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Wieder mal verloren. Und diesmal ausgerechnet gegen Erdoğans Truppe.

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Wir haben ein Fußballspiel verloren. 2:3 gegen die Türkei. Das Spiel fand in Berlin statt. Der deutsche Nationalspieler Thomas Müller sprach davon, die Atmosphäre im Stadion habe die Mannschaft gewurmt. Da ist er bei denen, die bei X die eigene Mannschaft verdammen, vor allem aber gegen »die Türken« hetzen.

Sie waren gut vertreten im Stadion. Bei einem Bevölkerungsanteil von rund 11 % insgesamt und 6 % in Berlin haben türkeistämmige Menschen eine gewisse Repräsentanz. Dass es unter diesen Fußballfans eine Affinität für die türkische Nationalmannschaft gibt, wird von Deutschen überaus kritisch gesehen. Das passt zum Dauerthema „gescheiterte Integration“. Manche betrachten heute den Jubel und die Pfiffe gegen die deutsche Mannschaft gar als Verrat.

Manche kritisierten die Entscheidung des DFB in Berlin zu spielen, und zwar aufgrund des dortigen türkischen Bevölkerungsanteils. Witzig, wenn man sich die tatsächlichen Anteile anschaut (siehe oben).

So müssen wir weitermachen. Wenn die Dreckschleuder „Bild“ Fotos von Szenen zeigt, in denen (vorgeblich) türkische Fans nach dem Spiel auf dem Ku’damm die Sau herauslassen, sagt das was genau aus? Klar, welche Emotionen in der Leserschaft angesprochen werden sollen. Wenn sogar einige unter den Feiernden solche sind, die das Zeichen der Grauen Wölfe via Handzeichen zeigen, ist das — könnte ich mir vorstellen — nichts als der schäbige Versuch, negative Emotionen zu wecken. Das gilt ebenso für angeblichen Allahu-Akbar-Rufe, die skandiert wurden. Bild-Niveau, das die Idioten bei X erfolgreich triggert.

Es passt ins Bild, wenn aus solchem Verhalten geschlossen wird, dass die Integration DER Türken nicht funktioniert hat. Dies behaupten primär diejenigen, die misslungene Integration als politisches Gewinnerthema identifiziert haben und die andererseits in keiner Beziehung zu Menschen mit Migrationshintergrund stehen.

So wollen diese Leute auch nichts davon wissen, dass es hier um ein Sportereignis ging. Die völlig natürliche Parteilichkeit im Fußball wie im Sport allgemein, wird zum Bekenntnis für oder gegen Deutschland hochgejazzt.

Wollen die Leute, die aus all diesen Geschichten einmal mehr den Untergang Deutschlands herbei fabulieren, bitte den Blick einmal auf das Verhalten deutscher Fußballfans werfen, die jeden Spieltag der Ligen in eine Kampfzone verwandeln?

Wir Steuerzahler bezahlen Jahr für Jahr diesen millionenteuren Wahnsinn, den Einsatz unzähliger Ordnungs-, Rettungs- und Polizeikräfte, nur weil sich ein paar Schläger nicht im Griff haben?

So beschissen ich die verbale und physische Gewalt auf und neben Fußballplätzen finde, ich würde nie aus dem Verhalten solcher »Fußballfans« Rückschlüsse auf generelle deutsche Wesensarten ziehen, natürlich auch nicht auf die von Menschen, die aus anderer Nationen stammen.

In den asozialen Medien, bei Bild oder beim geistigen Exkrementeverteiler ihres Ex-Chefredakteurs (NiUS) stehen unhaltbare Vorwürfe gegen Deutschtürken und Türken im Fokus. Die Leute wollen gegeneinander aufgewiegelt werden. Leider machen solche journalistischen Modelle mit solchen Methoden Quote.

Müsste man, wenn man diesen Scharfmachern folgen wollte, nicht die grundsätzliche Frage stellen, weshalb wir für die eine oder gegen die andere Vereinsmannschaft in unseren Ligen sind? Man müsste dann das ganze Fanwesen hinterfragen. Schließlich bestehen alle Mannschaften der Top-Ligen zu einem großen Teil aus Ausländern, mit und ohne deutschen Pass.

