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Gesellschaft

Kästner und der kleine Dienstag

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von Horst Schulte

4 Min. Lesezeit

Nicht jeder ver­mag es, akti­ven Wider­stand gegen die Bar­ba­rei zu leisten.

featuredimage

Die Zeiten ändern sich.

Die­ser Bei­trag scheint älter als 5 Jah­re zu sein – eine lan­ge Zeit im Inter­net. Der Inhalt ist viel­leicht veraltet.

In der ARD-Media­thek stieß ich zufäl­lig auf den Film: »Käst­ner und der klei­ne Diens­tag«. Vor­her hat­te ich nie davon gehört. Die wich­tigs­ten Per­so­nen im Film sind Erich Käst­ner selbst und sein viel­leicht größ­ter Fan, Hans Albrecht Löhr. Die Autorin Doro­thee Schön schrieb das Dreh­buch zum Film. Er beruht auf wah­ren Begebenheiten.

Ich hof­fe, vie­le von uns wis­sen eini­ges über Erich Käst­ner – über sein Werk, sei­ne pazi­fis­ti­sche Hal­tung (die auch nach Kriegs­en­de deut­lich war), sei­nen wun­der­ba­ren Humor und die Über­zeu­gun­gen, die er in sei­nen Tex­ten für uns alle erhal­ten hat.

Er war (als ein­zi­ger der ins­ge­samt 25 betrof­fe­nen Schrift­stel­ler) per­sön­lich anwe­send, als – nicht die Nazis – son­dern »nor­ma­le« Stu­den­ten im Mai 1933 nicht nur sei­ne eige­nen, son­dern auch die Bücher von Sieg­mund Freud, Tho­mas und Hein­rich Mann, Erich Maria Remar­que, Bert Brecht und vie­len ande­ren öffent­lich als »undeut­sche Lite­ra­tur« ver­brannt wurden. 

Der Film ist nur noch bis zum 30.12.2019 in der ARD-Media­thek verfügbar. 

Erich Käst­ner hat in sei­nem lite­ra­ri­schen Werk vie­le berühm­te Sät­ze auf­ge­schrie­ben, die unse­re heu­ti­gen Zita­te­samm­lun­gen berei­chern. So sehr sei­ne Lese­rIn­nen sich an die­sen erfreu­en dür­fen, als Held des Wider­stan­des gegen die Nazis fühl­te er sich wohl nie. Er schien sich sei­ner Schwä­chen und Ängs­te in und vor der Gewalt­herr­schaft der Nazis bewusst.

Dass wir wie­der wer­den wie Kin­der, ist eine uner­füll­ba­re For­de­rung.
Aber wir kön­nen zu ver­hü­ten ver­su­chen, dass die Kin­der so wer­den wie wir.

(Erich Käst­ner)

Es gibt wohl klu­ge Ana­ly­sen zu Käst­ner und sei­nem Prag­ma­tis­mus. Ich glau­be, er hat sich, wie so vie­le Men­schen sei­ner Gene­ra­ti­on, mit den bestehen­den Ver­hält­nis­sen und den auf bru­tals­te Art und Wei­se herr­schen­den Bedin­gun­gen arran­giert, weil er schlicht und ergrei­fend über­le­ben woll­te. Er fand in sei­nen Tex­ten einen Weg, die­ses Dilem­ma pro­duk­tiv für sich aber gleich­zei­tig auch zum Vor­teil der Men­schen sei­ner Zeit zu nut­zen. Das gilt auch für die Zeit, in der ihm das Schrei­ben unter sei­nem eige­nen Namen durch die Nazis ver­bo­ten wur­de. Dass es ihm unter Pseud­ony­men vom Regime erlaubt war, zu tex­ten, wirft ein Schlag­licht auf die Ver­kom­men­heit der Macht­ha­ber, denen in die­ser Zeit bril­lan­te deutsch­spra­chi­ge Lite­ra­ten wohl fast ganz abhan­den gekom­men waren.

Der Film macht auch deut­lich, dass das unsäg­li­che Leid jener Zeit von vie­len geteilt wur­de. Auch wenn tota­li­tä­re Regime mit ihren Mög­lich­kei­ten, Men­schen quä­len und unter­drü­cken kön­nen, vie­le von ihnen nut­zen ihren frei­en Geist und ihren Humor nicht nur, um per­sön­lich erfah­re­ne Repres­sa­li­en zu über­ste­hen, son­dern auch ande­ren Kraft zum Wei­ter­le­ben zu geben. 

So ein Mensch war Erich Käst­ner für mich. 


Die­ser Tweet passt irgend­wie zum »Sati­re« – Bei­trag von Fri­day for Future mit dem die Öffent­lich­keit kurz vor Weih­nach­ten beglückt wur­de. Sol­che Vor­wür­fe sind nicht neu, im Gegen­teil. Die Gedan­ken, die Men­schen zu sol­chen Schlüs­sen brin­gen, sind schon nach­voll­zieh­bar. Aber sie wer­den trotz­dem allen, die damals leb­ten, wahr­schein­lich in keins­ter Wei­se gerecht wer­den kön­nen. Es ist so leicht, die­se Vor­wür­fe zu for­mu­lie­ren und vie­le tau­send Men­schen vor den Kopf zu sto­ßen, wenn man nie in ver­gleich­ba­ren Ver­hält­nis­sen leben musste.

IMG 2084

Ich bin Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

alleiniger Autor dieses Blogs

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

Artikelinformationen:

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2 Gedanken zu „Kästner und der kleine Dienstag“

  1. Ich habe die­sen Film zum zwei­ten Mal gese­hen und fand ihn auch jetzt noch abso­lut sehens­wert. Vor ein paar Tagen besuch­te ich die Vor­füh­rung Wal­ter Sitt­ler und die Sex­tan­ten. Weih­nach­ten mit Erich Käst­ner. Die­se brach­te mich dazu mei­ne Alten Käst­ner Bücher noch ein­mal vorzuholen.
    Übri­gens wird sein damals hoch­kri­ti­sier­tes Buch »Fabi­an die Geschich­te eines Mora­lis­ten« von Domi­nik Graf neu ver­filmt. Erscheint im Herbst 2020

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