Meinungskorridor: Besser miteinander sprechen als übereinander zu schimpfen.

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> 3 Kommentare

Die Übertreibungen wäh­rend der bis­he­ri­gen Pandemie schei­nen bei man­chen Menschen die Erkenntnis rei­fen zu las­sen, dass wir alle mit­ein­an­der unse­re Diskussionskultur auf den Prüfstand stel­len müs­sen. Wir ent­kom­men ansons­ten der Spirale, in die wir uns gebracht haben, womög­lich nicht mehr. 

Dass sich aus­ge­rech­net die­je­ni­gen beru­fen füh­len Appelle zu plat­zie­ren, die ich auf den ers­ten Blick (auch wie­der viel zu schnell!) mehr­heit­lich zum geg­ne­ri­schen Lager” zäh­le, hat­te ich nicht erwar­tet. Ich ken­ne bis­her nur eine Bloggerin, die sich für Dialogbereitschaft ein­setzt und ich zu denen zäh­le, die ich – na ja, – zu „mei­nen Leuten” zähle.

Hier eini­ge der Vorgänge gegen die sich eine Initiative rich­tet (sie­he Links oben), die von Gunnar Kaiser mit­in­iti­iert wurde: 

Von Veranstaltern aus­ge­la­de­ne Kabarettisten.

Ich ken­ne nur den Fall Lisa Eckhart, zu dem ich mich hier mehr­fach kri­tisch geäu­ßert habe.

Urteil: Zustimmung

Zensierte Karikaturisten

Man kann nicht dar­über strei­ten, ob die Reaktionen, die Morde durch Islamisten sowie die all­ge­mei­ne Mobilmachung in isla­mi­schen Ländern gegen die Blasphemie, die von den Charlie Hebdo – Karikaturen aus­ging gerecht­fer­tigt war. Sowas ist abso­lut schreck­lich und inak­zep­ta­bel. Natürlich kann es nicht sein, dass bei uns sol­che Karikaturen zen­siert wer­den. Soweit ich sagen kann, ist das auch nicht gesche­hen. Allerdings haben Zeitungen den Nachdruck gestoppt. Aber war das Zensur?

Urteil: im Zweifel

Pauschal ver­bo­te­ne Demonstrationen

Die Corona-​Demo wur­de zunächst (pau­schal) ver­bo­ten. Das Verbot wur­de jedoch von einem Gericht kas­siert. Solche Beispiele gab es in unse­rer Geschichte mehr­fach.

Urteil: Der Rechtsstaat hat dem Recht Geltung ver­lie­hen. Fazit: Ein Verbot hat es in die­sem Fall gar nicht gege­ben. Keine Zustimmung.

Schriftsteller, deren Bücher aus dem Sortiment genom­men wer­den oder von Bestsellerlisten getilgt wer­den.

Die Vorstöße, die dies­be­züg­lich unter­nom­men wur­den (Thilo Sarrazin) waren zum Glück nicht erfolg­reich.

Urteil: Keine Zustimmung, es gab die­se Maßnahmen nicht.

Verfolgte und ein­ge­sperr­te Whistleblower & Enthüller

Ich den­ke, die bedeu­ten­den Whistleblower der Gegenwart sind Snowden, Assange oder Manning. Unsere deut­schen Whistleblower (Günter Wallraff ist der ein­zi­ge, den ich ken­ne – er ist übri­gens Mitunterzeichner die­ses Aufrufes!)

Urteil: kei­ne Meinung, Linke for­dern eben­falls, dass sie geschützt werden.

Verlage, die gedrängt wer­den, bestimm­te Bücher nicht her­aus­zu­brin­gen.

Gedrängt wur­de. Darüber wur­de in der Öffentlichkeit gestrit­ten. Die Bücher, um die es ging, sage ich aus mei­ner Erinnerung, sind erschie­nen – trotz die­ser Versuche.

Urteil: Trotz hef­ti­ger Kritik an „rech­ten” Autoren, es wur­den kei­ne Bücher gestoppt bzw. boy­kot­tiert. Keine Zustimmung.

Opernaufführungen, die abge­sagt wer­den.

Die Aufführung der Mozart-​Oper „Idomeneo” wur­de vor­sorg­lich abge­sagt, weil Angriffe isla­mis­ti­scher Terroristen befürch­tet wur­den. Ob zu Recht oder zu Unrecht ver­mag ich nicht zu beur­tei­len. Dahinter steckt weder poli­ti­sche Korrektheit noch ein beson­ders islam­freund­li­ches Verhalten irgend­wel­cher lin­ken Akteure. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Das man die­ses Verhalten als fei­ge dis­kre­di­tie­ren kann, sehen wir an die­ser Aufzählung.

Urteil: kei­ne Zustimmung, die Maßnahme lag in den Händen der Theaterleitung. Ich kann deren Entscheidung nachvollziehen. 

Seminare oder Vorlesungen, die nicht statt­fin­den kön­nen, weil sie gestört wer­den.

