Kästner und der kleine Dienstag

Nicht jeder ver­mag es, akti­ven Wider­stand gegen die Bar­ba­rei zu leisten.

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In der ARD-Media­thek stieß ich zufäl­lig auf den Film: „Käst­ner und der klei­ne Diens­tag“. Vor­her hat­te ich nie davon gehört. Die wich­tigs­ten Per­so­nen im Film sind Erich Käst­ner selbst und sein viel­leicht größ­ter Fan, Hans Albrecht Löhr. Die Autorin Doro­thee Schön schrieb das Dreh­buch zum Film. Er beruht auf wah­ren Begebenheiten.

Ich hof­fe, vie­le von uns wis­sen eini­ges über Erich Käst­ner – über sein Werk, sei­ne pazi­fis­ti­sche Hal­tung (die auch nach Kriegs­en­de deut­lich war), sei­nen wun­der­ba­ren Humor und die Über­zeu­gun­gen, die er in sei­nen Tex­ten für uns alle erhal­ten hat.

Er war (als ein­zi­ger der ins­ge­samt 25 betrof­fe­nen Schrift­stel­ler) per­sön­lich anwe­send, als – nicht die Nazis – son­dern „nor­ma­le“ Stu­den­ten im Mai 1933 nicht nur sei­ne eige­nen, son­dern auch die Bücher von Sieg­mund Freud, Tho­mas und Hein­rich Mann, Erich Maria Remar­que, Bert Brecht und vie­len ande­ren öffent­lich als „undeut­sche Lite­ra­tur“ ver­brannt wurden. 

Der Film ist nur noch bis zum 30.12.2019 in der ARD-Media­thek verfügbar. 

Erich Käst­ner hat in sei­nem lite­ra­ri­schen Werk vie­le berühm­te Sät­ze auf­ge­schrie­ben, die unse­re heu­ti­gen Zita­te­samm­lun­gen berei­chern. So sehr sei­ne Lese­rIn­nen sich an die­sen erfreu­en dür­fen, als Held des Wider­stan­des gegen die Nazis fühl­te er sich wohl nie. Er schien sich sei­ner Schwä­chen und Ängs­te in und vor der Gewalt­herr­schaft der Nazis bewusst.

Dass wir wie­der wer­den wie Kin­der, ist eine uner­füll­ba­re For­de­rung.
Aber wir kön­nen zu ver­hü­ten ver­su­chen, dass die Kin­der so wer­den wie wir.

(Erich Käst­ner)

Es gibt wohl klu­ge Ana­ly­sen zu Käst­ner und sei­nem Prag­ma­tis­mus. Ich glau­be, er hat sich, wie so vie­le Men­schen sei­ner Gene­ra­ti­on, mit den bestehen­den Ver­hält­nis­sen und den auf bru­tals­te Art und Wei­se herr­schen­den Bedin­gun­gen arran­giert, weil er schlicht und ergrei­fend über­le­ben woll­te. Er fand in sei­nen Tex­ten einen Weg, die­ses Dilem­ma pro­duk­tiv für sich aber gleich­zei­tig auch zum Vor­teil der Men­schen sei­ner Zeit zu nut­zen. Das gilt auch für die Zeit, in der ihm das Schrei­ben unter sei­nem eige­nen Namen durch die Nazis ver­bo­ten wur­de. Dass es ihm unter Pseud­ony­men vom Regime erlaubt war, zu tex­ten, wirft ein Schlag­licht auf die Ver­kom­men­heit der Macht­ha­ber, denen in die­ser Zeit bril­lan­te deutsch­spra­chi­ge Lite­ra­ten wohl fast ganz abhan­den gekom­men waren.

Der Film macht auch deut­lich, dass das unsäg­li­che Leid jener Zeit von vie­len geteilt wur­de. Auch wenn tota­li­tä­re Regime mit ihren Mög­lich­kei­ten, Men­schen quä­len und unter­drü­cken kön­nen, vie­le von ihnen nut­zen ihren frei­en Geist und ihren Humor nicht nur, um per­sön­lich erfah­re­ne Repres­sa­li­en zu über­ste­hen, son­dern auch ande­ren Kraft zum Wei­ter­le­ben zu geben. 

So ein Mensch war Erich Käst­ner für mich. 


Die­ser Tweet passt irgend­wie zum „Sati­re“ – Bei­trag von Fri­day for Future mit dem die Öffent­lich­keit kurz vor Weih­nach­ten beglückt wur­de. Sol­che Vor­wür­fe sind nicht neu, im Gegen­teil. Die Gedan­ken, die Men­schen zu sol­chen Schlüs­sen brin­gen, sind schon nach­voll­zieh­bar. Aber sie wer­den trotz­dem allen, die damals leb­ten, wahr­schein­lich in keins­ter Wei­se gerecht wer­den kön­nen. Es ist so leicht, die­se Vor­wür­fe zu for­mu­lie­ren und vie­le tau­send Men­schen vor den Kopf zu sto­ßen, wenn man nie in ver­gleich­ba­ren Ver­hält­nis­sen leben musste.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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2 Gedanken zu „Kästner und der kleine Dienstag“

  1. Schulte Anne 1 29. Dezember 2019 um 15:04

    Ich habe die­sen Film zum zwei­ten Mal gese­hen und fand ihn auch jetzt noch abso­lut sehens­wert. Vor ein paar Tagen besuch­te ich die Vor­füh­rung Wal­ter Sitt­ler und die Sex­tan­ten. Weih­nach­ten mit Erich Käst­ner. Die­se brach­te mich dazu mei­ne Alten Käst­ner Bücher noch ein­mal vorzuholen.
    Übri­gens wird sein damals hoch­kri­ti­sier­tes Buch „Fabi­an die Geschich­te eines Mora­lis­ten“ von Domi­nik Graf neu ver­filmt. Erscheint im Herbst 2020

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