Schnell noch einen Kaffee und ein Brötchen, dann geht’s los auf die Autobahn. Welche Auffahrt nehme ich heute? Ich fahre ein Stück durchs Städtchen und gewinne knapp 5 Minuten. Ja, so mache ich es.
Es ist Frühling und noch ziemlich frisch. Gerade am frühen Morgen. Der Raureif ist schon geschmolzen, sodass ich gleich losdüsen kann. Ein paar Sonnenstrahlen blenden ein wenig. Die kleine Kreuzung ist noch kaum befahren. Mich irritiert eine Gestalt, die fast in der Mitte der Kreuzung steht. Als wolle sie den Verkehr regeln. Es ist ein kleiner Junge (höchstens 3 Jahre alt). Er steht in seinem Schlafanzug tatsächlich mitten auf der Kreuzung.
So unwirklich die Szenerie war, so rasch fahre ich mein Auto an den Rand. Ich renne auf die paar Meter in die Kreuzung hinein und schnappe mir den kleinen Kerl. Und jetzt? Ich schaue mich um, ob nicht irgendwo eine Person zu sehen ist, die Vater oder Mutter des Kleinen sein könnte. Um diese Zeit ist wenig los. Kaum ein Auto und keine Fußgänger sind zu sehen. Ich gehe ein paar Meter und treffe doch ein paar wenige Passanten, die ich frage, ob sie den kleinen Mann vielleicht kennen. Haben Sie eine Ahnung, wo der Junge wohnen könnte, frage ich in verschiedenen Variationen.
Ein älterer Mann rät mir, es einmal im 2. Haus auf der Soundso-Straße zu probieren. Es könne nämlich sein, dass er die hier lebende Familie mit dem Jungen gesehen hatte. Dieses Haus befindet sich in der Nähe, nur die Ecke rum. Verblüffend. Die Haustür steht offen. Ich gehe weiter – der Junge ist während unserer Exkursion ganz still und schaut mir interessiert ins Gesicht.
Ich klingle an der Haustür. Erst nach einer Weile erscheint ein ziemlich ungepflegter Mann im Bademantel. Er scheint kein Deutsch zu können. Er sagt nichts, schaute mich nur an und antwortet auch nicht auf meinen Gruß. Ein Lichtblick, denn er und der Kleine scheinen sich zu kennen. Nur wenige Sekunden später erscheint die Mutter. Sie klärte mich auf, dass dies ihr Sohn sei. Der Junge war durch die aus welchen Gründen auch immer offenstehende Haustür entkommen. Keiner hatte davon etwas mitbekommen. Ich gehe zurück zu meinem Auto. Danke hätten die ja wenigstens sagen können.
Meine Verspätung liegt im vertretbaren Bereich. Ärger wird es mit dieser Geschichte in petto nicht geben, denke ich.
An diese mehr als 30 Jahre alte Geschichte erinnerte ich mich, als ich gestern davon erfuhr, dass ein zweijähriges Mädchen, in einem Bach ertrunken ist. Das Kind hatte in einem unbeobachteten Moment das Wohnhaus verlassen. Mein aufrichtiges Mitgefühl gilt den Eltern und den Verwandten der Kleinen. Was für ein furchtbares Unglück.
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