Bernd Luckes (ehem. AfD) Veranstaltungen wur­den laut­stark von Hamburger Studenten ver­hin­dert. Eine Art von Protest, den ich weder gut fin­de noch respek­tie­re. Klar, dass die­ses Beispiel her­aus­ge­pickt wird, um so zu tun, als sei­en sol­che Dinge an der Tagesordnung.

Urteil: Zustimmung. Allerdings hat es auch frü­her Protest die­ser Art gege­ben. Bei Reden von Politikern haben sich die Unterstützer der rech­ten Szene mit die­ser uner­freu­li­chen Art von Protest nicht lum­pen lassen. 

Künstlich verengter Meinungskorridor

Ich sehe es auch so, dass sich der Meinungskorridor in unse­rem Land zuse­hends verengt. 

Es stimmt wahr­schein­lich, dass mora­li­sche Kategorien, weni­ger sach­li­che, für die eige­ne Meinungsbildung zu wich­tig gewor­den sind. Dabei spielt die Moral weni­ger eine Rolle, wenn es um die Bewertung unse­rer eige­nen Positionen geht. Moral kommt erst ins Spiel, wenn wir uns an unse­re Mitdiskutanten wen­den oder über die­je­ni­gen urtei­len, die eine ande­re, unbe­que­me und schwer zu wider­le­gen­de Meinung ver­tre­ten. Moralische Aspekte soll­ten sach­li­che Argumente mög­lichst nicht über­la­gern und schon gar nicht ersetzen.

Die Gründe dafür lie­gen ver­mut­lich vor allem in der Art und Weise, wie die aso­zia­len Netzwerke funk­tio­nie­ren (Filterblasen, Echokammern). Wir könn­ten uns dadurch aus dem Weg gehen und Konfrontationen ver­mei­den. In den aso­zia­len Netzwerken nut­zen wir jedoch statt­des­sen jede Möglichkeit, den Gegner mund­tot zu machen. Unsere Meinung ist wich­tig, unse­re Argumente ste­chen. Die der ande­ren aner­ken­nen wir nicht. Das geschieht lei­der auch bei Themen, die sol­che Formen der Konfrontation noch unver­ständ­li­cher wir­ken lassen. 

Vergleicht eure dies­be­züg­li­chen Erfahrungen mit Diskussionen im Familien‑, Kollegen- oder Freundeskreis, die im rea­len Leben passieren. 

Indubio – Klagen auf hohem Niveau

Ich habe mir heu­te einen wei­te­ren Podcast der „Indubio”-Reihe ange­hört. Die Gäste des Moderators Burkhard Müller-​Ullrich, waren dies­mal der Schriftsteller Bernhard Lassahn, Medienwissenschaftler Prof.em. Norbert Bolz und der Youtube und Autor Gunnar Kaiser. Dort gehts eben um den erwähn­ten „Appell gegen die gras­sie­ren­de Kultur des Mundtotmachens und Existenzvernichtens.

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Gibt es den Wunsch nach „erhel­len­der Konversation” eigent­lich noch oder wird er durch die auf bei­den Seiten exis­tie­ren­de Vordisposition nicht immer stär­ker be- oder verhindert? 

Sommerinterview mit Höcke

Übrigens fehlt mit ein Beispiel in der o.g. Aufzählung das Beispiel des Leiters der hes­si­schen Filmförderung, der in Frankfurt mit dem AfD-​Sprecher Jörg Meuthen zu Mittag geges­sen hat und dar­auf­hin ent­las­sen wur­de. Das fand ich per­sön­lich alarmierend. 

Alarmierender als bei­spiels­wei­se die Forderung von lin­ken Journalisten (wie Restle, Monitor), Björn Höckes (AfD) Auftritte im RBB (Sommerinterview) zu ver­hin­dern bzw. das Interview gar nicht erst zu führen. 

Der Umgang mit gewähl­ten Abgeordneten (auch der AfD) gehört für mich zu den kri­ti­schen Fragen unse­rer Zeit​.Es wird nicht ohne Grund kri­ti­siert, dass demo­kra­ti­sche Spielregeln nicht ein­ge­hal­ten wer­den. Nur gilt das nicht nur für die Frauen und Männer der AfD, son­dern für alle gewähl­ten Volksvertreter. Schade, dass dort offen­bar so wenig Selbstvertrauen vor­herrscht. Mit ein paar Rechten lässt sich umge­hen. Aber nicht so, wie das vor allem der Bundestag vor­ex­er­ziert. Das gilt in ähn­li­chem Maße auch für die Medien.

Mit Eva Hermann oder Thilo Sarrazin habe ich nichts am Hut. Beide Figuren sind mir zutiefst unsym­pa­thisch. Ihre Ansichten kot­zen mich an. 

Die Auflagen, die Thilo Sarrazin mit sei­nen Büchern erreicht hat, zeu­gen davon, wie groß die Fanbase für sei­ne Sicht auf die Migration ist. Vielleicht bin ich im Grunde auf mich selbst sau­er, weil ich inzwi­schen kraft eige­ner Anschauung ein­ge­se­hen habe, dass mei­ne Sicht auf das Thema all­zu naiv war. Ich kann ver­ste­hen, dass die SPD ihn nicht mehr zu ihren Mitgliedern zäh­len woll­te. Richtig fand ich den Rauswurf nicht.

