jemand, der sich öffentlich für ministrabel hielt, nun selbst zurückzieht. Auch das gehört zum politischen Spiel: das Lesen zwischen den Zeilen.

Die CDU jedenfalls scheint auf Kontinuität und Geschlossenheit zu setzen. Auf das stabile Fundament einer Partei, die sich nicht allein über Posten definiert, sondern über Richtung und Haltung.

Was bedeutet das für die CDU?

Linnemanns Verzicht auf ein Ministeramt ist ein Statement: Politikwechsel braucht Geduld – und einen langen Atem. Linnemann will sich nicht verzetteln, nicht aufreiben im Tagesgeschäft eines Ministeriums. Er sagt, er wolle gestalten, aber mit Plan – nicht mit Aktionismus.

Mit Linnemann bleibt eine Schlüsselfigur an Bord, die sowohl das Ohr an der Basis als auch das Vertrauen der Parteispitze hat. Es ist der Versuch, Regierungsverantwortung und parteipolitische Profilschärfung in Einklang zu bringen – eine Kunst, die vielen schwerfällt.

Welche Schlussfolgerung kann man ziehen?

Die NZZ hat ihre Analyse bereits geliefert – in gewohnt skeptischem Tonfall. Dort wird an keiner deutschen Entscheidung ein gutes Haar gelassen. So kennt man es aus Zürich.

Das ist ein klares Misstrauensvotum gegen die künftige schwarz-rote Regierung.

Quelle

Doch jenseits der harschen Urteile bleibt festzuhalten: Carsten Linnemann wird der CDU als Taktgeber erhalten bleiben – nicht auf der Bühne eines Ministeriums, sondern als Strippenzieher und Vordenker im Hintergrund.

Misstrauen gegen Merz? Kaum. Eher die Einsicht, dass die Bühne des Tagesgeschäfts nicht jedem liegt – und man im Feuergefecht der Öffentlichkeit schneller verbrennt, als man denkt. Wer will schon zur Zielscheibe medialer Zermürbung werden, wie weiland Robert Habeck?

Vielleicht hat Linnemann genau dieses Szenario im Kopf. Vielleicht kennt er die Stimmungslage in einer Koalition, die noch nicht einmal geboren, aber schon von Geburtswehen geplagt ist. Sein Schritt wirkt da weniger als ein Rückzug – und mehr als eine kalkulierte Offensive.

Ein Generalsekretär, der weiß, wo er hingehört. Und wann man besser nicht Minister wird. Persönlich bin ich froh über Linnemanns Entscheidung. Er wäre auf dem Chefsessel des Wirtschaftsminister trotz seines Studiums der Volkswirtschaft untergegangen. Inszeniert wird Linnemanns Entscheidung von der CDU möglicherweise als Kontrapunkt auf Merz’ Vorgehen bei der Schuldenbremse.

Grundgesetz vs. Realität: Ein Blick auf Merz’ Staatsbürgerschaftspläne

Wenn der kommende Kanzler im Wahlkampf davon redet, dass straffällig gewordenen Deutschen, die eine zweite Staatsbürgerschaft besitzen, diese aberkannt werden solle, zucken viele zusammen. Das war nicht anders zu erwarten. Aber die Polarisierung wird sich verstärken, wenn Politik sich weiterhin nicht um den gesellschaftlichen Frieden schert, sondern ideologischen Überzeugungen den gleichen Raum gibt wie bisher. Pragmatismus muss einkehren. Handeln muss die Laberei ersetzen. In anderen europäischen Ländern hat man das begriffen.

Grundgesetz ändern?

Das Zucken innerhalb unserer Gesellschaft geht vielleicht weniger darauf zurück, dass wir uns an unser Grundgesetz erinnern. Es ist von Menschen gemacht und es kann von Menschen auch geändert werden. Das passiert übrigens auch häufiger, als viele glauben. Sich aufs Grundgesetz zu beziehen, ist in manchen Kreisen unserer Gesellschaft offenbar zum beliebten Vehikel geworden. Dieser Eindruck drängt sich mir auf. Und zwar nicht nur bei diesem Thema.

Wir waren möglicherweise zu lange sicher, dass bestimmte Äußerungen, wenn es um Ausländer (nicht nur die mit deutschem Pass) geht, zu vermeiden sind. Man könnte ja Menschen verletzen, die es nicht “verdient” haben. Ich wäre aus heutiger Sicht geneigt, hinzufügen: um jeden Preis.

