Der Krieg der Institute

Es ist schon arg, wenn es zu vie­le Wahr­hei­ten gibt. Sogar Insti­tu­te haben ver­schie­de­ne. Bei mei­ner Kauf­manns­ge­hil­fen­prü­fung 1971 wur­de ich gefragt, was in den letz­ten Jah­ren mehr gestie­gen sei, die Prei­se oder die Löh­ne und Gehäl­ter. Ich ant­wor­te­te und zwar wie aus der Pis­to­le geschos­sen: Die Prei­se! Alte Daten, fal­sche Daten Der Ein­stieg in die münd­li­che Prü­fung erfolg­te „nach Maß“. Die Löh­ne und Gehäl­ter waren es, die stär­ker gestie­gen waren. So beur­tei­len es die 4 Prü­fer. Sie frag­ten: „Was glau­ben Sie, wes­halb es Ihnen heu­te so gut geht?“ Ich war so ein Schis­ser, dass ich erst gar nicht ver­such­te, die­ser Exper­ti­se zu wider­spre­chen. Aus der heu­ti­gen Sicht glau­be ich immer noch nicht, dass die­se Typen damals wirk­lich recht hat­ten. Mei­ne Fami­lie steck­te damals immer noch in einer finan­zi­el­len Durst­stre­cke, die mit und mit erst gegen Mit­te der 1970er Jah­re deut­lich posi­ti­ver ent­wi­ckel­te. Aber wie das so ist, jeder hat sei­ne eige­ne Wahr­neh­mung. Oder soll­te man sagen Wahr­heit? Letz­te Woche… 

HS230625

Horst Schulte

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Es ist schon arg, wenn es zu vie­le Wahr­hei­ten gibt. Sogar Insti­tu­te haben verschiedene.

Bei mei­ner Kauf­manns­ge­hil­fen­prü­fung 1971 wur­de ich gefragt, was in den letz­ten Jah­ren mehr gestie­gen sei, die Prei­se oder die Löh­ne und Gehäl­ter. Ich ant­wor­te­te und zwar wie aus der Pis­to­le geschos­sen: Die Preise!

Alte Daten, falsche Daten

Der Ein­stieg in die münd­li­che Prü­fung erfolg­te „nach Maß“. Die Löh­ne und Gehäl­ter waren es, die stär­ker gestie­gen waren. So beur­tei­len es die 4 Prü­fer. Sie frag­ten: „Was glau­ben Sie, wes­halb es Ihnen heu­te so gut geht?“ Ich war so ein Schis­ser, dass ich erst gar nicht ver­such­te, die­ser Exper­ti­se zu wider­spre­chen. Aus der heu­ti­gen Sicht glau­be ich immer noch nicht, dass die­se Typen damals wirk­lich recht hat­ten. Mei­ne Fami­lie steck­te damals immer noch in einer finan­zi­el­len Durst­stre­cke, die mit und mit erst gegen Mit­te der 1970er Jah­re deut­lich posi­ti­ver entwickelte.

Aber wie das so ist, jeder hat sei­ne eige­ne Wahr­neh­mung. Oder soll­te man sagen Wahrheit?

Letz­te Woche berich­te­te das DIW, dass die Mit­tel­schich­ten in den USA und in Deutsch­land wei­ter an Brei­te ver­lo­ren hat. Der Mit­tel­stand schmilzt schon seit Jah­ren – sagen die Exper­ten die­ses Insti­tuts. Die ande­ren – nen­nen wir sie die Ver­tre­ter der wirt­schafts­freund­li­chen Sei­te (Prof. Hüt­her vom IW) behaup­ten das glat­te Gegen­teil. Die Mit­tel­schicht sei seit Jah­ren (wie­der) stabil.

Krieg der Institute

Erneut sto­ßen zwei Exper­ti­sen auf­ein­an­der. Nach­dem das DIW, Ber­lin, in einer neu­en Stu­die die fort­ge­setz­te Auf­lö­sung des Mit­tel­stan­des beschreibt, tritt das IW in Köln zur Gegen­of­fen­si­ve an. Dort schreibt man, für mei­nen Geschmack, etwas aggres­siv über eine „frag­wür­di­ge Ver­un­si­che­rung“.