Mich stößt ab, dass auch in die­sem Podcast wie­der mal die Rede vom Regierungsmainstream war. 

Alles, was nicht in die klei­ne Welt die­ser alten, wei­ßen Männer zu pas­sen scheint, wird mit sol­chen Feindvokabeln ver­se­hen. Da ist von mit­tel­al­ter­li­chen Zuständen die Rede und der Vorstellung, dass die gro­ße Mehrheit der Menschen das alles ja längst für Wahnsinn hiel­te. Es feh­le nur die Kanalisierung, um die­ses tat­säch­li­che Verhältnis der Deutschen zum Mainstream deut­lich zu machen. 

Schweigespirale

Es exis­tie­re eine Schweigespirale, fin­det Prof. Norbert Bolz. Und das, obwohl eine Mehrheit das alles für ver­rückt hält, ergänz­te er. Aber die Massen lie­ßen sich halt vom Mainstream unterdrücken. 

So ein­fach ist das.

Auf die Idee, dafür Umfragen oder Wahlergebnisse zura­te zu zie­hen, kamen die Herren lei­der nicht. Ich weiß aller­dings, dass es auf ihrer Seite vie­le gibt, die genau wis­sen, war­um sie Umfragen (evtl. Wahlergebnissen) nicht trauen. 

Norbert Bolz (die ande­ren wider­spra­chen nicht), über­haupt alle Anwesenden, müs­sen frü­her ™ regel­recht lin­ke Feger gewe­sen sein. Damals – das war die Zeit, als noch auf aller­höchs­tem links­in­tel­lek­tu­el­lem Niveau mit­ein­an­der dis­ku­tiert wur­de. Hat er gesagt, der Norbert Bolz. 

Altlinke überzeugender als Neulinke?

Habermas, Adorno, Böll, Marx – das waren halt noch Größen mit denen man sich mes­sen woll­te, dach­te ich beim Anhören auch kurz. Nein, die Namen fie­len selbst­re­dend nicht. Aber ich den­ke, ich hab da schon die rich­ti­gen rausgeschrieben.

Wenn doch die Linke (Grüne ein­ge­schlos­sen), wie die Kämpfer für die Freiheit des Wortes behaup­ten, heu­te mehr oder min­der ori­en­tie­rungs­los durch die gro­ßen poli­ti­schen Themen wabern, war­um hat man auf die­ser Seite dann so viel Stress mit dem Mainstream? Ach, wie konn­te ich ver­ges­sen, die Schlafschafe müs­sen noch auf­ge­weckt wer­den.

Alle war­te­ten auf die Pandemie, bis ein klei­nes Häufchen (sagen wir von ein paar Zehntausend Demonstranten) als Querfront auf die Straße gehen und in maxi­mal pro­vo­zie­ren­der Gemeinsamkeit das Symbol der Demokratie beschmut­zen konnte.

Dagegen hab ich was und auch dage­gen, wenn man es sich so ein­fach machen will und die Schuld für alles eigent­lich immer nur bei den ande­ren sieht.


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3 Gedanken zu „Meinungskorridor: Besser miteinander sprechen als übereinander zu schimpfen.“

  1. „Ich sehe es auch so, dass sich der Meinungskorridor in unse­rem Land zuse­hends verengt.”

    die­ser Satz steht in direk­tem Zusammenhang mit

    „Die Grenzen des Sagbaren sind ins Unerträgliche erwei­tert worden”.

    Dass Bücher aus dem Vertrieb genom­men wur­den, hat es gege­ben: Die Verlagsgruppe Random House stopp­te den Vertrieb der bel­le­tris­ti­schen Titel von Akif Pirinçci nach einem sei­ner Auftritte.

    Ich kann das nicht bedau­ern. Mich wun­dert sowie­so, was so alles erschei­nen darf, denn m.E. wird in etli­chen Büchern der äußers­ten Ränder die Grenze zur Volksverhetzung deut­lich über­schrit­ten. Und was man Anderen an den Kopf wer­fen bzw. an den Hals wün­schen kann, ohne dass das straf­re­le­vant wäre. 

    Ist das wirk­lich ein „ver­eng­ter Meinungskorridor”??? Ich weiß nicht… 

    Mit den „alter­na­ti­ven Wahrheiten” haben wir doch tat­säch­lich zuneh­men­de Probleme, denn wie will man mit Menschen ernst­haft dis­ku­tie­ren und „Demokratie machen”, wenn es kei­ner­lei Basis-​Annahmen gibt, auf die man sich eini­gen kann? Wenn dann die­ses Zeugs auch noch durch rein kom­mer­zi­el­le Algorithmen pro­mi­nent ange­prie­sen wird, wird die Lage immer schlimmer.

💬 Zuhören ist oft das schönste Geschenk.

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