Wir haben uns mit den sogenannten Zeiten verändert, der Umgang im Land ist oft ruppig bis rücksichtslos. Das lässt sich mit Anzeigen gegen die besonders ruppigen Exemplare unter uns Bürgern nicht ändern oder gar rückgängig machen. Wir werden unseren Umgang damit erlernen müssen. Oder wie hat Frau Weisband es so treffend formuliert?

Nun kann man darüber streiten, von wem dieser Unfrieden im Wesentlichen ausgeht. Gestern las ich, dass die Zahl rechter Gewalttaten vergangenes Jahr auf Rekordniveau waren. Dass diese Gewalttaten sich überwiegend auf Propaganda-Delikte (dummes, rechtes Zeugs) bezog, ging vielleicht unter.

Rechte Gewalt

Zu den bisher registrierten Straftaten zählen nach RND-Angaben 1.136 Gewaltdelikte, nach 1.270 im gesamten Jahr 2023. Den größten Anteil machten mit 21.311 demnach aber auch 2024 sogenannte Propaganda-Delikte aus und Volksverhetzungen mit 5.097 Fällen. Zudem seien 1.942 Sachbeschädigungen verzeichnet worden.

Quelle

Wir kennen die Reaktion auf derartige Aussagen. The same procedure as ever. Die Kritik lässt nie lange auf sich warten.

Was wir zuletzt wieder an Silvester auf vielen Straßen (nicht nur in Großstädten wie Berlin oder Köln) erlebt oder mitansehen mussten (auch in unserer Kreisstadt Bergheim wurden Autos abgefackelt – die Klientel war identisch [junge Männer mit arabischem Aussehen]), wollen viele Menschen nicht länger hinnehmen. Es gibt aus Gründen der politischen Korrektheit (& Presse-Kodex) einmal mehr kaum gesicherte Zahlen über die Klientel, die für diese gefährlichen Eingriffe verantwortlich zu machen ist, aber die Aussagen von unabhängigen Beobachtern (WDR Journalisten) machen vor allem Ausländer (junge Männer mit arabischem Aussehen) verantwortlich. Die Rede war von 95 %.

Randalierer ausländischer Herkunft

Wer mir diesen hohen Anteil von Randalieren nicht “abkauft”, der könnte sich die zahlreichen Videos auch dieser letzten Silvesternacht zu Gemüte führen. Mir ist natürlich klar, dass insbesondere bei solchen Diskussionen der Streit darüber, von wem Gewalt ausgeht, unvermeidlich ist. Es kann halt nicht sein, was nicht sein darf. Im Zweifel wird die Verantwortung für die Eskalation der Polizei zugewiesen. So ticken viele Menschen im Land, also nicht nur Grüne.

Ob Merz’ Ansage je Realität wird, ist offen. Schließlich schaffen wir es bisher nicht einmal, die Menschen abzuschieben, die keinen deutschen Pass besitzen und die polizeilich mehrfach auffällig werden und für unsere Bürger zur Gefahr geworden sind. Wie gefährlich das sein kann, zeigen schlimme Beispiele unserer jüngeren Vergangenheit. Das ist das Versagen des Staates, der für sich das Gewaltmonopol reklamiert.

Stimmt die AfD dafür?

Merz ist sich im Klaren darüber, dass seine Pläne Grundgesetzänderungen bedingen. Bei diesem speziellen Thema dürfte die AfD wohl der Koalition der Willigen hinzugerechnet werden. Ob die Union das noch nicht überblickt? Der Blick in die Alpenrepublik Österreich hilft, um sich Klarheit zu verschaffen.

Die Sperrminorität sollte die Balance zwischen Mehrheitsentscheidungen und dem Schutz von Minderheiteninteressen sichern und die Macht der Mehrheit begrenzen. Das Ziel: Die Verfassung sollte stabiler und besser geschützt werden.

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Bei der Änderung der “Schuldenbremse”, die die Union gleich nach den Bundestagswahlen in Angriff nehmen wird (ich unterstelle das, bzw. bin davon fest überzeugt!) wird die AfD mit einer möglichen Sperrminorität im Bundestag eine schwere Bürde. Welche Art von “Kompromissen” dann nötig wäre, kann man sich denken.

