Gefilmte Weihnachten + meine schönste Weihnachtsgeschichte

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Wenn ich mich bei Ama­zon Prime, Net­flix und ande­ren Strea­ming­diens­ten umschaue, kom­me ich zu dem Schluss, dass die Spar­te „Weih­nachts­fil­me“ inzwi­schen als eige­ne Indus­trie betrach­tet wer­den kann. Das hat nicht nur Hol­ly­wood erkannt. Über­all auf der Welt wer­den mas­sen­wei­se Weih­nachts­fil­me pro­du­ziert. Man­che sind gelun­gen, die meis­ten sind – sor­ry, lie­be Hard­core­fans des gepfleg­ten Weih­nachts­films, ein­fach nur Mist.

Ich fin­de, ich kann das des­halb rela­tiv gut beur­tei­len, weil ich mich zu den unkri­ti­schen Kon­su­men­ten zäh­le und ver­mut­lich nicht nur des­halb, weil ich viel Zeit habe. 

Es gibt im Web eine gan­ze Anzahl von Sei­ten, die die schöns­ten Weih­nachts­fil­me „aller Zei­ten“ gekürt haben. Ich gebe mal ein paar Bei­spie­le. Die Red­un­danz ist augenfällig. 

  1. Die schöns­ten Weih­nachts­fil­me aller Zei­ten: Klas­si­ker aus allen Jahr­zehn­ten Kino​.de
  2. Weih­nach­ten 2021: Die schöns­ten Weih­nachts­fil­me auf Net­flix & Co. Instyle​.de
  3. TV-Pro­gramm: Die 19 schöns­ten Weih­nachts­fil­me aller Zei­ten Express​.de

Ich habe natür­lich auch mei­ne Lieb­lings­weih­nachts­fil­me. Dar­un­ter sind auch sol­che, die ich schon vie­le Male ange­se­hen habe. Mei­ne Frau ist dafür nicht so sehr zu haben. Aber wenn ich nicht über­trei­be, macht sie das mit. 

Mei­ne eige­ne Rang­lis­te der fünf schöns­ten Weihnachtsfilme:

  1. Oran­gen zu Weihnachten
  2. Lie­be braucht kei­ne Ferien
  3. Tat­säch­lich Liebe
  4. Schö­ne Bescherung
  5. Ist das Leben nicht schön?

Ich fra­ge mich gele­gent­lich, wie­so erwach­se­ne Men­schen, die viel­leicht mit dem reli­giö­sen Hin­ter­grund des Weih­nachts­fes­tes nicht so ganz viel am Hut haben, den „Ritua­len“ rund um Weih­nach­ten trotz­dem eini­ges abge­win­nen können. 

Wahr­schein­lich, weil es schön ist, sich an frü­her ™ zu erin­nern. Dabei spielt Reli­gi­on für vie­le auch eine Rol­le. Aber sie drängt sich nicht zwin­gend in den Vordergrund. 

Wahr­schein­lich spie­len nost­al­gi­sche Gefüh­le eine Rol­le. Ich glau­be, Nost­al­gie kann uns in die­sen schwie­ri­gen Zei­ten hel­fen, mit unse­ren Gefüh­len klar­zu­kom­men. Und wenn es nur die paar Stun­den sind, die wir mit unse­rer Fami­lie ver­brin­gen oder die ein­ein­halb Stun­den, in denen uns schö­ne Weih­nachts­fil­me an all das Schö­ne ver­gan­ge­ner Weih­nachts­fes­te erinnern. 

Auch wenn sol­che Bil­der und Nach­rich­ten uns schnell ein­ho­len und bei man­chen ein schlech­tes Gewis­sen aus­lö­sen wer­den, die Welt ist wie sie ist. Kei­ner kann sich all das Leid die­ser Erde auf die Schul­tern laden. Ohn­macht und Wut über all das exis­tie­ren­de Unrecht tei­len vie­le Menschen. 

In die­sem Jahr gibt es aller­dings auch Signa­le der Hoff­nung. Wie frem­de Men­schen sich aus allen Tei­len Deutsch­lands bis heu­te in den Flut­ge­bie­ten in West­deutsch­land für die Betrof­fe­nen mit gan­zer Kraft enga­gie­ren, zeich­net ein posi­ti­ves, hoff­nungs­vol­les Bild unse­rer Gesell­schaft. Es ist über­wäl­ti­gend, dass die Wel­le der Hilfs­be­reit­schaft anhält. Das zeigt sich nicht „nur“ im hohen Spen­den­auf­kom­men, son­dern in der per­sön­li­chen Soli­da­ri­tät mit den Schick­sa­len der Flut­op­fer.

