Etwas zu häufig hören wir in letzter Zeit von jungen Leuten (auch Jugendlichen), die randalieren, sich zusammenrotten (per WhatsApp oder anderen sozialen Netzwerken), um Rettungskräfte und Polizisten anzugreifen.
Dass dabei manchmal äußerst brutal vorgegangen wird, erfährt in den Medienberichten über solche Sachen weniger Beachtung. Im Vordergrund steht verständlicherweise das Phänomen als solches.
Zuletzt haben sich in Düsseldorf 200 (die Rheinische Post sprach von Hunderten) Jugendliche getroffen, um sich in einer Art Straßenkrieg mit der Polizei anzulegen. Es kam innerhalb kurzer Zeit zur Eskalation. Ein Mann war auf der Straße gestürzt und benötigte ärztliche Hilfe. Die Besatzung des Rettungswagens wurde von Jugendlichen daran gehindert, diese Hilfe zu leisten.
Die Polizei wurde gerufen. Ein 15-jähriger Jugendlicher attackierte einen der hinzugekommenen Polizisten. Parallel zu dieser Attacke wurden die Polizisten aus der Gruppe der Jugendlichen heraus beschimpft.
In Köln spielen sich in diesem “Sommer” auf der Zülpicher Straße Szenen ab, in denen ebenfalls Jugendliche und junge Leuten die Hauptrolle spielen. Dort ansässige Kneipen und Restaurants könnten Gäste empfangen.
Diese bleiben jedoch aus, weil die genannte Klientel vor den Lokalen Party macht. Die Getränke werden nicht in den Kneipen oder Restaurants besorgt, sondern in umliegenden Geschäften oder Kiosken. Die geschäftsschädigenden und immer mit ziemlich viel Aggression ablaufenden Partys werden weder vom Ordnungsamt noch von der Polizei gestört. Scheinbar sind die Ordnungskräfte damit überfordert, die Interessen der Lokalbesitzer zu schützen und nicht zuletzt auch die Anwohner der Straße vor dem Lärm der die Nacht über andauert. Das findet an jedem Wochenende im Sommer statt.
Dass diese Wandlung an der Zülpicher Straße inzwischen ein Menschenleben gekostet hat, scheint die Lage nicht beruhigen zu können.
Ältere Leute wie ich fragen sich angesichts solcher Szenerien, die leider bundesweit zu beobachten sind, warum sich Teile unserer Gesellschaft in den letzten vielleicht zwei Jahrzehnten so krass verändert haben. Genauer gesagt, warum sind es vor allem junge Leute, die durch Aggressivität und besondere Rücksichtslosigkeit auffallen? Und natürlich auch warum der Staat nicht rigoros gegen diesen Missbrauch von Freiheitsrechten vorgeht.
Die Polizei hält sich vielleicht auch deshalb ein Stück weit zurück, weil unsere Öffentlichkeit (die sozialen Medien vornweg) mit dem Vorwurf übermäßiger Polizeigewalt immer sofort zur Stelle sind. Egal, ob Polizisten verletzt werden – das spielt keine Rolle. Am Ende sind die Beamten doch wieder die Dummen. Das haben die Jungen ebenso schnell verinnerlicht, wie alle anderen Gruppen, die ihr Heil in der Durchsetzung ihrer ganz persönlichen Überzeugungen und Vorlieben sehen. Scheiß doch darauf, was andere sagen. Hauptsache ICH! hab meinen Spaß.
Corona und die Beschränkungen durch die furchtbaren Lockdowns werden ihren Anteil an dieser Entwicklung haben. Nicht ohne Grund beklagen viele junge Leute, dass sich die Maßnahmen vor allem auf ihr Leben ausgewirkt haben.
Aber ist dieser Erklärungsansatz tragfähig? Reicht diese Annahme aus, um die Zunahme von Aggressivität insbesondere bei jüngeren Menschen zu erklären? Wütend zu sein, reicht jedenfalls kaum aus, um an der Situation etwas zu verändern. Eine gute Analyse täte Not.
Rafael Behr war früher selbst Polizist und hat sehr lange im Polizeidienst gearbeitet. Seit vielen Jahren arbeitet er als Professor für Polizeiwissenschaften. Er lehrt in Hamburg Kriminologie und Soziologie. In einem Interview, das ich leider nicht mehr finde, sagte er sinngemäß, dass jüngere Leute oftmals eine Neigung zur Rücksichtslosigkeit, also zum Narzissmus zeigen. Zuerst habe ich gedacht, dass dies doch eine übertriebene Verallgemeinerung sei. Bis ich dann diesen Artikel gelesen hatte.
Welche Schlussfolgerung die Wissenschaft auch immer aus diesen sich häufenden Phänomen zieht und welche Gründe sie dafür finden möge. Die Entwicklung ist äußerst beunruhigend. Sie ist übrigens älter als Corona. Angriffe dieser rücksichtslosen Art gab es schon davor. Die Täter sind in der Regel junge Leute, Männer vermutlich.
Insofern reicht die vielleicht naheliegendste Erklärung, dass vieles mit den Entsagungen während Corona zu tun gehabt hat, denen wir alle ausgesetzt waren, nicht.
Plausibler ist mir dann doch der Einfluss der starken ICH-Bezüge, die unsere Gesellschaft gepflegt und über Generationen übertrieben hat. Wenn der Preis dieser sein sollte, könnten wir noch von weiteren unangenehmen Überraschungen heimgesucht werden. Schließlich ist die charakterliche Ausprägung junger Menschen nichts, das man einfach wieder korrigieren könnte. Ob das alles nicht auch mit dem in Verbindung zu bringen ist, was wir bei FFF und BLM manchmal zu sehen und zu hören bekommen? Das ist sehr komplex und ich will nicht den Küchenpsychologen geben. Aber wirklich geheuer ist mir die Entwicklung längst nicht mehr.
Link: Junge Menschen vor der Wahl: Wie die “Generation Merkel” tickt | tagesschau.de