Betrie­ben wer­de die­se (Ver­un­si­che­rung) durch das DIW. Die Wirt­schafts­wo­che hat­te die Stu­die ver­gan­ge­ne Woche veröffentlicht.

Das IW (Insti­tut der Deut­schen Wirt­schaft) wird viel­leicht nicht ganz objek­tiv urtei­len. Aber kann man das vom DIW behaup­ten? Gut, es ist ein Insti­tut der Leib­nitz Gesell­schaft (wie u.a. auch das Ifo-Insti­tut) und es besteht bereits seit 1925. Das IW gibts immer­hin auch schon seit 1951. Immer im Diens­te der Deut­schen Wirt­schaft. Ehr­lich gesagt, mir reicht das für ein Urteil 🙂

Prekäre Beschäftigung hat jahrelang zugenommen, für Institute kein Indikator?

Der star­ke Anstieg pre­kä­rer Beschäf­ti­gung, die von nie­man­dem ange­zwei­felt wer­den dürf­te, soll sich also in Bezug auf die Sta­bi­li­tät der Mit­tel­schicht nicht aus­ge­wirkt haben? Teu­fel auch. Hat etwa der eben ein­ge­führ­te Min­dest­lohn schon gewirkt? Nein. Alles falsch! Nach Mei­nung des IW stam­men die Zah­len des DIW aus dem Zeit­raum von vor 10 Jah­ren. Da fragt sich der Betrach­ter der Daten aber schon, war­um die oben abge­bil­de­ten Dia­gram­me des DIW bis 2013 und 2015 rei­chen? Hat das DIW mit einer alten Zah­len­ba­sis gear­bei­tet und die­se hochgerechnet?

Das DIW erklärt die Daten:

[symple_​box color=„green“ fade_in=„false“ float=„center“ text_align=„left“ width=„“]Auch für Deutsch­land lässt sich ein rela­ti­ves Schrump­fen der Grup­pe mit mitt­le­ren Ein­kom­men beobachten.[/symple_box]

[symple_​box color=„yellow“ fade_in=„false“ float=„center“ text_align=„left“ width=„“]Auch bei Ver­wen­dung von bedarfs­ge­wich­te­ten ver­füg­ba­ren Haus­halts­ein­kom­men inklu­si­ve des Miet­werts selbst­ge­nutz­ten Wohn­ei­gen­tums – das Stan­dard­kon­zept zur Berech­nung von Ein­kom­mens­un­gleich­heit und rela­ti­vem Armuts­ri­si­ko in der Armuts- und Reich­tums­be­richt­erstat­tung der Bun­des­re­gie­rung – zeigt sich ein Rück­gang der mitt­le­ren Ein­kom­men um sie­ben Pro­zent­punk­te. Betrach­tet man nur die Ent­wick­lung seit 1991 hat die Mit­te in Deutsch­land um knapp sie­ben Pro­zent­punk­te abge­nom­men. Die Ent­wick­lung hat danach vor allem nach der Jahr­tau­send­wen­de statt­ge­fun­den. [/​symple_​box]

Tafeln kein Indikator für wachsende Armut?

Was jeder sehen kann ist doch, dass die Zahl der Leu­te, denen es in Deutsch­land nicht so toll geht (und dazu gehö­ren ja ver­mut­lich nur nur Berufs­tä­ti­ge) deut­lich klei­ner ist, als sie Anfang der 1980er Jah­re war.

Herr Hüt­her empör­te sich kürz­lich in einer Talk­show, weil dort jemand die zah­len­mä­ßi­ge Ent­wick­lung der deut­schen Tafeln als Indi­ka­tor für zuneh­men­de Armut ins Spiel gebracht hat. Hüt­her fand, dies sei nicht mög­lich. Der Teil, der Men­schen, die am unten Ende der Ein­kom­mens­ska­la leben, hat auch nach den DIW-Zah­len zuge­nom­men. Was auch sonst?

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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2 Gedanken zu „Der Krieg der Institute“

  1. Man kann Zah­len so lan­ge hin- und her rech­nen, bis sie dem Auf­trag­ge­ber der Sta­tis­tik genehm sind.
    LG
    Sabienes

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