Es gab einer­seits zusätz­li­chen Ver­druss dar­über, dass Poli­ti­ker und Behör­den sehr lang­sam reagiert haben und die finan­zi­el­len Hil­fen nicht – wie ver­spro­chen – schnell und unbü­ro­kra­tisch erfolg­ten. Die Medi­en haben sol­che Ver­säum­nis­se kri­ti­siert und Druck aus­ge­übt. Das zeig­te Wir­kung. Trotz­dem ver­brin­gen die Men­schen in die­sen Gebie­ten ver­mut­lich ein sehr belas­ten­des Weih­nachts­fest und einen Jah­res­wech­sel, an den sie sich lei­der noch lan­ge zurück­er­in­nern wer­den. Viel­leicht nicht „nur“ des­halb, weil ihre Hei­zun­gen noch immer nicht funk­tio­nie­ren. Es feh­len Hand­wer­ker, nicht nur im Kri­sen­ge­biet, son­dern über­all in Deutsch­land. Umso tol­ler fin­de ich die Initia­ti­ve von Instal­la­teu­ren, die sich deutsch­land­weit zur Hil­fe im Ahrtal orga­ni­siert haben. So gab es zumin­dest pro­vi­so­ri­sche Hei­zun­gen, die spä­ter gegen neue Tei­le aus­ge­tauscht wer­den können. 

Meine Weihnachtsgeschichte

Dass es an Weih­nach­ten frü­her ™ häu­fi­ger geschneit hät­te, soll einer der Trug­schlüs­se sein, denen wir gern auf den Leim gehen. Auch, dass die Som­mer damals noch Som­mer waren, ist nicht so ganz ein­fach zu bele­gen. War­um hat Rudi Car­rell in sei­nem Schla­ger Anfang der 1970-er Jah­re nach­ge­fragt, wann es end­lich wie­der Som­mer wer­de? Die Din­ge ver­klä­ren sich. Und zwar je mehr, des­to län­ger sie zurück­lie­gen. Es soll vor­ge­kom­men sein, dass man etwas dazu dich­tet. Und zwar ganz ohne, dass man dies bewusst oder gar in schlech­ter Absicht täte.

Mei­ne Frau und ich stam­men aus klas­si­schen Arbei­ter­fa­mi­li­en. Die Kin­der (4) wur­den in den 1950-er Jah­ren gebo­ren. Ich habe häu­fig dar­über gedacht, wie nahe mei­nem Geburts­jahr (1953) dem Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges war. Eine Erin­ne­rung an zer­stör­te Stra­ßen oder Häu­ser habe ich nicht, obwohl mei­ne Hei­mat­stadt Bedburg mit ihren Indus­trie­ge­bie­ten und der durch die Stadt lau­fen­den Bahn­stre­cke (Düs­sel­dorf, Köln) zu den Zie­len der Alli­ier­ten Bom­ber gehör­ten. So gese­hen sind acht Jah­re eine lan­ge Zeit. 

Unse­ren Fami­li­en ging es erst ab Anfang der 1970-er Jah­re finan­zi­ell bes­ser. Alle vier Kin­der in unse­ren Fami­li­en sind sich einig dar­über, dass wir unse­re Kind­heit in vol­len Zügen genos­sen haben. Wir hat­ten eine Kind­heit ohne Sor­gen, ohne die Not, von der wir wis­sen oder jeden­falls ahnen, dass sie heu­te auch in unse­rem Land stär­ker ver­brei­tet ist, als man­cher es wahr­ha­ben möchte.

Wir wuch­sen in einer behü­te­ten und lie­be­vol­len Umge­bung auf. Die Väter gin­gen ihrer Arbeit nach, die Müt­ter küm­mer­ten sich über­wie­gend um die Erzie­hung der Kin­der. Mei­ne Schwie­ger­el­tern teil­ten sich die Haus­ar­beit, weil mei­ne Schwie­ger­mut­ter immer mit­ge­ar­bei­tet hat. Irgend­wie haben sie es gewuppt, dass einer von bei­den mit­tags immer zu Hau­se war, wenn die Kin­der aus der Schu­le kamen. Bei uns war es immer Mama, die immer zu Hau­se war und fürs Mit­tag­essen sorg­te. Sie mach­te mit uns Haus­auf­ga­ben und war unaus­ge­spro­chen haupt­ver­ant­wort­lich für unse­re Erziehung. 

Dass unse­re Fami­li­en in den 50-er und dem größ­ten Teil der 60-er Jah­re finan­zi­ell nicht gera­de gut gestellt waren, war für uns Kin­der kein The­ma. Uns fehl­te nicht der Urlaub, den es nicht gab und – viel­leicht des­halb – auch kei­ne Autos. Unse­re Väter hat­ten zeit ihres Lebens kei­nen Führerschein.

Weih­nach­ten war das schöns­te Fest – auch wenn der Schnee wie­der nicht fal­len wollte. 

Es war Anfang der 60-er Jah­re. Zu die­sem Weih­nachts­fest wünsch­te ich mir eine Rit­ter­burg. Ich weiß, dass ich sehr kon­kre­te Vor­stel­lun­gen hat­te. Mir hat­te es die Zug­brü­cke ange­tan. Das war ein unver­zicht­ba­res Ele­ment für mei­ne Rit­ter­burg. Das Objekt mei­ner Begier­de hat­te ich nicht im Inter­net ent­deckt, son­dern – wie damals halt üblich – beim Platt­drü­cken mei­ner Nase am Schau­fens­ter unse­res ört­li­chen Spiel­wa­ren­händ­lers. Die­se Zug­brü­cke war so wichtig.