Im Bundestag ist eine Sperrminorität bei 33 Prozent der Abgeordnetenstimmen erreicht. BSW und AfD müssten jedoch nicht auf diesen Wert kommen, gibt der Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer zu bedenken. „Bei vergangenen Wahlen gingen erhebliche Stimmenanteile an kleinere Parteien, die unter der Fünfprozenthürde blieben“, sagte Arzheimer dem Handelsblatt.

Dies könnte diesmal sogar die FDP treffen, die dann womöglich nicht den Sprung über die Fünfprozenthürde schafft. Dasselbe droht auch der Linken. „Ein gemeinsamer Stimmenanteil von AfD und BSW von etwa 30 Prozent oder knapp darunter könnte deshalb ausreichend sein, um eine Sperrminorität von einem Drittel der Sitze im Parlament zu erzielen“, erklärte Arzheimer. Denkbar sei natürlich auch, dass das BSW selbst unter der Fünfprozenthürde bleibt. Dann wäre eine Blockademacht der AfD eher unwahrscheinlich.

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SPD, Grüne und FDP werden einem solchen Ansinnen wohl eher die kalte Schulter zeigen. Das bestätigt nur meine schlechte Meinung über “die Ampel”. Ich erkenne im Verhalten, dass die Parteien (alle!) nicht das Wohl des Landes, sondern ihr eigenes im Fokus haben. Die Parteien haben sich diesen Staat unter den Nagel gerissen. Gilt das noch als Verschwörungstheorie?

Ich glaube, es ist viel zu tun und alle Parteien sollten sich einmal darauf besinnen, wozu sie laut Grundgesetz verpflichtet sind. Schaden vom Land und seiner Bevölkerung abzuwenden sollte sich irgendwo darin finden lassen. Man hört, dass es Eidesformeln gibt, die so etwas Ähnliches enthalten:

„Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.

Grundgesetz § 56

Ich denke oft darüber nach, was die Menschen mit anderer Herkunft bei solchen Diskussionen empfinden werden, die seit Jahr und Tag hier leben und mit derartigen Vorbehalten konfrontiert werden, die natürlich auch von solchen Meinungsäußerungen wie der meinen ausgehen und die wir ja nicht nur in Wahlkampfzeiten führen.

Generell wird die Debatte um eine härtere Migrationspolitik diese Menschen nicht erfreuen, weil zu vieles nach Verallgemeinerung und permanenten Schuldzuweisungen klingt. Andererseits weiß ich, dass viele Migranten überhaupt nicht verstehen, wie ineffizient und an vielen Stellen nachsichtig deutsche Behörden und Gerichte (wohl aus den falschen Gründen) mit ausländischen Straftätern umgehen. Auch sie wollen in Frieden leben.

Die falschen Gründe

Vielleicht sind es aber auch gar keine “falschen Gründe”, die heute unsere Gesellschaft spalten, sondern es liegt ein Menschenbild zugrunde, das den einen heilig ist, von dem wiederum die anderen glauben, dass eine Laissez-faire-Einstellung den gesellschaftlichen Konflikten im Land schon lange nicht mehr gerecht wird.

Idealismus ist eine tolle Sache. Aber er hat auch seine Grenzen.

Politischer Schlagabtausch: Merz’ Angriffe und Habecks Standhaftigkeit

Ich wünschte, wir hätten eine Bundesregierung mit souverän auftretenden Politikern. Der Auftritt des Oppositionsführers, Friedrich Merz, setzt diesem Wunsch Grenzen, die mich, nebst meinem Wunsch, in sich zusammensacken lassen.

Auch die Art und Weise, in der Friedrich Merz Robert Habeck in der Illner-Sendung persönlich anging, war für ein erstklassiges Beispiel eines bestimmten Typus von Politikern, die mich nie überzeugen werden. Es gibt wohl viele Menschen im Land, die die kritische Haltung zu Merz teilen. Dass er angeblich noch unbeliebter als Olaf Scholz ist, hat mich trotzdem überrascht.

