Ich glaube, dass sich angesichts der vielen Thesen und Antithesen immer mehr Leute fragen, wer gegebenenfalls dafür haftet, wenn sich getroffene Maßnahmen im Kampf gegen die Coronaepidemie als fehlerhaft herausstellen.
Wie verhält es sich angesichts der kaum absehbaren Konsequenzen für die Zukunft von Millionen von Menschen überall auf der Welt, wenn die Verantwortlichkeiten nicht oder nicht eindeutig zu klären sind? Vielleicht gibt es Untersuchungsausschüsse. Aber macht sich jemand Illusionen darüber, dass diese zu irgendwas führen?
Die Verantwortung müssen die anderen tragen
Wir wissen, wie das mit der Haftung von Politikern in Deutschland im Normalfall läuft. Das Schlimmste, was passiert, ist das sie bei Wahlen weniger Stimmen bekommen, also Mandat und Macht verlieren.
Nicht, dass ich missverstanden werde: Ich möchte am liebsten all diejenigen haftbar machen, die nach der ersten Welle der Epidemie nach Lockerung nicht nur rufen, sondern schreien und den Eindruck vermitteln, dass die Lockdown-Entscheidungen unserer Regierungen (aller Regierungen, ok!, außer Schweden) falsch gewesen seien.
Die Rechten und ihre rechten Thesen und Antithesen
Wer sich die “flammende” Rede dieses ehemaligen FPÖ Innenministers Kickl im österreichischen Fernsehen anhört, weiß genau, in welche Richtung es auch gehen könnte, wenn die Schreihälse die Oberhand gewinnen sollten.
Da gibt es einen Wirtschaftsprofessor Homburg, der in der WELT einen langen Artikel (Paywall) geschrieben hat. Er wird als Person wohl vor allem deshalb interessant für die WELT, weil er mit voreiligen Schlussfolgerungen aus einer RKI – Grafik für Stimmung gegen den Lockdown fabrizierte. Das kommentiert nun heute dieselbe Zeitung in dieser Weise. Dazu gibt es weitere Faktenchecks, die nicht nur hinsichtlich Homburgs Aussagen Aufklärung schaffen.
Roger Köppel, Verleger der schweizerischen Weltwoche, arbeitet sich von Beginn am Umgang seiner Regierung mit der Coronaepidemie ab. Dass er via täglichem Video eine Menge Unsinn verbreitet, manche Aussagen sind überholt oder widerlegt, hindert seine Fans nicht daran, ihm auch weiterhin an den Lippen zu kleben.
Alle wollen mitreden, wie es sich für eine Demokratie gehört
Mir bereiten solche Meinungsschleudern Bauchkrämpfe. Von Anfang an hat er darauf abgehoben, dass das Virus nur für ältere und gesundheitlich vorbelastete Menschen gefährlich wäre. Die Datenlage scheint diesen Schluss auch nahezulegen.
Köppels Schlussfolgerungen gehen allerdings weiter. Er räumt zwar ein ethisches Dilemma ein, legt seinen Zuhörern allerdings den Gedanken nahe, sich für die Wirtschaft und gegen das Lebensrecht alter, kranker Menschen zu entscheiden. Man dürfe solche schwierigen Entscheidungen in unserer modernen Gesellschaft nicht einfach aus der Diskussion ausklammern, nur weil der Tod gesellschaftlich zum Tabu erklärt wurde.
Er behauptet, es gebe keine erhöhte Sterblichkeit. Dass es diesbezüglich ganz andere Daten gibt, ist ihm offenbar entgangen. Es gibt in einigen Regionen der Welt belegte Übersterblichkeiten, die Herrn Köppel widerlegen. Außerdem befinden wir uns immer noch am Beginn der Pandemie und müssen angesichts der Datenlage eher davon ausgehen, dass Übersterblichkeiten bald in viel mehr landesspezifischen Grafiken auftauchen werden.
Schweden als (schlechtes) Vorbild?
Der schwedische Sonderweg, der nicht nur vom FPÖ – Mann Kickl, sondern natürlich auch von seinem politischen SVP-Spannmann Köppel immer wieder hervorgehoben wird, wird im Land selbst viel kritischer gesehen. Dort gibt es 2000 Wissenschaftler, die vehement gegen den lockeren Kurs der schwedischen Regierung opponieren. Wieso kommt mir das mit den “2000 Wissenschaftlern” nur so bekannt vor? Inzwischen wurden die Maßnahmen längst verschärft, befinden sich aber im Moment immer noch auf einem erstaunlich lockeren Niveau. Dass der Regierungschef gerade erst seine Schweden vor möglichen Verschärfungen der Maßnahmen gewarnt hat, wird von den Corona-Leugnern wie Köppel oder Kickl nicht erwähnt.
Sind 1.765 Corona-Tote, Stand 21. April, ein Erfolg? Bei 10,3 Millionen Einwohnern?
Nehmen wir also mal für einen Moment an, die Kritiker der scharfen Maßnahmen gegen die Epidemie würden sich durchsetzen. Je länger der Lockdown andauert, desto mehr Widerstand wird naturgemäß entstehen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich auch aufgrund handwerklicher oder kommunikativer Fehler ein Meinungsumschwung vollzieht und plötzlich alles ganz anderes ist. Was würde passieren, wenn die Parteien (AfD, SVP, FPÖ, FDP) sich mit ihren rigorosen Forderungen zur Änderung der Strategie sich durchsetzen?
Und klar, Rezo musste auch ein Video zum Thema produzieren. Es gilt halt, was Karl Valentin mal gesagt hat: “Dazu ist alles gesagt worden, nur noch nicht von jedem.”
Sehr interessant ist übrigens, dass die Politik in dieser Coronazeit anfangs dafür gelobt wurde, sich von Wissenschaftlern beraten zu lassen. Dann wurde es vielen langsam zu viel, zu viel wissenschaftlichen Schnack zu hören und man verlangte plötzlich wieder nach dem Primat der Politik. Andere (FFF) wünschen sich, dass auch in Klimafragen so auf die Wissenschaft gehört wird.
So ist das. In der Phase aufkommender Angst waren beinahe alle einer Meinung. Jetzt driftet wieder alles auseinander. Vielleicht machen wir damit einen großen Fehler. Denn so schnell wird uns der Virus nicht “verlassen”. Daran ändern auch die genialen Pläne dieses Verrückten in Washington wenig. Er bat seine Wissenschaftler um Prüfung, ob Injektionen von Desinfektionsmitteln das Problem lösen können. Wer solche Präsidenten hat…