Es kam die Zeit, als Mama mich nach mei­nem Weih­nachts­wunsch frag­te. Ich weiß nicht, ob ich mir so was über­legt hat­te wie eine zwei­te Wahl. Es soll­te nun mal die Rit­ter­burg sein und nur die mit die­ser famo­sen Zugbrücke. 

Zum ers­ten Mal erhielt ich eine Absa­ge. Horst, so viel Geld kön­nen wir für ein Weih­nacht­ge­schenk nicht aus­ge­ben. Mei­ne Nach­fra­ge bei Papa war nicht von Erfolg gekrönt. Die bei­den hat­ten sich abge­stimmt. Ich war trau­rig. Aber ich habe nicht her­um­ge­mault. Ich sah ein, dass der aus­ge­stell­te Preis von knapp über 70 Mark gewal­tig war. Ich rede­te groß­zü­gig über mei­ne Ent­täu­schung hin­weg und fand, ich brauch­te in die­sem Jahr auch nicht unbe­dingt was vom Christkind.

Hei­lig­abend kam. Mei­ne klei­ne Schwes­ter und ich gin­gen mit Papa tra­di­tio­nell in die Gewächs­häu­ser der Gärt­ne­rei. Mein Vater erklär­te uns an die­sem Abend immer das gehei­me Leben der Pflan­zen. Dafür hat­ten wir nicht unbe­dingt ein Fai­ble. Aber an die­sem Tag war das was ande­res. Hei­lig­abend. „Wir freu­en uns aufs Christ­kind“ hat­ten wir gemein­sam ange­se­hen. Danach war nicht mehr viel Zeit bis zu Besche­rung. Die Zeit wur­de über­brückt mit besag­tem Besuch in den Treibhäusern. 

Ich erin­ne­re mich an Hei­lig­aben­de mit Schnee­fall. Aber es waren eine Men­ge Flo­cken nötig, um die Glas­dä­cher in den ordent­lich geheiz­ten Treib­häu­sern so zu bede­cken, dass man nicht mehr hin­durch­se­hen konn­te. Ich erin­ne­re mich nicht, ob es je dazu kam. 

Die Klin­gel ertön­te. Mama hat­te also den Weih­nachts­baum (mit die­ser enorm bun­ten Lich­ter­ket­te aus Chi­na, die für uns zum Kult wur­de und jahr­zehn­te­lang funk­tio­niert hat) geschmückt und die Geschen­ke plat­ziert. Wir gin­gen alle gemein­sam ins Wohn­zim­mer. Auf dem Couch­tisch stan­den prall gefüll­te Weih­nachts­tel­ler mit Leb­ku­chen, Mar­zi­pan­kar­tof­feln und Domi­no­stei­nen. Zwi­schen den Tel­lern stan­den ein paar Päck­chen. Ich hielt Aus­schau nach mei­nem Geschenk. Was moch­te das Christ­kind wohl ersatz­wei­se für die Rit­ter­burg gebracht haben? Mei­ne Schwes­ter pack­te eine Pup­pe aus und war voll­kom­men entzückt. 

Ich ließ mir mei­ne Ent­täu­schung nicht anmer­ken, glau­be ich. Irgend­wie hat­te ich gehofft, dass es so was wie ein klei­nes Weih­nachts­wun­der geben könn­te. Dass nun aber so gar kein Päck­chen für mich auf dem Tisch lag, war doch sehr enttäuschend. 

Aller­dings war das irgend­wie typisch für mei­nen Vater. „Ja“, mein­te er, „hast du denn auch rich­tig geschaut?“. Ich war ver­wirrt. Natür­lich hat­te ich das. Das Christ­kind hat­te mich offen­bar ver­ges­sen. Hät­te ich mal bes­ser mal nicht den Mund so voll genom­men und mir eine Alter­na­ti­ve zur Rit­ter­burg ausgedacht. 

Mir fiel plötz­lich auf, dass die Tisch­de­cke unge­wöhn­lich groß war. Sie reich­te bis zum Boden. Den Hin­weis mei­nes Papas noch im Ohr lupf­te ich die Decke etwas an und sah unter den Tisch. Eine Rit­ter­burg! Nein, DIE! Rit­ter­burg. Mit Zug­brü­cke. Aller­dings ohne Per­so­nal. Aber das juck­te mich nicht. Ich hat­te doch genü­gend Spiel­zeug­fi­gu­ren von mei­ner Eisen­bahn und von ande­ren Spiel­sa­chen. Ich glau­be, dass ich mich nie wie­der so sehr über ein Weih­nachts­ge­schenk gefreut habe. 

Nach der Besche­rung besuch­ten wir manch­mal die Christ­met­te. Ich erin­ne­re mich, dass wir in einem Jahr an Hei­lig­abend durch hohen Schnee gelau­fen sind. Die Kir­che war von unse­rem Zuhau­se schät­zungs­wei­se so unge­fähr 5 Kilo­me­ter ent­fernt. Die­ser Abend war ein Traum von wei­ßer Weihnacht. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Weihnachten

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