Für mich waren Habecks Ausführungen in sich schlüssig. Ich bin immer wieder aufs Neue geneigt, auch den Positionen grüner Politiker etwas abzugewinnen. Dass sich das nach deren Auftritten in den Medien rasch wieder in Nichts auflöst, ist wahrscheinlich zum Teil dem immensen Druck geschuldet, unter dem grüne Politiker und deren Politik in der öffentlichen Meinung gestellt sind.

Habeck ließ sich von Merz’ geradezu unverschämten Vorhaltungen nicht provozieren. Allein dieser Umstand hat mich (wieder) beeindruckt. Auf die persönlichen Angriffe ging Habeck nicht ein, er antwortete ruhig und sachlich. Allerdings — fand ich — merkte man Habeck an, dass die Ansagen von Merz ihn getroffen haben. Ich konnte das gut nachvollziehen.

Es ist etwas wenig, wenn Teile der Bundesregierung (primär die Grünen) die großen Probleme unseres Landes (nicht nur der Wirtschaft, Herr Merz!) häufig mit den 16 Jahren nachlässiger Regierungspolitik der CDU/CSU-Koalitionen mit der FDP und der SPD erklärt. Einerseits ist das schon deshalb schwierig, weil zwei der damals verantwortlichen Parteien heute Koalitionspartner der Grünen sind.

Es ist allerdings evident (sicher auch für die 30 % der Bundesbürger, die relativ kurz nach September 2021 schon wieder bereit sind, die Union zu wählen) dass die massiven Versäumnisse der Merkel-CDU-Ära (Migrationspolitik, Infrastruktur, Arbeitskräftemangel, Klimaschutz, Ausgabenpolitik, Beziehungen zu Russland — Nord Stream 2) zu einem erheblichen Teil das Dilemma verursacht haben, in dem wir heute stecken.

Im Kern hat Habeck die Unterschiede und Linien gegenüber der früheren Wirtschaftspolitik nachvollziehbar dargelegt. Allein die geopolitischen Veränderungen, die in den beiden letzten Jahren (u. a. Kriege, Spannung zwischen autokratischen und demokratischen Staaten) manifest wurden, zeigen, dass Europa und Deutschland mit der von CDU/CSU und FDP favorisierten Zurückhaltung des Staates die Nachteile nicht zu kompensieren sein werden. Ich glaube allerdings andererseits nicht daran, dass der Staat plötzlich gewisse Dinge besser beurteilen oder steuern könnte als die Wirtschaft. Außerdem wurden Habeck die finanziellen Mittel gestrichen (Urteil Bundesverfassungsgericht), um die aus verschiedensten Gründen nötig gewordene Transformation zu realisieren.

Dass Deutschland gut beraten ist, nicht in die augenblickliche Krise (die laut unseres Kanzlers bekanntlich nur psychologisch existieren soll) hineinzusparen, scheint mir eine Binsenweisheit, die unser Finanzminister aus parteitaktischen Gründen nicht zu kennen vorgibt. Jedenfalls verhält er sich anders.

Die Subventionstöpfe wurden von den USA, China und anderen Staaten mit wahnsinnig viel Geld gefüllt. Wir wundern uns über anhaltende Rückgänge von Investitionen in Deutschland. Geld zieht es dorthin, wo die besten Chancen gegeben sind. Es hat eine magnetische Wirkung. Lindners FDP glaubt, dass der Bundeshaushalt in seiner Rekordhöhe in seiner ganzen Pracht genügend Sparpotenziale birgt. Ich denke, wir wissen alle, dass sich mit solchen Annahmen trefflich Politik gestalten lässt. Und zwar primär zu Lasten derjenigen Bevölkerungsgruppen, die keine Lobby besitzen. Natürlich wird es am Ende gegen den Sozialstaat laufen. Sollte sich die Chance auftun, dass Union und FDP eine neue Regierung bilden könnten, wird meine Vermutung schnell zur Realität werden.

Ich bin (sehr) kritisch gegenüber Teilen der Politik von SPD und Grünen. Mir ist trotzdem klar, welche Politik sogenannte bürgerliche Koalitionen angesichts des absehbaren Drucks auf die öffentlichen Kassen in Zukunft machen werden. Ich möchte das nicht! Da will ich doch lieber daran glauben, dass an Scholz’ Fantasien was dran ist und die Konzepte von Robert Habeck kurzfristig zumindest eine erkennbare Verbesserung der wirtschaftlichen Lage im Land bringen werden.

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