Geht Demokratie nicht auch ohne Parteien?

Demokratie geht ohne Parteien? Das habe ich mal gelesen. Sollten etwa Bewegungen Parteien ersetzen? Spricht der Grad der Individualisierung unserer Gesellschaften nicht eindeutig dagegen? Sind Volksparteien, die die Interessen möglichst vieler Menschen bündeln, nicht der weitaus praktikablere Weg, um den Herausforderungen (auch für die Demokratie selbst) gerecht zu werden?

Wie könnte eine Demokratie funktionieren – so ganz ohne Parteien? Gibt es dafür auch nur ein Beispiel? Dass viele in der Bevölkerung so unzufrieden sind, hat in erster Linie wohl damit zu tun, dass das politische Personal anders ist als wir es uns wünschten.

Kluge, ehrliche und integre Leute, die nicht bloß für ihre eigenen Positionen einstehen, sondern nachweislich auch für die der Menschen, die sie vertreten möchten. An ihren Standpunkten könnte man sich orientieren und entscheiden, welche Kandidaten sie oder er unterstützen möchten. So hätte ich nichts dagegen, dass diese Abgeordneten sich in Parteien zusammenschließen, um Mehrheiten organisieren zu können und organisatorische Dinge zu regeln.

Solche Menschen gibt es. Da bin ich mir sicher. Wenn da nur nicht die anderen wären, die meine Favoriten ganz anders beurteilen werden. Inzwischen glaube ich, dass es buchstäblich keine Person mehr gibt, die vor den Augen einer überkritisch gewordenen Öffentlichkeit noch bestehen würde. Man müsste einfach nur lange genug graben. Unterstützt werden “Recherchen” dieser Art erfahrungsgemäß mit maximalem Eifer durch die asozialen Medien und oft genug durch Journalisten.

Ernsthaft jetzt: Welches Mitglied der aktuellen Bundesregierung hätte kein Heer an Gegnern gegen sich, würde es eine entsprechende Nachfrage geben? Sollte uns das nicht zu denken geben? Man findet bei jeder und jedem irgendwas, wenn man nur lange genug sucht. Notfalls setzt man Plagiatsjäger ein. Der Ehrverlust ist im Erfolgsfall maximal. Es scheint, dass Politiker auf diese Art am effektivsten “aus dem Amt zu putschen” sind.

Im Finden und Ausbeuten ist diese Öffentlichkeit generell inzwischen beinahe perfekt. Auch wenn sie ebenso schnell wieder vergisst, was sie gerade noch über die Maßen empört hat.

Die parlamentarische Demokratie muss sich erneuern. Wir sind an dem Punkt angelangt, an dem es dringend wird, über mehr plebiszitäre Elemente in dieser Demokratie zu entscheiden. Ich kenne viele der Gegenargumente, möchte aber dagegen halten, dass der direkte (auch im Sinne von zügig) Einfluss der Bevölkerung auf die Parlamente der Demokratie insgesamt nur guttun könnte.

Es hat für mich wenig mit Populismus zu tun, wenn die Stimmung in der Bevölkerung schneller und direkter die gewählten Abgeordneten erreicht. Wir klagen heute recht darüber, dass “die da oben” die Lebensbedingungen ihrer WählerInnen nicht mehr kennen. Nicht nur das würde sich ändern, wenn es mehr Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungen gäbe. Die Rückkopplung zwischen Abgeordneten und den BürgerInnen ihrer Wahlbezirke funktioniert doch heute kaum, auch wenn es bundesweit vielleicht ein paar Ausnahmen gibt.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Kategorie: Gesellschaft Politik

Schlagworte: Demokratie Deutschland Parteien

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