Wieso pfeifen die Hardcorefans beliebiger Clubs, die zum größten Teil nicht aus deutschstämmigen Spielern bestehen, die gegnerischen Spieler schon seit Langem aufs Heftigste aus oder beleidigen gegnerische Spieler mit rassistischen und anderen Schimpfwörtern?

Das ist eine Subkultur, für die ich nicht die geringste Sympathie aufbringe.

Ich finde es auch nicht schön, wenn eine Mannschaft, egal welche, schon vor dem Spiel ausgepfiffen wird. Wenn eine Nationalhymne gespielt (oder gesungen) wird, hört man häufig ein gellendes Pfeifkonzert der gegnerischen Fans. Das Verhalten finde ich erbärmlich, aber leider hat sich das (warum auch immer) zur Normalität entwickelt.

Jeder kann das beobachten, der Fußballspiele verfolgt.

Warum kreiden wir das den türkischen Fans an, wenn es doch auf internationaler wie nationaler Ebene so normal geworden ist? Na, die Frage ist leicht zu beantworten.

Wir wollten den Vorwand geliefert bekommen, wieder einmal abzulästern. Wenn wir sportlich schon nichts zu bieten haben, kommen wir mit moralischen Vorhaltungen um die Ecke und kritisieren gegnerische Fans dafür, ihre Mannschaft durch das Auspfeifen der Gegenmannschaft zu unterstützen. Haben Sie schon einmal beobachtet, wie sich die „Fans“ gegenüber dem gegnerischen Torwart verhalten, wenn ein Elfmeter gegeben wurde? Das ist unsportlich und deshalb ist es kaum zu verstehen, was solche Idioten motiviert.

Erdoğan hat einmal (ich glaube, es war sogar in Deutschland) davon gesprochen, dass Assimilation eine Sünde sei.

Ist es denn nicht so, dass viele Deutsche es am liebsten hätten, wenn die hier lebenden Türken sich so »unauffällig« wie möglich verhielten (im Sinne einer Assimilation) oder noch besser, für die deutsche Nationalmannschaft eintreten? Wenn die deutsche Nationalmannschaft ausgepfiffen wird, gefällt mir das nicht. Aber ich kann dies nicht als Ausweis für mangelnde Integration betrachten. Da fielen mir andere Verhaltensweisen ein. Ich denke an die propalästinensischen Demos, die offenen Judenhass zur Schau stellen oder Veranstaltungen, in denen ein Kalifat gefordert wird.

Das hat mit dem, was gestern in Berlin zu beobachten war, nichts zu tun.

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Horst Schulte
Herausgeber, Blogger, Autor und Hobby-Fotograf
Seit 2004 blogge ich über Politik und Gesellschaft – also seit die meisten noch SMS statt Tweets geschrieben haben. Mit 70 Jahren lebe ich immer noch im schönen Bedburg, direkt vor den Toren Kölns, und schreibe über alles, was die Welt bewegt (oder mich zumindest vom Sofa aufstehen lässt).

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Artikelinformationen:

Gesellschaft

Deutschland, Fußball, Ku'damm, Pfiffe, Türkei

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2 Gedanken zu „Wieder mal verloren. Und diesmal ausgerechnet gegen Erdoğans Truppe.“

  1. Die persönliche Affinität zu Sportmannschaften des eigenen Landes, der eigenen Stadt o.ä. finde ich völlig normal. Es gehört auch überhaupt nicht zur Integration, so etwas abzulegen, wenn man im Ausland lebt.

    Ich bin nun wahrlich kein besonderer Fußballfan, aber eine gewisse Affinität zur Eintracht Frankfurt (allerdings auch ein wenig zu Mainz 05 und den Darmstädter Lilien) habe ich schon. Und das wäre sicher so geblieben, wenn ich seit zwanzig Jahren in Berlin lebte. (Oder in Istanbul)

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  2. So sehe ich das auch. Diese Aufregung passt natürlich den Rechten ins Konzept. Das Klima wird weiter vergiftet. Bei X ist die Forderung nach Remigration wieder ein Topthema.

    Und das wegen eines verlorenen Fußballspiels.

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